Einblicke in die Forschungsbrauerei:Ein Traum für Brauer

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An der TU München in Weihenstephan können Dozenten und Studenten im kleinen Maßstab experimentieren. 200 Hopfentypen, 200 Hefearten und dazu unterschiedliche Malzmischungen lassen eine Vielzahl an Biersorten zu - auch ohne das Reinheitsgebot zu verletzen

Von Petra Schnirch, Freising

Der Biss in eines der Körner ist überraschend, es schmeckt fruchtig-würzig und könnte glatt in die Tüte einer neuen Müsli-Mischung wandern. Die nächste Kostprobe ist eher langweilig. Eine weitere, sehr viel dunklere aber hat es wieder in sich. Das Aroma ist herb bis rauchig. Malz ist nicht gleich Malz, das zeigt ein kleiner Test in der Forschungsbrauerei der TU München (TUM). Leiter Johannes Tippmann hat mehrere Gläser mit unterschiedlich gerösteten Sorten aus Gerste und Weizen für seine kleine Einführung auf einem Tisch platziert, dazu Hopfendolden und -pellets, Hefe und Wasser - eben alles, was in ein bayerisches Bier darf. Das ist auf den ersten Blick nicht viel - und doch ist das Spielfeld für die Brauer enorm, wie Tippmann bei einem Presse-Workshop an der Studienfakultät Brau- und Lebensmitteltechnologie betont.

Zwar beraten die Fachleute auch Praktiker, auf dem Weihenstephaner Berg ist das Brauen aber natürlich vor allem eine Wissenschaft. Die Forschungsbrauerei bietet dafür ideale Bedingungen - Dozenten und Studenten können im kleinen Maßstab experimentieren und vergleichen. Besonders stolz ist Tippmann auf die neue Computer gesteuerte Mini-Brauerei. Dort kann ein Acht-Liter-Sud angesetzt werden, der Glaszylinder gibt den Blick auf die bernsteinfarbene Flüssigkeit frei. Bierbrauen wird so zur Anschauungssache. Und es ist ein hochkomplexer Vorgang. Von den Rohstoffen über die Prozesse beim Brauen und die Technik - will man die Abläufe verstehen und beeinflussen, ist ein breites Wissen gefragt.

Hier wird gebraut - für die Wissenschaft. (Foto: Marco Einfeldt)

An die Hightech-Anlage in der Forschungsbrauerei dürfen folglich nur die Fachleute. In einem ersten Schritt wird beim Einmaischen das geschrotete Malz mit Wasser vermischt. Anschließend kommt der Sud in das Nachbar-Gefäß, den sogenannten Läuterbottich. Dort werden feste und flüssige Bestandteile der Maische voneinander getrennt. Erst beim nächsten Schritt, beim Kochen in der Würzepfanne, kommt der Hopfen dazu. Dann werden Schwebstoffe aus der gekochten Würze abgeschieden.

Bei den kleinen Mengen, die in der modernen Mini-Anlage hergestellt werden, sei es nicht so schlimm, wenn einmal etwas schief geht, sagt Tippmann. Für die Lehre sei diese Pilotanlage deshalb ein "Traum", ergänzt Matthias Ebner, er ist für das Eventmanagement an der Studienfakultät zuständig. Im gleichen Raum steht aber auch eine Brauanlage für 80 Liter, nebenan geht es mit 800 Litern noch eine Nummer größer, dort kann in industriellem Umfang produziert werden.

Ausgerechnet im Jubiläumsjahr, in dem allerorten 500 Jahre Reinheitsgebot gefeiert werden, flammt die Diskussion wieder auf, wie sinnvoll die Selbstbeschränkung ist, der die Brauer unterliegen und ob sie deutsche Betriebe in einer Zeit, in der innovative Bier-Kreationen zu einem Modegetränk geworden sind, im internationalen Wettbewerb nicht benachteiligt. Auch beim traditionsreichen Technologischen Seminar, bei dem sich jedes Jahr Brauer, Verbandsvertreter und Forscher in Weihenstephan treffen, war dies ein Thema. Darauf gesprochen argumentiert Thomas Becker, Inhaber des Lehrstuhls Brau- und Lebensmitteltechnologie an der TU in Weihenstephan, sehr leidenschaftlich.

Das Reinheitsgebot sei das beste Lebensmittelrecht überhaupt, die Brauer kämen ganz ohne E-Nummern aus - viele Verbraucher wünschten sich das auch für andere Lebensmittel. Warum also sollte das aufgeweicht werden?, fragt er in die Runde. "Die Diskussion um das Reinheitsgebot ist für mich nicht nachvollziehbar." Eine Bürde sieht er darin ohnehin nicht. 200 Hopfentypen, 200 Hefearten und dazu unterschiedliche Malzmischungen - dadurch ergäben sich Millionen Möglichkeiten, allein in Deutschland seien 5000 verschiedene Biertypen auf dem Markt.

Dass man sich in der Weihenstephaner Forschungsbrauerei nicht nur auf die Theorie versteht, beweist acht Wochen später das Ergebnis des Workshops: ein dunkles, bernsteinfarbenes Festbier mit 5,2 Prozent Alkohol. Es schmeckt karamellig mit einer frischen Fruchtnote. Die Hopfensorte Cascade bringe eigentlich ein extremes Zitrusfrucht-Aroma mit, erklärt Johannes Tippmann, in der Holledau seien jedoch milde, angenehme Noten besser ausgeprägt.

Das ist ein Novum in der Bier-Szene. Bisher sei die Herkunft des Hopfens eher vernachlässigt worden, das ändere sich zurzeit, sagt Tippmann. Der Mythos um das Terroir beim Wein färbt ein wenig auf Bier-Liebhaber ab, die Hopfenpflanzer in der Hallertau, nach wie vor das größte zusammenhängende Anbaugebiet der Welt, wird es freuen.

Die Brauer werden experimentierfreudiger und immer mehr Verbraucher wissen das zu schätzen, nachdem jahrelang überwiegend langweilige Einheitsbiere ausgeschenkt wurden. Entsprechend gefragt sind neue Aromahopfen-Sorten. Der intensiv duftende Mandarina Bavaria etwa, eine Züchtung des Hopfenforschungszentrums Hüll, das zur Landesanstalt für Landwirtschaft in Weihenstephan gehört, ist ein Renner, und er ist ausverkauft, wie Tippmann hinzufügt.

Das Know-how aus Weihenstephan ist gefragt. In vielen Brauereien arbeiten ehemalige Absolventen aus Freising. In der Forschungsbrauerei gehen wiederum Aufträge aus aller Welt ein, beispielsweise aus der Karibik für eine neue Rezeptur. Das Bier für die Kunden dort dürfe nicht bitter sein, erklärt Tippmann, außerdem sollte der Alkoholgehalt wegen der Hitze eher gering sein. Solche Anfragen seien wichtig, sagt der Leiter der Forschungsbrauerei, um die teuren Gerätschaften zu finanzieren. Auch Freisinger wissen das Bier der Technischen Universität München zu schätzen. Für das Uferlos-Festival hat das Team der Forschungsbrauerei 30 Hektoliter eines Festbiers produziert - es ähnelte dem des Workshops und schmeckte doch komplett anders, sagt Tippmann. Ganz ungewöhnlich, nach Erdbeer und Kirsche. Die Hopfensorte Comet verlieh ihm die roten Fruchtaromen.

Eine der größten Herausforderungen für die Weihenstephaner Forscher ist die Entwicklung einer verbesserten Rezeptur für ein 0,0-Bier, ein wirklich alkoholfreies Bier. Denn was viele nicht wissen: In vielen Sorten ist bis zu 0,5 Prozent Alkohol enthalten. Das Problem sei, dass bei der Herstellung viele Aromastoffe verloren gehen, schildert Tippmann. Dieser Markt werde immer wichtiger, da es hier noch größere Zuwächse gibt.

© SZ vom 27.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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