Experte empfiehlt:Mit den Frauen reden

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Wenn es um Sicherheit in Ämtern und Behörden geht, haben Mitarbeiterinnen oft ein besseres Bild von möglichen Gefahren. Zu Gewalttaten ist es im Landkreis noch nicht gekommen, verbale Attacken aber sind nicht selten

Von Peter Becker, Freising/Langenbach

Verwaltungsangestellte leben bisweilen gefährlich: Otmar Hillenbrand, Sachverständiger für Sicherheit in Ämtern und Behörden, hat bei einem Treffen des Gemeindetags auf Kreisebene berichtet, dass jedes Jahr ein Beamter in Deutschland an seinem Arbeitsplatz gewaltsam ums Leben kommt. Verbale Attacken seien zudem an der Tagesordnung in den Amtsstuben. Mit Beleidigungen und Drohungen müssen auch Beschäftigte im Freisinger Rathaus und im Landratsamt rechnen. Körperliche Attacken sind dagegen selten. Allerdings gab es im Jahr 2014 Bombendrohungen am Landratsamt und am Amtsgericht.

Hillenbrand informierte die Bürgermeister in seinem Vortrag auch über Sicherheitsvorkehrungen, die sie an ihrem Arbeitsplatz treffen könnten, um die körperliche Unversehrtheit ihrer Angestellten zu schützen. Als Leitlinie dient ihm dabei das Kürzel "AUF". Das "A" steht für den Abstand, den das Personal trotz aller Bürgernähe zu den Besuchern wahren sollte. Gewisse Apparaturen sorgen dafür, dass im Bedrohungsfall schnell eine Taste gedrückt werden kann, um Unterstützung - also "U" - durch Kollegen zu bekommen. Das "F" steht für Fluchtmöglichkeiten.

Hillenbrand sagte, dass die Bürgermeister vor allem durch Dienstanweisungen Einfluss auf das Sicherheitsverhalten ihrer Angestellten nehmen können. Dazu gehöre etwa, Geldbeträge in Kindergärten und Schulen nicht einfach in Schuhkartons aufzubewahren. "Die sind in einem Tresor besser aufgehoben", betonte Hillenbrand. Natürlich sollte der Schlüssel dazu nicht unbedingt im nächsten Blumentopf versteckt werden. Dies sei immer noch häufig der Fall. Die Zahlenkombinationen eines Geldschranks sollten nach dem Schließen stets wieder verstellt und nicht nur überklebt werden, um einen schnellen Zugriff auf dessen Inhalt zu vermeiden. Hillenbrand riet den Bürgermeistern außerdem, sich öfter mit Frauen über Sicherheit am Arbeitsplatz zu unterhalten. "Die haben ein anderes Bild von Bedrohungslagen als Männer und sprechen offen und ehrlich."

Hillenbrand berichtete von einem besonders drastischen Fall, der sich 2009 in Crailsheim ereignet hat. Dort hatte ein Einbrecher den Tresor des Rathauses ausgeräumt, in dem sich neben Geld auch Waffen befanden, die Bürger freiwillig abgegeben hatten. Das Zahlenschloss des Geldschranks hatte ein Mitarbeiter des Ordnungsamts nicht verriegelt. Der Oberbürgermeister zog sich im Lauf der Affäre aus seinem Amts zurück. Der Chef des Ordnungsamts wurde an den städtischen Bauhof versetzt. Weil er ständiger Kritik ausgesetzt war, nahm er sich später das Leben.

Solch krasse Fälle hat es im Landkreis bislang nicht gegeben. Gleichwohl bestätigen Rupert Widmann, Hauptamtsleiter im Freisinger Rathaus, und Landratsamtssprecherin Eva Dörpinghaus, dass es in beiden Verwaltungsgebäuden schon zu verbalen Übergriffen gegen das Personal gekommen sei. Widmann nennt als Beispiel dafür Bauangelegenheiten. Da verschaffe schon mal der eine oder andere seinem Ärger über Entscheidungen Luft. "Wir haben auch schon Anzeige erstattet", berichtet der Hauptamtsleiter. Dies sei allerdings in den seltensten Fällen vorgekommen. Meistens seien die Konflikte durch gutes Zureden gelöst worden. Das komme bei den Bürgern besser an. Auf fette Beute darf ein potenzieller Dieb im Freisinger Rathaus ohnehin nicht hoffen, denn Zahlungen werden hier bargeldlos geregelt.

Eva Dörpinghaus bestätigt, dass auch Beschäftigte im Landratsamt beleidigt wurden oder ihnen gar körperliche Gewalt angedroht worden ist. Vereinzelt sei es auch zu körperlichen Übergriffen gekommen. "Verbale Beschimpfungen kommen immer wieder mal vor", sagt die Sprecherin des Landratsamts: "Sowohl vor Ort als auch in den sozialen Medien, was von den Beschäftigten als psychisch belastend erlebt wird." Und erst im April hat ein Kunde offenbar seine Wut am Zeiterfassungsgerät ausgelassen.

© SZ vom 26.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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