Fischergasse in Freising:Morbider Charme mit Potenzial

Im Mittelalter lebten in der Fischergasse die Lieferanten der hohen Geistlichkeit - heute stehen viele der alten Gebäude leer.

Alexandra Vettori

Wer auf dem buckeligen Kopfsteinpflaster die Fischergasse am Fuße des Freisinger Dombergs entlang schlendert, fühlt sich in eine andere Zeit versetzt. Wenige Autos stören die Ruhe in dem idyllischen Gässchen, friedlich plätschert die Moosach nebenher. Die Geschichte der Fischergasse, deren Besiedelung schon für das frühe Mittelalter belegt ist, kann man förmlich atmen. Eine Arme-Leute-Gegend war es einst. Weil nur die Geistlichkeit auf dem Domberg leben durfte, ließen sich hier am Fuße des übermächtigen Berges die Zulieferer nieder: Handwerker, Metzger, Gesinde und eben Fischer, die der Gasse den Namen gaben.

Fischergasse in Freising: Einen ganz eigenen Charme hat die Fischergasse in Freising. Auf der einen Seite gibt es da die hässlichen Bausünden der siebziger Jahre, auf der anderen die alten bodenständigen Häuser aus vergangenen Tagen.

Einen ganz eigenen Charme hat die Fischergasse in Freising. Auf der einen Seite gibt es da die hässlichen Bausünden der siebziger Jahre, auf der anderen die alten bodenständigen Häuser aus vergangenen Tagen.

(Foto: Marco Einfeldt)

Der Freisinger Heimatpfleger Norbert Zanker kann sich noch erinnern, dass man auch in der Neuzeit hierher zum Stadtfischer ging, um fangfrischen Fisch aus dem Stadtbach zu kaufen. Bei jeder seiner Führungen bringe er die Touristen hierher, "und die sind alle immer begeistert von dem Flair". Doch sind in dem charmanten Gässchen auch sehr gut die Schattenseiten historischer Innenstädte abzulesen. "Erdgeschoss-Leerstände", heißt eine davon in Stadtplanerdeutsch. In der Fischergasse aber stehen nicht mehr nur Erdgeschosse leer, längst ist auch die eine oder andere obere Etage unbewohnt, und das liegt nicht nur an den langen Bauarbeiten bei der Gefängnissanierung und der des Marcushauses. Es sind strukturelle Probleme, die hier herrschen: Zu kleine Ladenflächen machen die Lage für große Ketten uninteressant, kleinere Nutzer wie Künstler, Kunsthandwerker oder Nischenhändler können sich die Mieten wiederum nicht leisten, abgesehen davon, dass ihnen die Kunden fehlen.

Der Parkplatz am Woolworth-Kaufhaus gehört auch nicht gerade zu den städtebaulichen Glanzpunkten der Freisinger Altstadt. Öde, baumlos und trist sorgt der Hinterhof mit seinen 20 Parkplätzen eigentlich nur für Parksuchverkehr, den Heimatpfleger Zanker den "dümmsten aller Verkehre" nennt. "Die Innenstadtschwäche, die in der Hauptstraße noch nicht so leicht zu erkennen ist, zeigt sich in den Nebenlagen sehr deutlich", erklärt Sonja Rube. Sie leitet das Projekt "Innenstadt Freising", das ein Entwicklungskonzept zum Ziel hat: hin zu neuen Nutzungen und mehr Attraktivität für alle - Immobilienbesitzer, Bewohner, Gastronomen und Touristen. Nicht nur die schiere Größe des Planungsgebiets, immerhin 68 Hektar, sorgt dafür, dass die Konzeptentwickler gut zu tun haben

Seit einem Jahr kommt Sonja Rube regelmäßig nach Freising, seit sich die Stadt um das Förderprogramm "Aktive Stadt- und Ortsteilzentren" der Regierung beworben hat. Als sie das erste Mal hiergewesen sei, erzählt sie, habe sie sich gefragt, wo Freising überhaupt ein Problem habe. Inzwischen weiß sie mehr, lobt immer noch das außergewöhnliche Potenzial, weiß aber auch, dass noch viel Wasser die Moosach hinabfließen wird, bis selbiges ausgeschöpft ist. Denn die Probleme und Ansprüche sind vielfältig und können nicht mit Druck, sondern nur sanftester Überzeugungsarbeit gelöst werden. Ohne die Eigentümer geht gar nichts, und derer gibt es viele hier in der Fischergasse. Gerade mal das Asamgebäude und das Alte Gefängnis sind in städtischem Besitz, der Rest der Häuser ist in den Händen zahlreicher Privatbesitzer. Bei den wenigsten handele es sich um saturierte Eigentümer, die aus Desinteresse ihre Häuser verwahrlosen lassen, weiß Rube aus vielen Gesprächen. Manche sind alt, scheuen Investitionen, andernorts gibt es familiäre oder finanzielle Probleme. Magnete müssen her, sagen die Planer, doch auch hier haben sie kaum Einfluss. Das Café Calafati war noch bis vor einigen Jahren ein solcher Magnet, dann stand der Laden leer, inzwischen gibt es hier eine Shisha-Lounge, die aber zieht nicht die breite Masse an. Mehr gastronomische Betriebe wären machbar, sagt Gerald Baumann, Leiter des Stadtplanungsamts, schließlich handele es sich um ein Mischgebiet. Allein - es ist nicht so, dass die Verwaltung von einer Flut von innovativen gastronomischen Ideen erschlagen würde. So bleibt der Stadt nur, Konzepte zu erstellen und Rahmenbedingungen zu schaffen.

Sonja Rube zählt das Instrumentarium auf: Ansprechendere Wege von der Hauptstraße zu den Nebengassen, Autoverkehr minimieren und - die Hauptstraße stärken. "Wenn die Haupthandelslage brummt, hat auch die Fischergasse die Chance zur attraktiven Nebenlage zu werden", erklärt sie. Ein kleiner, wichtiger Schritt ist schon beschlossen: Die Toiletten im unansehnlichen hinteren, der Fischergasse zugewandten, Teil des Asamgebäudes werden saniert. Auch der Asamhof soll schöner werden. Auf den Parkplatz hinter dem Asamgebäude, bis jetzt ein unfertig wirkendes Areal, soll ein ästhetisch ansprechender Lastenaufzug kommen, der gleichzeitig als Bühne genutzt werden kann. Auch wenn die Fischergasse jetzt noch mit eher morbidem Charme besticht, ist Sonja Rube optimistisch: "Wir sind überhaupt nicht hoffnungslos, sie hat allerbestes Potenzial."

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