Flughafenseelsorger Kohlhuber und der Papst:"Sein Händedruck ist fest und zugleich behutsam"

Flughafenseelsorger Kohlhuber und der Papst: Als Flughafenseelsorger trifft Franz Kohlhuber die verschiedensten Menschen in extremen Situationen.

Als Flughafenseelsorger trifft Franz Kohlhuber die verschiedensten Menschen in extremen Situationen.

(Foto: Marco Einfeldt)

Flughafenseelsorger Franz Kohlhuber hat Papst Franziskus getroffen und kann sich noch heute an jede Einzelheit dieser Begegnung erinnern. Das gibt ihm Kraft, denn bei seiner Arbeit hat es der Geistliche oft mit Menschen in extremen Situationen zu tun

Interview von Gudrun Regelein, Freising

Den 12. Juni 2015 wird Franz Kohlhuber wohl nie mehr vergessen: An diesem Tag hat der katholische Flughafenseelsorger Papst Franziskus getroffen. Auch wenn die Begegnung nur einige Minuten gedauert habe, so habe sie ihn doch sehr berührt, sagt Kohlhuber. Im Gespräch mit der Freisinger SZ erzählt er von dem Treffen mit dem Papst - und weshalb er seinen Beruf nicht als Aufgabe, sondern als Berufung empfindet.

SZ: Herr Kohlhuber, erzählen Sie doch, wie es zu der Audienz beim Papst kam.

Franz Kohlhuber: Alle drei Jahre lädt der Vatikan die katholischen Flughafenseelsorger weltweit zu einem Treffen ein. Etwa 80 Teilnehmer, viele aus Europa, aber auch von der Elfenbeinküste, aus Nigeria oder Südkorea, nahmen in diesem Jahr daran teil. Wir hatten in der knappen Woche ein durchgetaktetes Programm - und am Freitag gab es dann nach einer Abschlusssitzung noch eine Privataudienz bei Franziskus.

Wie lief das genau ab?

Wir wurden mit Bussen in den sogenannten Diplomatenhof hinter die Mauern des Vatikan gebracht. Von dort aus wurden wir in Gruppen vom Protokollchef abgeholt und dann über große Treppen in den wunderschönen Sala Clementina geführt. Dort wurden wir schließlich vom zuständigen Kurienkardinal in die Audienz eingeführt: Das Protokoll ist sehr streng, er bat beispielsweise, sich auf drei Sätze in Englisch, Spanisch oder Italienisch zu beschränken.

Waren Sie aufgeregt?

Ja, spürbar. Die Ruhe und Gelassenheit, die der Papst ausstrahlt, hat sich dann aber sehr schnell auf mich übertragen. Ich hatte fast das Gefühl, bei einem Familientreffen zu sein (lacht). Ich stellte mich ihm vor, sagte ihm, von welchem Flughafen ich komme und dass ich für die Diözese München tätig bin. Als dann der Name Kardinal Marx, der ein Berater von Franziskus ist, fiel, schmunzelte der Papst. Dann sagte ich ihm noch, wie sehr es mich freue, dass er Freude und Hoffnung in die Welt trägt. Er hat gestrahlt und wollte etwas sagen, aber in diesem Moment hat mich der Kurienkardinal leider zur Seite gebeten. Franziskus drückte mir dann noch die Hand und legte seine andere auf meinen Unterarm.

Sie haben tatsächlich noch jedes Detail in Erinnerung: Hat Sie das Treffen sehr beeindruckt?

Nachhaltig. Und das schafft Franziskus ohne Worte, nur durch seine Ausstrahlung, sein Charisma. Er ist sehr authentisch - und das hat mich zutiefst fasziniert. Er weicht dem Blick nicht aus, sein Händedruck ist fest und zugleich behutsam. Mir ist diese Begegnung noch sehr präsent. Das Gefühl, dass ich davon mitgenommen habe, ist ein sehr tiefes.

Sie arbeiten als Flughafenseelsorger am Flughafen München, Ihnen begegnen täglich vielen Menschen. Welche Anliegen haben diese?

Die große Überschrift könnte "Menschen in Übergängen" lauten. Wir begegnen Menschen, die Sorgen und Nöte haben, die mit Abschied, Verlust oder dem Tod konfrontiert wurden. Immer häufiger müssen wir uns auch mit dem Thema Rückführung beschäftigen, die Zahl der Abschiebungen steigt dramatisch. Wir versuchen, diesem Akt ein letztes Stück Humanität zu geben. Als Flughafenseelsorger gehe ich dorthin, wo Menschen unterwegs sind. Und da schließt sich für mich der Kreis zu dem, was Papst Franziskus sagt: "Geht dorthin, wo Menschen in Not sind." Wenn diese alleine nicht mehr zurechtkommen, dann sind wir für sie da.

Sie warten also nicht in Ihrem Büro, dass jemand zu Ihnen kommt?

Natürlich kann jeder mit seinem Anliegen auch zu mir kommen. Tatsächlich ist es aber so, dass wir häufig gerufen werden. Beispielsweise vom Terminaldienst des Flughafens oder von Fluglinien. Dann, wenn jemand im Urlaub bestohlen wurde oder zusammengebrochen ist, selber nicht mehr weiter weiß . Oder ich bin im Flughafen unterwegs und werde angesprochen, weil ich sichtbar ein Kreuz tragen. Und erst gestern habe ich einen Anruf von einem Mann aus der Schweiz bekommen, der total verzweifelt war, weil ihn seine Freundin verlassen hat. Er vermutete, dass sie von München aus in die Dominikanische Republik fliegen würde. Er bat mich, ihm zu helfen - sie auszurufen und dann zu bitten hierzubleiben.

Konnten Sie ihm denn helfen?

Ich konnte ihm zuhören. Das ist in solchen Situationen sehr wichtig: Dass jemand da ist, der sich dafür die Zeit nimmt. Und ich kann Fragen stellen, die vielleicht weiterbringen, die neue und andere Wege aufzeigen. Eine Beziehung retten kann ich aber nicht.

Seelsorge bedeutet also psychologische Hilfe?

Ja. Ich laufe nicht davon, auch wenn ein Leben vollkommen aus den Fugen gerät, ich ertrage es mit: Das ist mein Angebot an verzweifelte Menschen, die manchmal in einer extremen Situation sind. Beispielsweise wenn ich jemanden am Flugzeug abholen muss dessen Partner im Urlaub gestorben ist und der nun alleine nach Hause fliegen muss. Dann werde ich informiert und bringe ihn zu Familienangehörigen, die am Ausgang warten. Neulich musste ich eine junge Frau betreuen, die im Urlaub ihren Mann und ihre kleine Tochter bei einem Unfall verloren hatte. Sie erzählte mir, dass die Koffer noch nicht einmal ausgepackt waren....

Wie erträgt man so etwas?

Indem man es nicht allzu nahe an sich heran lässt. Ich kann in solchen Momenten nur für andere Menschen da sein. Oft gehe ich dann auch in die Kapelle, zünde für die Verstorbenen und deren Angehörige eine Kerze an und gebe die Verantwortung ein Stück weit an Gott zurück.

Trotz allem wollen Sie aber nicht wieder als Gemeindeseelsorger arbeiten?

Ich war Jahre lang als Gemeindeleiter in Pulling tätig. Das Jahr ist dann getaktet: Ostern, Pfingsten, Weihnachten, Firmung, Pfarrwallfahrt, Seniorennachmittage... Gemeindliche Seelsorge habe ich lange genug gemacht und es hat mir viel Freude bereitet, aber ich brauchte eine neue Herausforderung. Heute finde ich keine bekannten Strukturen vor, sondern muss mich auf den Weg machen. Fast nichts ist mehr planbar. Ich bin am Morgen da und schaue, was der Tag mir bringen wird.

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