Exkursion mit dem Landschaftspflegeverband:Wenn die Pflicht zur Kür wird

Exkursion mit dem Landschaftspflegeverband: Was aussieht wie afrikanische Savanne, ist die Brenne bei Dietersheim. Matthias Maino erklärt der Delegation die Besonderheiten.

Was aussieht wie afrikanische Savanne, ist die Brenne bei Dietersheim. Matthias Maino erklärt der Delegation die Besonderheiten.

(Foto: Marco Einfeldt)

Ausgleichsflächen sind meist ungeliebt. Doch die Artenvielfalt braucht diesen Ersatz für Versiegelung dringend. Im Landkreis gibt es durchaus gelungene Beispiele für neu geschaffene Naturareale

Von Alexandra Vettori, Landkreis

Ohne Neufahrn gäbe es das ökologische Kleinod Dietersheimer Brenne nicht. Entsprechend voll des Lobes war kürzlich Matthias Maino, Geschäftsführer des Freisinger Naturpflegeverbands, bei einer Exkursion zu beispielhaften Ausgleichsflächen im Landkreis. Bürgermeister, Verbandsvertreter und sogar Landrat Josef Hauner waren dabei. Eine solche Fahrt, erklärte Maino, sei deshalb so wichtig, damit die Verantwortlichen in den Rathäusern sich ein Bild davon machen könnten, was man mit Ausgleichsflächen alles machen kann.

Fällt das Wort Ausgleichsflächen, folgt oft ein Verdrehen der Augen. Niemand liebt diese Verschärfung der Bauleitplanung, die seit 2001 auch in Bayern verbindlich ist. Sie besagt, dass bei Neubauten die Eingriffe in Natur und Landschaft ausgeglichen werden müssen. Wo Natur zerstört wird, muss Ersatz her. Für Bauherren bedeutet das Mehrkosten, für Amtsstuben Mehrarbeit. Außerdem kann dabei viel schief gehen, nur wenige Kommunen sehen es als echte Aufgabe, ökologischen Ausgleich zu betreiben, oft wird ein Alibi-Flecken irgendwo, wo er nicht stört, angelegt.

Auf der Dietersheimer Brenne beim Klärwerk Dietersheim ist der Sinn dagegen erfüllt. Dort, auf den Kiesinseln die frühere Hochwasser der Isar angeschwemmt haben, finden sich Tiere und Pflanzen, die sonst nur in der Echinger Heide sind: Orchideen, Enzian und eine der letzten Hartholzauen Bayerns. "Die Fläche ist das Ergebnis einer jahrelangen Prügelei", erzählte Maino ungeniert. Denn in der Isaraue prallen die Interessen aufeinander: Der Staatsforst möchte lukrative Stangenwälder, die Jäger Platz für ihr Wild und die Bauern möchten kein Wild, weil sich das auch in den Feldern gütlich tut. Ein weißes Flatterband unter Strom zeugt hier vom Kampf Bauer gegen Rotwild.

Dass es rund um die Brenne auch Hirsche gibt, wissen nur Wenige. Um die 300 Stück sind es, Reste von Berg-Rotwild, das in früheren Jahrhunderten im Winter die Isar hinab zog und nicht mehr zurück in die Berge kam. Als vor 25 Jahren damit begonnen wurde, die extrem magere Brenne zu entbuschen, kamen all die seltenen Blumen zutage, um die Ökologen seither kämpfen. Derzeit liegen sie wieder mit dem Forst im Clinch, der nicht so begeistert vom Grasland mit lichten Büschen ist. "Aber es gibt bessere Standorte als den hier, um Bäume zu pflanzen", sagte Jörg Steiner von der Unteren Naturschutzbehörde. Ihm schwebt, wie Matthias Maino, etwas anderes vor: Sie würden gerne ein Grünstreifen-Band bis zur Heide legen, die wenige Kilometer westlich liegt. Der Grund, den man benötigt, gehört der Kirche, die Chancen stehen also gar nicht so schlecht.

Station Nummer zwei der Exkursion lag im Freisinger Moos. Wie auf Bestellung rief der Kuckuck, Kiebitze quäkten über der Delegation. Auch im Moos haben vor allem Ausgleichsflächen Lebensraum gerettet, der sonst unter dem Pflug verschwunden wäre. Vor allem der Flughafen hat großflächig Wiesen angelegt, aber auch die Stadt Freising ist hier aktiv. Bei einer Wiese macht die Kolonne Halt. Früher war das Landstück intensiv genutzt, was heißt gedüngt, seit zehn Jahren aber magert die Stadt hier aus und bringt Mähgut mit seltenen Pflanzen aus. Mittlerweile wachsen wieder Enziane, es gibt Ameisenbläulinge, Samtfalter und sogar den Randring-Perlmutterfalter. Von dieser Schmetterlingsart, die vom Aussterben bedroht ist, habe er vor einigen Jahren drei Weibchen aus dem Isental mitgebracht, von dort, wo die umstritten Autobahn gebaut wird, erzählte Werner Brack, emeritierter Professor für Brauereiwesen und Schmetterlingsexperte. Sein Plan ging auf, mittlerweile flattert eine stattliche Zahl der prächtigen Falter im Freisinger Moos. Jetzt wünscht sich Brack weitere solche Flächen in der Nähe, damit sich die Population stabilisiert.

Als die Renaturierung startete, habe erst einmal Enttäuschung geherrscht, erzählte Professor Hanns-Jürgen Schuster von der Hochschule Weihenstephan: "Im ersten Jahr waren nur Ackerunkräuter da, erst im dritten Jahr stellten sich wertvolle Lebensgemeinschaften ein." Heute gibt es 100 Tier- und Pflanzenarten, zwölf stehen auf der Roten Liste. Ohne Schaffung naturnaher Flächen könne die Artenvielfalt nicht erhalten werden im Moos, so Schuster: "Die Landwirtschaft hat da im durch die Entwässerung ganze Arbeit geleistet."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: