Eine Freisingerin in Dunkerque (9):Seerosen in der Orangerie, Krieg am Strand

Katharina Horban besucht Paris und empfängt Restaurantgäste im Dirndl

Von Katharina Horban

Die Rolltreppe der Metro-Station fährt nach oben, es ist viel los. Sonntagnachmittag, schönes Wetter, die Touristen drängen sich aneinander. Schließlich stehe ich auf dem Gehweg und schaue auf den Arc de Triomphe. Freundin Audrey von den Philippinen sagt lachend: "Du müsstest dein Gesicht jetzt sehen!" Zusammen erkunden wir "la plus belle ville du monde", wie die Franzosen sagen. Der Verkehr ist infernalisch, die Autos rasen um den Triumphbogen. Steht man in der Mitte und schaut nach oben, erscheint er gewaltig. Ein Blumenmeer mit Kerzen und persönlichen Botschaften befindet sich vor dem Triumphbogen und erinnert an die Anschläge des vergangenen Jahres.

Über die Champs-Elysées schlendernd, geht es weiter zum Louvre. Der Jardin des Tuileries zwischen dem am meisten besuchten Museum der Welt und der Place de la Concorde ist jetzt im Frühling wunderschön. Die Kastanienbäume blühen, die Beete werden bunter. Am anderen Ende des Parks liegt das Musée de l'Orangerie. Selbst Audrey, die vom anderen Ende der Welt kommt, kennt die berühmten Seerosengemälde von Claude Monet, welche hier neben vielen weitern impressionistischen Gemälden ausgestellt werden. Die Warteschlange stimmt auf Pariser Maßstäbe ein, nach Sicherheitskontrollen wie am Flughafen sind wir dann im Gebäude. Ich stehe in der Mitte des Saales, drehe mich und überall sind die Seerosen. Vier riesige Gemälde an jeder der vier Wände. Betrachtet man sie von ganz nah, scheinen es nur bunte Striche zu sein. Geht man ein paar Schritte zurück, ergeben sich aus ihnen Seerosen. Keine gleicht der anderen, sie sind einzigartig. Man kann ewig vor den Gemälden stehen, es gibt so viel in ihnen zu entdecken. Im nächsten Saal hängen auch nur Seerosen an den Wänden.

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Die Sicht von Notre-Dame über Paris mit einem der vielen Wasserspeier. Man sieht die goldene Kuppel des Invalidendoms und den Eiffelturm.

(Foto: Horban)

Für vier Tage bin ich in Paris, Gastschwester Julie studiert in Paris, hat ein Zimmer zwischen Eiffelturm und Invalidendom und nimmt mich für diese Zeit bei sich auf. Julie empfängt mich herzlich. Als es dunkel ist, gehen wir beide zum Eiffelturm, der nur einen Steinwurf entfernt ist. Immer zur vollen Stunde leuchten abertausende Lampen auf, und das Wahrzeichen der Stadt glitzert wie ein Weihnachtsbaum. In den nächsten drei Tagen unternehme ich viel, treffe andere Austauschschüler aus Paris und verliebe mich in diese Stadt. Ich nehme den Seiteneingang und schaffe es in den Louvre ohne langes Warten dank eines Tipps meiner Gastschwester. Ich stehe vor Napoleons Grab direkt unter der gewaltigen Kuppel des Invalidendoms. Ich steige auf die Türme der Kathedrale und genieße mit den Wasserspeiern die beste Sicht über Paris, die man nur haben kann. Ich besichtige die Oper Garnier und bin in der Loge des Phantoms der Oper. Ich spaziere bei strahlendem Sonnenschein mit einer Freundin aus Peru durch das Viertel Le Marais und schlecke auf der Place des Vosges mein Eis.

Dann ziehe zu meiner vierten Gastfamilie aufs Land um. Sie haben ein Restaurant inmitten eines riesigen Parks mit jahrhundertealten Bäumen. Das Gebäude war früher ein Schloss, brannte zur Hälfte ab und wurde von ihnen komplett restauriert. Haute cuisine - dieser Begriff trifft auf die Gerichte des Restaurants vollkommen zu. Nach etwa zwei Wochen fragt mich Gastmutter Martine, ob ich am Sonntag die Empfangsdame an der Rezeption des Restaurants machen könnte. Mittags stehe ich in meinem Dirndl am Empfang und begrüße die Gäste. Nachdem ich ihren Namen überprüft und die Jacken abgenommen habe, geleite ich sie an ihren Tisch. Es ist viel los, eine Kommunion und ein Cocktailempfang kommen zum normalen Restaurantbetrieb dazu. Mein Dirndl wird von vielen neugierig begutachtet.

Kathi Horban

Katharina Horban ist Schülerin des Camerloher-Gymnasiums und für ein Jahr mit Rotary International als Austauschschülerin in Frankreich.

(Foto: oh)

Dazu der Kontrast: Sandsäcke stehen vor den Häuser. In den Straßen stehen dunkelgrüne Militärfahrzeuge, Soldaten haben Gewehre geschultert und tummeln sich in ihren kakifarbenen Uniformen am Strand. Viele tragen Verbände. Immer wieder hört man furchtbaren Lärm, mal ganz nah, dann wieder weiter weg. Es ist Krieg und die Touristen kommen in Scharen. Ende Mai fangen die Dreharbeiten zum Film "Dunkirk" von Regisseur Christopher Nolan an. Der Film handelt von der Rettungsaktion im Mai und Juni 1940, bei der über 330 000 britische und französische Soldaten von den Stränden Dünkirchens über den Ärmelkanal gerettet wurden. Das Stadtbild wurde deshalb in den vergangenen Wochen an die 1940er Jahre angepasst. Ganze Straßenzüge wurden gesperrt, Wälle aus Sandsäcken entstanden. Nach der Schule mache ich einen Strandspaziergang am Meer. Die vielen Security-Leute riegeln den Drehort strikt ab, man braucht Geduld, um etwas zu sehen.

Am Wochenende kommen acht andere Austauschschüler, sie haben bis zu zwei Stunden Zugfahrt hinter sich. Sie sind nur wegen des Films gekommen und hoffen auf die Chance einen der Schauspieler zu sehen. Natürlich treffen wir niemanden, trotzdem verbringen wir einen schönen Nachmittag am Strand.

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