Mit Schlafsack und Kuscheltier:In der Kirchen-WG ist Lästern verboten

Mit Schlafsack und Kuscheltier: Zum Grillen und Chillen hatte sich die Kirchen-Wohngemeinschaft in Hallbergmoos Gäste eingeladen.

Zum Grillen und Chillen hatte sich die Kirchen-Wohngemeinschaft in Hallbergmoos Gäste eingeladen.

(Foto: Marco Einfeldt)

Während der Kirchen-WG-Woche in Hallbergmoos leben 13 Jugendliche christliche Werte. Konflikte werden konstruktiv gelöst.

Von Clara Lipkowski, Hallbergmoos

Wer eine Kirche betritt, erwartet möglicherweise nicht als erstes einen Staubsauger und einen Wäscheständer auf dem klamme Handtücher trocknen. In der evangelischen Emmaus-Kirche in Hallbergmoos gehörten diese Haushaltsutensilien aber bis heute zum Inventar. Denn seit Sonntagnachmittag hatten wieder Jugendliche die Kirche für sich beschlagnahmt - es war Kirchen-WG-Woche. Zum zehnten Mal durften Jugendliche, die 13 Jahre und älter sind, in den Räumen der Kirche Quartier beziehen. Mitsamt Isomatte, Schlafsack und Kuscheltier waren sie auf die Empore des hellen Kirchensaals gezogen, links neun Jungs, rechts vier Mädchen.

Tagsüber gab es ein loses Programm. Natürlich ging zur Schule, wer zur Schule musste, von Mittag an aber standen Aktivitäten in der Gemeinde im Vordergrund. Je nach Wetter gingen die Kinder schwimmen, spielten Karten oder "ratschten einfach nur", berichtet ein Junge. Wert legt Pfarrerin und Organisatorin Juliane Fischer auf die christliche Komponente: "Uns ist wichtig, hier in der Gemeinschaft den Glauben zu leben. Vor dem Essen beten wir gemeinsam und abends gestalten die Teilnehmer für alle eine Andacht."

Jan Philipp Knebel findet die Gemeinschaft ziemlich cool

Lucas Röckemann, 17, schätzt diese Rituale. "Ich bin zwar zur Zeit nicht so religiös, aber das gemeinsame Beten und Singen mag ich sehr. Die Andacht vor dem Schlafengehen ist schön, um den Tag zu beenden." Jan Philipp Knebel findet die Gemeinschaft "ziemlich cool." Er engagiert sich seit seiner Konfirmation in der Gemeinde, leitet die Konfirmandengruppe und ist auf Jugendfreizeiten aktiv. An der WG schätzt er, dass er viele Freunde treffen kann. Außerdem gefalle es ihm, in der Kirche zu wohnen. "Das ist was ganz Besonderes", sagt er. Schließlich sei es ungewöhnlich, dass eine Kirche das ermögliche. Und überhaupt, seien Duschen in Gotteshäusern ja auch nicht üblich. Außerdem gefällt Jan Philipp die abendliche Andacht. "Ich mag den geistigen Impuls, den man bekommt", sagt er.

Zur etwa 15-minütigen Andacht versammeln sich die "WG-Bewohner" jeden Abend im Kirchensaal. Dann sprechen die Jugendlichen abwechselnd über frei gewählte Themen, die sie beschäftigen, und stellen beliebte Musikstücke wie "Ein Hoch auf uns" in einen geistlichen Kontext. Das sei ihr in der Kirchenarbeit wichtig, sagt Pfarrerin Juliane Fischer, offen zu sein, für die Dinge, die die Jugendliche umtreiben. Gleichzeitig sollten in der Kirchen-WG christliche Werte gelebt werden. "Lästern und mobben geht gar nicht", sagt sie, "bestehen Konflikte, lösen wir sie konstruktiv im Gespräch."

Die Mädchen und Jungs schlafen auf der Kirchenempore

Theoretisch könne jeder, der möchte, in die WG einziehen, sagt die Pfarrerin. Gekommen seien auch ein paar Konfessionslose, ansonsten aber vor allem evangelische Christen. "Muslime wären auch willkommen, aber da könnte es Probleme geben", sagt sie, schließlich schliefen die Mädchen und Jungs, zwar voneinander getrennt, aber doch gemeinsam auf der Kirchenempore.

Am Mittwochabend, zur Halbzeit der WG-Woche, standen die gläsernen Türen der Kirche weit offen. Zum Mottoabend "grill'n'chill" waren auch Gäste eingeladen. Gekommen waren etwa 40 Gäste, unter ihnen Eltern, Geschwister und Freunde. An fünf langen Tischen im hellen Kirchenraum zum Garten hin wurde gegessen und geplaudert, während auf dem Grill im Kirchengarten Fleischpflanzerl vor sich hin bräunten. Alle hatten mit angepackt, um die WG-Woche auf die Beine zu stellen. Und damit der Spaß nicht zu kurz kam, stand für die Jugendlichen im großen Garten ein schwarzes Trampolin bereit, außerdem wurde eifrig Tischtennis gespielt. "Unsere Tischtennisturniere sind schon legendär", berichtet die Pfarrerin, "da kommt richtig Stimmung auf, mindestens wie bei der EM!"

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