Eine Freisingerin in Dunkerque (1):Küsschen zur Begrüßung

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Katharina Horban ist Schülerin des Camerloher-Gymnasiums und für ein Jahr mit Rotary International als Austauschschülerin in Frankreich. Für die Freisinger SZ schreibt sie über ihre Erlebnisse. (Foto: oh)

Das Abenteuer Frankreich hat für Katharina Horban begonnen. Die ersten Tage mit der französischen Gastfamilie zeigen, dass Grammatik zu pauken doch keine schlechte Idee war.

Von Katharina Horban, Freising

Das Flugzeug wird schneller und schneller, dann hebt es ab. Aus dem Fenster ist ein letztes Mal die Stadt Freising zu sehen: die Isar, der Domberg, Lerchenfeld. Dann dreht die Maschine ab und es geht Richtung Nordwesten, nach Paris.

Jetzt ist es also so weit - ich fliege nach Frankreich und werde in Dunkerque für ein Jahr bei Gastfamilien leben und auch dort zur Schule gehen. Wenn man weiß, es kommt etwas Großartiges auf einen zu, aber überhaupt keine Ahnung hat, wie das alles wird, ist es ein aufregendes Gefühl.

Im Flugzeug sitzen vor allem Rentner, die für die letzten Sommertage zum Kurzurlaub in die französische Hauptstadt fliegen. Eine Dame zitiert aus ihrem Reiseführer die Öffnungszeiten des Louvre.

Nach nur knapp zwei Stunden bin ich da und werde von meiner Gastfamilie am Flughafen begrüßt. Und zwar nicht mit einem kalten deutschen Händedruck, sondern mit "faire la bise". Es gibt Regionen in Frankreich, da gibt es bei jeder Begrüßung fünf Küsschen auf die Wange. Hier sind es nur zwei. Auf der Fahrt nach Norden unterhalten sich alle und die Französisch-Kenntnisse kommen endlich zum Einsatz. Es ist toll, wenn man merkt, dass die vielen Grammatikübungen doch einen Sinn gehabt haben.

Ein letzter Blick aus dem Flieger auf die Stadt Freising - und weiter geht es Richtung Frankreich. Katharina Horban lebt für ein Jahr in Dunkerque. (Foto: oh)

Auf der Autobahn Richtung Lille sind viele Lastwagen aus ganz Europa unterwegs, sie wollen zum Eurotunnel in Calais. Je weiter es nach Norden geht, desto mehr verändert sich auch die Landschaft. Jetzt scheint es fast, als wäre man in England: viele grüne Hügel, die Felder abgegrenzt durch kleine Steinmauern, kleine alte Kirchen. Das Wetter wird auch englisch - hinter Lille fängt es an zu schütten.

Dann sind wir schließlich da, das neue Zuhause ist in der Rue du 8 mai 1945, also in der Straße des 8. Mai 1945. Ein erstes Zeichen, was während des Zweiten Weltkriegs alles Schreckliches in Dunkerque passiert ist.

Tag drei: Mit meiner Gastmutter geht es zum örtlichen Supermarkt. Denn am Abend bereite ich für die Familie das Abendessen zu - es gibt Obatzden. Während dieses Jahres sollen die Austauschschüler immer wieder für ihre Familien kochen und zwar Spezialitäten aus ihrer Heimat. Wenn man aus Freising kommt, eignen sich die bayerischen Gerichte natürlich bestens. Im Supermarkt sind die Zutaten dank der Wörterbuch-App auf dem Smartphone schnell besorgt.

Katharina Horban ist Schülerin des Camerloher-Gymnasiums und ist für ein Jahr mit Rotary International als Austauschschülerin in Frankreich. (Foto: oh)

Die Gasteltern sprechen kein einziges Wort Englisch, also finden alle Gespräche auf Französisch statt. Für den Anfang des Austauschs ist das gar nicht so schlecht, so lernt man die Landessprache schneller und effektiver. Während ich den Obatzden zubereite, schaut mir meine Gastschwester hin und wieder über die Schulter. Sie scheint sich zu fragen, was diese käsige Creme eigentlich ist. Zum Obatzden gibt es einen Tomatensalat und dunkles Brot, original bayerische Brezn gab es im Supermarkt leider nicht. Nachdem die Zutaten alle erklärt sind, probieren sie und mein Gastvater sagt: "C'est très bon!" - es schmeckt ihm also.

Ein Lebkuchenherz als Gastgeschenk

Als dann jeder fertig gegessen hat, bekommt die Familie ihre Gastgeschenke. Für die Gastmutter gibt es ein Lebkuchenherz mit der Aufschrift "Gruß aus München!" und einen Hopfentee, Gastschwester Mathilde packt eine Freising-Tasse und Mozartkugeln aus, der Gastvater freut sich sehr über einen Bierkrug der Brauerei Weihenstephan. Er kann kaum glauben, dass das die älteste Brauerei der Welt sein soll. Für die ganze Familie gibt es einen Bayern-Kalender, ein Buch über München mit vielen Fotos und Karten von Freising wie auch von München.

Zusammen schauen wir uns das Buch an und ich erkläre die einzelnen Fotos. Besonders beeindruckt sind sie von Schloss Nymphenburg, dem Münchner Rathaus mit seinem Glockenspiel und den vielen alten Kirchen wie dem Alten Peter. München sei so bunt, findet Denis, der Gastvater. Gastmutter Karine sagt, dass sie als erstes das Oktoberfest und den FC Bayern mit München in Verbindung bringt.

Das erste Rotary-Wochenende für die neuen Austauschschüler findet am Meer in Belgien statt. Aus dem ganzen Distrikt 1520 kommen die Jugendlichen, das entspricht etwa der Region Nord-Pas-de-Calais. Während dieses Wochenendes gibt es viele Informationen über den Ablauf des Jahres und vor allem soll sich der Jahrgang kennen lernen. In der Eingangshalle tummeln sich schon viele Leute, man hört die unterschiedlichsten Sprachen.

Nachdem die Zimmer bezogen sind, gehen alle zusammen zum Strand. Klick, klick, klick. Jeder macht Fotos, viele Jugendliche packen die Flaggen ihrer Heimatländer aus. Der Wind ist so stark, dass sie fast davon wehen. Eine Frau vom Organisationsteam klettert auf den Rettungsschwimmersitz und macht von dort oben aus das Gruppenfoto.

Argentinien, Mexiko, Bolivien, Peru, Kolumbien, Australien, Neuseeland, USA, Kanada, Indien, Japan, Thailand - und Deutschland. All diese Flaggen flattern jetzt im Wind, von zahlreichen Händen in die Höhe gestreckt. Beim Abendessen rede ich mit einem Jungen aus Kolumbien, er heißt Felipe. Und Felipe erzählt, dass er vor einigen Jahren angefangen hat, nach der Schule freiwillig Deutsch zu lernen. Einfach so, weil er Lust dazu hatte. Felipe ist so interessiert an Deutschland, weil er ein großer Fan des FC Bayern München ist. Thomas Müller ist sein Lieblingsspieler. Der Junge träumt davon, einmal nach München zu kommen und sich ein Spiel live anschauen zu können. Er spricht gut und hat keine Angst Fehler zu machen.

Als jeder fertig gegessen hat, tragen zwei Leute vom Team einen Kuchen mit Kerzen herein. Emily, ein Mädchen aus Australien, hat heute Geburtstag. Alle singen zusammen Joyeux Anniversaire - dann ertönt das Lied noch in Spanisch, Portugiesisch, Japanisch und Hindi.

Ein internationaler Geburtstag.

© SZ vom 26.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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