Freisinger Köpfe:"Ich will die Magie der Chemie zeigen"

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Professorin Martina Otten ist mit Leib und Seele Hochschullehrerin an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf (HSWT). (Foto: Marco Einfeldt)

Sie will, dass ihre Studenten mitdenken und lässt sie organische Solarzellen herstellen: Professorin Martina Otten ist mit Leib und Seele Hochschullehrerin an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf.

Von Katharina Aurich, Freising

Das Interesse von Martina Otten gilt den erneuerbaren Energien, insbesondere der Windkraft und den chemischen Energiespeichern. Mit praxisbezogenen Lehrveranstaltungen will sie die Studenten zum Lernen und Mitdenken motivieren. Dafür ist sie für ihre Studenten fast immer erreichbar. In ihren zahlreichen Lehrveranstaltungen stellen sie beispielsweise organische Solarzellen oder Teile von Rotorblättern her. Diejenigen, die zu Hause einen Hof bewirtschaften, bringen ihre eigenen Boden- und Milchproben zum Testen mit. Darüber hinaus probieren sich Studierende in einem selbst entwickelten Planspiel als Projektentwickler im Windsektor aus. Natürlich nutzt die Hochschullehrerin ihre Kontakte in die Wirtschaft und verschafft ihren Studenten zum Beispiel zu Enercon, zu den Pflanzenschutzherstellern Syngenta in Basel und zu ihrem ehemaligen Arbeitgeber BASF in Ludwigshafen Zutritt. Während der Exkursionen besuchen die Studierenden aber auch ehemalige Kommilitonen an ihrem heutigen Arbeitsplatz oder auf deren landwirtschaftlichen Betrieben. Denn Netzwerkbildung und Vorbilder seien unglaublich wertvoll für den weiteren Lebensweg der jungen Akademiker, sagt Otten.

SZ: Mit welchen Forschungsthemen beschäftigen Sie sich?

Otten: Mein Interesse gilt den erneuerbaren Energien, insbesondere der Windkraft und den chemischen Energiespeichern. Daneben ist das Thema Landwirtschaft und Pflanzenschutz für mich immer noch aktuell. In der BASF habe ich nach mich zehn Jahre lang mit immer neuen Themen im Pflanzenschutz beschäftigt.

Was ist Ihnen an Ihrem Job als Hochschullehrerin besonders wichtig?

Im Mittelpunkt stehen die Studierenden. Eine fundierte, gute berufsqualifizierende Ausbildung unserer Studierenden ist mir sehr wichtig. Dazu gehören fachlich interessante und praxisbezogene Lehrveranstaltungen, die zum Lernen und Mitdenken motivieren. Die Chemie taucht überall im Leben auf, diese Magie zu zeigen, macht mir Freude. Zudem liegt mir die Studienfachberatung am Herzen, denn ich möchte, dass die Studierenden ihren persönlichen Weg finden und gehen. Meine Erfahrungen können ihnen dabei hilfreich sein.

Was geben Sie als Frauenbeauftragte Ihrer Fakultät den jungen Frauen mit auf den Weg?

Vor allem, sich nicht unter Wert zu verkaufen, selbstbewusst zu sein und zu sich selbst zu stehen. Und auch einen Misserfolg einstecken können, das gehört dazu. Frauen müssen noch mehr zusammen halten und sich gegenseitig unterstützen. Nach meiner Erfahrung arbeiten geschlechtsgemischte Teams besonders gut zusammen, wenn sich alle mit Wertschätzung begegnen.

Spielt das Geschlecht eine Rolle bei der Karriere?

Natürlich! Das Geschlecht spielt immer eine Rolle, was man sagt, was man leistet. Vieles wird daran gemessen, ob man eine Frau oder ein Mann ist. Jede Frau weiß, wovon ich spreche. Die Männer sehen diese Probleme oft nicht. Zudem haben Männer Seilschaften und nutzen sie intensiv. Frauen bauen diese Netzwerke gerade erst langsam auf. Das ist gut. An der Hochschule zum Beispiel haben Studentinnen die Möglichkeit, an einem Mentoring-Programm teilzunehmen, in dem sie von anderen Studentinnen und später von berufstätigen Frauen aus der Praxis gecoacht werden. Das ist eine tolle Sache. Programme wie "Rein-in-die Hörsäle" oder spezielle Stipendien für Frauen, die während ihrer Berufstätigkeit in der Industrie oder Verwaltung promovieren möchten, sollen angehende Wissenschaftlerinnen motivieren, sich für eine Professur zu qualifizieren. Für Frauen, die Kinder haben, ist die weitere Karriere oft schwierig. Gerade sie zu unterstützen und zu motivieren finde ich wichtig und ich freue mich, dass mir dies schon häufiger gelungen ist.

Welche Eigenschaften waren Ihnen besonders nützlich für Ihre Karriere?

Ich habe Freude an der Entwicklung von Konzepten, übernehme Verantwortung und führe gerne Mitarbeiter. Ich bin neugierig auf Menschen und kann mich für neue Themen begeistern. Sich fachlich und persönlich immer weiter zu entwickeln, neue Herausforderungen anzunehmen, ist mir wichtig. Besonders gerne arbeite ich im Team, das empfinde ich als sehr motivierend.

Sie machen nicht nur Lehrveranstaltungen, sind Frauenbeauftragte und Studienfachberaterin, sondern engagieren sich noch darüber hinaus.

Ich möchte die Hochschule weiter öffnen, deshalb organisiere ich zweimal im Jahr gemeinsam mit dem ifo-Institut (Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München) Workshops für alle Hochschulangehörigen zu energiepolitischen Themen wie "Klima", "Fracking" oder "Biomasse". Dazu sind dann Vertreter aus der Politik, der Wirtschaft und der Forschung eingeladen.

Wie schafft man Ihr Arbeitspensum?

Ich arbeite gerne, meine Arbeit gibt mir sehr viel. Natürlich ist die Berufstätigkeit in Vollzeit manchmal nicht so leicht mit meinem Job als Mutter zu vereinbaren.

Der chemische Pflanzenschutz, insbesondere das weltweit massenhaft verwendete "Round up" und das darin enthaltene Glyphosphat stehen in der Kritik. Was sagen Sie dazu?

Die Experten sind sich nicht einig. Ich bin gespannt, was bei der aktuellen Diskussion heraus kommen wird. Wir dürfen nicht vergessen, die Natur ist ein komplexes Gleichgewichtssystem. Wir lernen immer weiter dazu. Natürlich muss man immer den Nutzen mit dem Risiko abwägen. Ich sehe die weltweit intensive Verwendung von "Round up" kritisch. Aber wir müssen auch bedenken, dass überall auf der Welt genetisch veränderte Pflanzen erfolgreich angebaut werden. Europa ist nur eine kleine Insel, wo es weitgehend verboten ist.

Sie haben ein neues Pflanzenschutzmittel entwickelt, es erfunden. Welche Gefühle verbinden Sie damit?

Natürlich Stolz, aber man begleitet den Wirkstoff ja nur ein kleines Stück, aus der Kinderstube hinaus. Unsere Aufgabe war das Suchen und Finden eines Wirkstoffes, - nicht die Weiterentwicklung zur Marktreife. Wir geben unsere neuen Wirkstoffe an Experten ab, die in Langzeitversuchen alle Parameter sorgfältig testen und alle Risiken abklären. Die Zulassungsbehörden sind streng.

Was erscheint Ihnen rückblickend besonders wertvoll an Ihrer Karriere bei BASF?

Das Unternehmen hat mir ermöglicht, meinen Wissensdurst zu stillen, spannende, verantwortungsvolle Führungsaufgaben zu übernehmen und in Sachen Pflanzenschutz weltweit alles zu sehen, was es in diesem Bereich gibt. Ich erweiterte immer wieder meinen Horizont, übernahm Führungsverantwortung, sammelte interkulturelle Kompetenz und arbeitete sowohl als Forscherin, Entwicklerin, im Marketing und als Managerin. Es hat mir viel Spaß gemacht, mich den neuen und vielfältigen Herausforderungen zu stellen. Und es war eine gute Erfahrung, international zu arbeiten.

Wie ließ sich Ihre Karriere mit einer Beziehung, Ehe und Familie vereinbaren?

Mein Mann, Chemieprofessor Thorsten Bach, der den Lehrstuhl für Organische Chemie an der TU München innehat, und ich führten eine etwas ungewöhnliche Beziehung, denn erst in Freising zogen wir zusammen. Wir haben über sehr viele Jahre hinweg in einer Fernbeziehung gelebt. Ich war zum Beispiel für neun Monate in New York und mein Mann ein Jahr in Boston, dies aber zeitlich versetzt. Als unser Sohn 2006 geboren wurde, war es Zeit, an der Wochenendbeziehung etwas zu ändern und so bezogen wir 2009 unser gemeinsames Haus in Freising.

Wie lebt es sich in Freising, wenn man schon fast die ganze Welt gesehen hat ?

Es lebt sich sehr gut in Freising. Man bekommt alles, Stadt und Land, ist schnell draußen in der Natur, das Leben ist ruhig und friedlich. Wenn wir Lust auf die Großstadt haben, sind wir ja schnell in München.

Wo finde Sie einen Ausgleich zur Arbeit und wie verbringen Sie Ihre Freizeit?

In meinem großen Garten und mit meiner Familie! Außerdem lese, koche und wandere ich gerne. So oft es geht bin ich draußen in der Natur oder ich fahre mit dem Fahrrad zur Hochschule.

© SZ vom 18.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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