Ein kleines Wagnis:Speed-Date im Jagdzimmer

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Viele Singles tun sich schwer, jemanden kennenzulernen. Im Furtner findet deshalb Freisings erstes Kennenlernspiel statt, bei dem die Teilnehmer alle sieben Minuten einem anderen Gesprächspartner gegenübersitzen. Frauen wie Männer sind danach froh, sich getraut zu haben

Von Christoph Dorner, Freising

Max kommt zu Sarina an den Tisch. Er gibt ihr die Hand, beide lächeln. Max guckt von unten hinüber zu Sarina, wuschelt sich durch die Haare. Er muss jetzt eine gute erste Frage stellen. Er überlegt kurz, dann sagt er mit warmer Stimme: "Wie geht es dir?" Die Zeit läuft.

Im Fernsehfilm "Altersglühen" konnte man im vergangenen Herbst zusehen, wie sich eine Gruppe rüstiger Senioren in einer Villa traf. Nicht etwa zum Singkreis oder Bingospiel, nein, zum Speed-Dating. Prominente Schauspieler wie etwa Senta Berger und Mario Adorf umkreisten sich dabei Runde um Runde misstrauisch oder flirteten hemmungslos ohne festes Drehbuch, was herrlich anzusehen war und die eigentümliche Magie des Speed-Datings wunderbar einfing.

Dabei ist das schnelle Frage-Antwort-Spiel zwischen Mann und Frau ein Phänomen, das unter den Jüngeren fast schon wieder ein bisschen out ist, seit man mit der Dating-App Tinder nur noch im Akkord über das Smartphone wischen muss, bis man jemanden gefunden hat, der sein Gegenüber genauso attraktiv findet. Vermittlungsbedarf zwischen den Geschlechtern aber ist in jedem Fall vorhanden, die Zahl der Singles steigt allerorten.

Die Wirtin Franzi und Sebastian, eine ihrer Tresenkräfte, waren bei einer Brauereibesichtigung auf die Idee gekommen, das erste Freisinger Speed-Dating im Furtner zu veranstalten. Ihr Motiv ist völlig uneigennützig, beide sind schon lange fest vergeben. Sebastian heiratet sogar im Sommer.

Bei einem Glas Sekt und im Kerzenschein saßen sich am Donnerstagabend elf Singles aus Freising gegenüber. (Foto: Marco Einfeldt)

Vielmehr wollen sie in Freising Entwicklungshilfe in Sachen Dating leisten. Denn es sei ja so schwer in der Stadt heutzutage noch jemanden Neues kennenzulernen, hätten ihre Freunde und Bekannten wiederholt gejammert, erzählt die 35-jährige Franzi.

Corinna, eine der Teilnehmerinnen, wird später ähnliches berichten. Wie nach Schule und Studium und abseits von Sportverein und Arbeitsplatz der Bekanntenkreis immer mehr zusammenschrumpft, wenn die Familienmenschen sich irgendwann einigeln und die Singles sich nicht mehr offen zu erkennen geben. "Dabei ist es doch überhaupt keine Schande, Single zu sein", sagt auch Wirtin Franzi.

Im Jagdzimmer ist das Licht heruntergedimmt. An der Wand hängen Hirschgeweihe, auf den Tischen stehen Kerzen, Blumen und Sekt. Fünf Männer und sechs Frauen zwischen 28 und 45 Jahren sind ins Furtner gekommen, ein Vielfaches an Leuten habe vorab Interesse signalisiert, sich aber am Ende dann aber wohl doch nicht getraut, berichtet Franzi.

Ein erster Blick auf die Herren der Schöpfung. Sie haben karierte Hemden und saubere Schuhe angezogen, und man kann sich gut vorstellen, wie sie vorab vor ihrem Kleiderschrank standen und über ihr Outfit grübelten. Auch die Damen haben sich schick gemacht, es aber auch nicht übertrieben.

Franziska Kutner, Wirtin des Furtnerbräus. (Foto: privat)

Franzi erklärt die Spielregeln. Ein Date dauert sieben Minuten, danach rotieren die Männer einen Tisch weiter zur nächsten Gesprächspartnerin. Damit die Zunge lockerer wird, bringt die Wirtin eine Runde Schnaps. Und zur Sicherheit noch einen Zettel mit Fragen für das erste Date.

Zurück zu Max und Sarina. Sie reden über ihren Beruf, über Haustiere, Freising, Sport - was man eben so redet, wenn man sich sympathisch ist. An den anderen Tischen bietet sich das gleiche Bild . So vergehen die Minuten wie im Flug. Letzte Runde. Aus den Musikboxen säuselt eine weibliche Pop-Stimme: "Uh, Sexy Boy". Ein letztes Mal fragen, gucken, beschnuppern - vorbei. Danach sitzen Männer und Frauen jeweils zusammen. Beide Seiten wirken auch ein bisschen erleichtert, dass sie es gut überstanden haben. Dass der Abend Spaß gemacht hat, mehr als erwartet, beteuern alle. Nun überlegen sie, wen sie wiedersehen möchten. Bei übereinstimmendem Interesse wird Sebastian in den kommenden Tagen die Kontaktdaten vermitteln.

Der 44-jährige Harald hat schon Kinder, ihm sind die Frauen hier zu jung. Arno überlegt kurz, wie es denn wäre, alle sechs Frauen auf den Zettel zu schreiben, um größere Chancen zu haben. Er lässt es dann doch bleiben. Die anderen Männer wollen sich nicht in die Karten schauen lassen.

Die Frauen am anderen Tisch sind nachdenklich. "Interessant ist, dass man bei seinem ersten Eindruck richtig danebenliegen kann", sagt Caro. Corinna befürchtet, dass sich alle für den gleichen Mann interessieren. Was dann?

Und was ist mit Alternativen, etwa Online-Dating? "Ein absoluter Reinfall", sagt Cathy, die wie Lisa keinen männlichen Namen aufgeschrieben hat. "Der Richtige war einfach nicht dabei", sagt Lisa. Dafür wollen die beiden Frauen im Anschluss kurzerhand zusammen Essen gehen. Der Abend ist ja noch jung.

© SZ vom 07.02.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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