"Es hat sich niemand interessiert":Korbinians-Apotheke verschwindet

"Es hat sich niemand interessiert": In das Gebäude der Sankt-Korbinian-Apotheke wird ein Laden einziehen. Für die Weiterführung der Apotheke hat sich niemand gefunden.

In das Gebäude der Sankt-Korbinian-Apotheke wird ein Laden einziehen. Für die Weiterführung der Apotheke hat sich niemand gefunden.

(Foto: Marco Einfeldt)

Weil kein Nachfolger gefunden wurde, ist die traditionsreiche Sankt-Korbinians-Apotheke in Freising jetzt Geschichte. Schuld daran ist unter anderem die Konkurrenz aus dem Internet.

Von Gudrun Regelein, Landkreis

Wenn man die Telefonnummer der Sankt-Korbinian-Apotheke in Freising wählt, ertönt nur noch eine nervige Tonfolge, dann folgt die Ansage: "Kein Anschluss unter dieser Nummer." Die Freisinger Apotheke mit einer langen Geschichte ist seit dem 1. Januar geschlossen. "Ich habe den dritten Lebensabschnitt erreicht. Leider hat sich kein Nachfolger für die Apotheke gefunden", steht auf dem Zettel, den Apothekerin Erika Ritter an der Tür befestigt hat. "Es hat sich niemand interessiert. Frau Ritter und auch ich haben uns lange bemüht - leider erfolglos", sagt der Hausbesitzer und Apotheker Alfred Moll.

Moll gründete die Sankt-Korbinian-Apotheke 1952 und führte sie 46 Jahre lang. Danach übergab er sie an Ritter, die sie 18 Jahre lang leitete. "Und jetzt - nach so vielen Jahren - ist alles vorbei", sagt Moll. Dass sich kein Nachfolger gefunden habe, sei zwar traurig, aber nicht verwunderlich, erklärt er. Apotheker zu sein, sei nicht mehr lukrativ: "Wer will denn heute noch Pharmazie studieren? Auch ich würde das nicht mehr tun." Nicht nur wegen der immer schlechteren Verdienstmöglichkeiten, sondern auch wegen der ständig wachsenden Auflagen, berichtet Moll. "Ich befürchte, dass ein Berufszweig zugrunde gehen wird." In die Räume der früheren Apotheke werde nun ein Laden einziehen.

Immer mehr Apotheken im Landkreis schließen

Die Sankt-Korbinian-Apotheke ist nicht die einzige im Landkreis, die schließen musste, weil sich kein Nachfolger fand. Im vergangenen Frühjahr gab die Inhaberin der Sankt-Georg-Apotheke in Neufahrn nach fünf Jahren erfolgloser Suche auf und sperrte ihre Apotheke zu. Die Apothekensprecherin im Landkreis, Ingrid Kaiser, möchte zwar noch nicht von einem "Apothekensterben" sprechen, aber es werde für die Apotheker immer schwieriger.

Bundesweit zumindest geht die Zahl der Apotheken zurück - alleine 2015 sank sie im Vergleich zum Vorjahr um rund 200 auf 20 249 Geschäfte. Und dieser Trend setzt sich fort. Zum Ende des dritten Quartals 2016 fiel die Zahl laut Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände auf 20 093 Apotheken. Auch im Landkreis Freising werden es immer weniger: Ende 2015 gab es noch 37 Apotheken, davon 15 in der Stadt Freising - nun sind es noch 35.

Dass die Arzneimittelpreisbindung aufgehoben wurde, macht es den kleinen Apotheken schwer

Ein wichtiger Grund ist die wachsende Konkurrenz durch die Online-Apotheken. Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs im vergangenen Oktober, nach dem die Arzneimittelpreisbindung in Deutschland aufgehoben werden musste und ausländische Internetapotheken rezeptpflichtige Arzneien nun auch billiger verkaufen dürfen, findet bei Ingrid Kaiser absolut kein Verständnis. "Die picken sich die Rosinen aus dem Geschäft", kritisiert sie. "Wir müssen beispielsweise Notdienste anbieten und Rezepturen herstellen. Da fragt man sich schon, wieso."

Kaiser und andere Apotheker im Landkreis haben deshalb Unterschriftenlisten ausgelegt. Zum einen will man die Kunden über die zunehmende Aufweichung der Strukturen informieren, zum anderen sollen die gesammelten Unterschriften ein Appell an die Politiker sein, etwas zu unternehmen. "Das ist keine gute Entwicklung. Wenn nicht etwas passiert, ist langfristig gesehen unsere Existenz bedroht", sagt Kaiser. Wenn es so weitergehe, werde es beispielsweise auch keine Nacht- und Feiertagsdienste oder eine Therapiebegleitung für chronisch Kranke mehr geben.

"Ich sehe es als meine Aufgabe, mir für meine Kunden Zeit zu nehmen"

Die kompetente Beratung ihrer Kunden aber hält die Apothekensprecherin für sehr wichtig. Ihre Kunden würden das sehr schätzen, Vertrauen haben - "und dadurch entsteht eine gute Bindung", sagt Kaiser. "Damit können wir uns gegen die Online-Apotheken behaupten", hofft sie. Auch für Silvia Tüllmann, Inhaberin der Stadt-Apotheke in Freising, ist ausführliche Beratung eine Selbstverständlichkeit.

"Ich sehe es als meine Aufgabe, mir für meine Kunden Zeit zu nehmen", betont die Apothekerin. Immer wieder passiere es aber, dass sogar im Nacht- oder Sonntagsdienst nach einer intensiven Beratung der Satz fällt: "Ich schaue dann mal, ob ich mir das jetzt im Internet bestellen kann." Tüllmann empfindet das Urteil des Europäischen Gerichtshofs als verheerend. Eigentlich, so sagt sie, müsse es ein Versandhandelsverbot für verschreibungspflichtige Medikamente geben. Bei der momentanen Entwicklung zumindest werden immer mehr Apotheken zusperren müssen, befürchtet Tüllmann.

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