"Erschreckende Zahlen":Immer mehr Obdachlose

Container Wohnung

In der Obdachlosen-Wohnanlage am Fürholzer Weg müssen sich zuweilen Fremde einen Container teilen.

(Foto: Thomas Einberger)

Sozialpädagogin Felizitas Schmitz hat im vergangenen Jahr 62 Personen in Neufahrn betreut

Von Birgit Grundner, Neufahrn

Mehr Obdachlose als je zuvor hat es im vergangenen Jahr in Neufahrn gegeben: 62 Menschen - das entspricht einer 50-prozentigen Steigerung gegenüber dem Vorjahr - waren in den Notunterkünften untergebracht. Unter ihnen waren 15 Frauen und zehn Kinder. Obwohl zu den Unterkünften am Fürholzer Weg und am Park-and-Ride-Platz weitere im Neufahrner Süden dazukamen, mussten sich erstmals sogar Fremde einen Container teilen, wie Obdachlosenbetreuerin Felizitas Schmitz in ihrem Jahresrückblick berichtet.

23 Menschen konnten die Notunterkünfte verlassen. Für die oft verschuldeten oder nur wenig verdienenden Menschen eine Wohnung zu finden, wird aber in Zukunft noch schwerer werden, vermutet die Sozialpädagogin. "Aufgrund der Flüchtlingszahlen und des weiteren Zuzugs von EU-Bürgern ist eine weitere Verschärfung der ohnehin katastrophalen Situation auf dem Wohnungsmarkt abzusehen." Langfristig könne dem nur "eine kontinuierliche Errichtung von Sozialwohnungen entgegenwirken". Denn auch vergangenes Jahr hat kein Bewohner der Notunterkünfte eine Sozialwohnung bekommen, obwohl viele Bewohner sehr wohl Anspruch darauf hätten.

Schmitz spricht in ihrem Bericht 2015 von "besonders erschreckenden Zahlen" und neuen Entwicklungen: Erstmals musste die Gemeinde zum Beispiel eine Großfamilie unterbringen, die ihre Wohnung räumen musste. Innerhalb von zwei Monaten wurden vier Säuglinge mit aufgenommen. Es bedeutete viel Arbeit, damit sie trotz der schwierigen Voraussetzungen bei ihren Müttern beziehungsweise Eltern bleiben konnten. Neu war, dass Schmitz trotz ihrer Sprachkenntnisse den Großteil der Obdachlosen nicht mehr verstanden hat. Sehr viele Rumänen und Ungarn seien dabei gewesen, erzählt sie.

Schmitz versucht nicht nur, bei der Suche nach einer Wohnung zu helfen, sondern auch finanzielle Unterstützung zu organisieren, Versicherungsfragen zu klären und bei Bedarf eine Schuldnerberatung zu vermitteln oder eine Therapieeinrichtung zu finden, wenn die Betreffenden Sucht- oder psychische Probleme haben. Immer wieder muss sie Konflikte schlichten, die sich in den Unterkünften hochschaukeln.

26 der Obdachlosen waren EU-Bürger, die zum Arbeiten nach Deutschland gekommen waren. Bei denen, die nicht Deutsch sprechen, ist die Motivation, die Notunterkunft schnell zu verlassen, oft niedrig, wie Schmitz festgestellt hat: "Die äußerst beengten Wohnverhältnisse werden in Kauf genommen, da die Gesamtsituation der Familie hier dennoch besser ist als in den Herkunftsländern."

Kaum noch Zeit blieb 2015 für das zweite große Aufgabenfeld von Schmitz: die Vermeidung von Obdachlosigkeit durch rechtzeitige Hilfe. Immerhin 17 Personen und Familien konnten trotzdem von der Sozialpädagogin beraten werden, die 2015 zeitlich, sprachlich und persönlich an ihre Grenzen gekommen ist, wie sie sagt. "Manchmal dachte ich, ich schaffe es nicht mehr." Zumal aufgrund von Kündigungen auch noch die Unterstützung durch die Fachstelle zur Verhinderung von Obdachlosigkeit der Diakonie Freising wegfiel. Umso erleichterter ist Schmitz, dass sie nun Verstärkung in Neufahrn bekommt. Eine zweite Teilzeitstelle wurde geschaffen und inzwischen mit dem Sozialpädagogen Peter Ketzer-Yilmaz besetzt (wir haben berichtet).

Die Obdachlosenbetreuung arbeitet eng mit der Ausländerberatung zusammen, Felizitas Schmitz unterstützt dort mit drei Wochenendstunden ihren Kollegen Ismet Erturul, der fünf Wochenstunden arbeitet, aber erneut eine Aufstockung angeregt hat. 2015 fanden 426 Beratungen statt.

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