Flughafen: Dritte Startbahn:Abgehobene Münchner

Geht es München wirklich besser, nun, da es auch einen Linienflug nach Irkutsk in Sibirien gibt? Und steigt die Zahl der Fluggäste wirklich? Die Befürworter der dritten Startbahn sind davon überzeugt - doch sie sollten auch daran denken, wie sich das Großprojekt "Stuttgart 21" entwickelte.

Ulrich Schäfer

Wenn sich in diesen Tagen Bürger gegen ein gewaltiges Infrastrukturvorhaben wehren, kleben sie hinter den Namen ihrer Stadt gern die "21" und hoffen, dass sich die gesamte Bürgerschaft schon erheben wird. Doch München ist nicht Stuttgart, ein Flughafen kein Tiefbahnhof und der Talkessel der baden-württembergischen Landeshauptstadt nicht das Erdinger Moos. Und deshalb werden sich die Bürger Münchens kaum in großer Zahl erheben, nur weil der Flughafen eine dritte Startbahn bekommen soll. Denn der Münchner Airport liegt - anders als der Stuttgarter Bahnhof - weit vor den Toren der Stadt.

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Die Regierung von Oberbayern hat den Bau der dritten Startbahn am Flughafen München genehmigt. Die Gegner haben bereits massiven Protest angekündigt. Klicken Sie auf die Graphik, um sich einen Überblick über die geplante dritte Bahn zu verschaffen.

(Foto: SZ-Graphik)

Jene, die darauf beharren, dass der Flughafen die zusätzliche Startbahn braucht, begründen dies mit einem simplen Argument. Sie sagen: Weil die Zahl der Starts und Landungen in den vergangenen Jahrzehnten ständig gestiegen sei, werde sie in den nächsten Jahrzehnten weiter steigen - ähnlich wie ja auch Aktienanalysten den Anlegern einreden, dass die Kurse ständig steigen werden. Die aufsteigende Kurve des Flughafens und seiner Betreiber, also von Bund, Freistaat und Stadt München, lässt scheinbar nur einen Schluss zu: Bauen!

Jene, die überzeugt sind, dass eine dritte Startbahn überflüssig sei, trauen dieser Kurve nicht. Sie sagen: Die Passagierzahlen und Frachtmengen werden nicht zwangsläufig weiter steigen, denn schon jetzt weise die Kurve eine Delle auf - eine Folge von Finanzkrise und Vulkanasche. Die Startbahngegner wollen deshalb gegen den Ausbau des Flughafens demonstrieren, blockieren, klagen. Sie kommen vor allem aus den nahen Gemeinden in den Landkreisen Freising und Erding. Ihnen wird es, trotz allen Engagements, schwerfallen, wie in Stuttgart jeden Montag Zehntausende Bürger für eine Protestdemonstration zu gewinnen.

Über den Sinn der dritten Startbahn für jenen Flughafen, der nach dem einstigen Ministerpräsidenten und Airbus-Mitgründer Franz Josef Strauß benannt wurde, kann man trefflich streiten. Man kann zum Beispiel darauf verweisen, dass schon beim Beschluss über den Bau des Flughafens in den 70er Jahren von bis zu vier Startbahnen die Rede gewesen sei. Warum also über die dritte aufregen? Man kann auch fordern, München solle sich neben Frankfurt zum zweiten großen deutschen Drehkreuz entwickeln, das Passagiere aus Asien und den USA zum Umsteigen nutzen und das Direktflüge in alle Welt bietet. Nur: Geht es München wirklich besser, wenn es, wie jüngst verkündet, nun auch einen Linienflug nach Irkutsk in Sibirien gibt?

Man kann aber auch all die optimistischen Prognosen des Flughafens in Zweifel ziehen. Ist es zum Beispiel wirklich zwangsläufig, dass die Menschen noch mehr fliegen? Wollen wirklich immer mehr Geschäftsreisende von einer Stadt zur anderen fliegen? Oder ist nicht auf vielen Strecken die Reise mit anderen Verkehrsmitteln schneller, etwa mit dem ICE von München nach Frankfurt? Und macht nicht die Kommunikation per Videokonferenz, Webcam, Mail viele Dienstreisen bald überflüssig?

Die Flughafenplaner in München (und anderswo auf der Welt) stören solche Argumente nicht. Sie wissen in einer Branche, die vor nicht allzu langer Zeit noch im Wesentlichen von Staatsbetrieben geprägt war - von staatlichen Airlines, staatlichen Flughäfen und staatlich geförderten Flugzeugbauern - die Politik hinter sich. Und sie wissen: Wenn ein Flughafen erst einmal erweitert ist, werden sich die kühnen Prognosen schon von selbst bestätigen. Denn das neue Angebot an Landebahnen schafft sich seine Nachfrage.

Es gibt also gute Gründe gegen den Ausbau im Erdinger Moos. Und manch einer, der gegen die dritte Startbahn in München demonstriert, zieht schon Parallelen zur Startbahn West am Frankfurter Flughafen, deren Bau in den 70er und frühen 80er Jahren die Republik bewegte. Doch zum einen liegt der Frankfurter Flughafen mitten in einem Ballungsraum - und nicht an dessen Rand. Zum anderen ging es, als in Frankfurt Zehntausende protestierten und ein Hüttendorf entstand, nicht bloß um den Flughafen. Der zum Teil sehr gewaltsame Protest war Kristallisationspunkt für die damals entstehende Umwelt- und Anti-Atomkraft-Bewegung. Wackersdorf, Brokdorf, Startbahn West: Der Protest gegen die diversen Bauvorhaben ging ineinander über.

Eines lehrt das Beispiel Startbahn West allerdings schon: Zwischen dem Planfeststellungsbeschluss, wie er am Dienstag auch in München getroffen wurde, und der Fertigstellung der Startbahn lagen 16 Jahre. Der kühne Plan der Münchner Flughafenplaner, schon 2015 ihre Bahn zu eröffnen, wird daher nicht in Erfüllung gehen. Klagen und Proteste werden das Projekt verzögern - und die notwendige Diskussion mit Anwohnern und Bürgerinitiativen ebenfalls.

Und sollte die dritte Startbahn trotz aller Einwände dennoch gebaut werden, lässt sich aus Frankfurt noch etwas lernen: Man sollte - wie beim Bau der jüngsten, vierten Startbahn in Frankfurt - eine Mediation mit den Gegnern anstreben. Auch die kostet Zeit, trägt aber dazu bei, die Interessen von Flughafen sowie Anwohnern und Bürgerinitativen auszugleichen.

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