Ein Junge als Kinderpfleger, ein Mädchen als Dachdeckerin:Gegen alle Klischees

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700 Schülerinnen und Schüler informieren sich beim "Freisinger Berufetag" über Ausbildungsmöglichkeiten. Die Veranstalter werben vor allem für Berufsverhältnisse, die klassischen Rollenbildern widersprechen

Von Clara Lipkowski, Freising

Nach der Schule Bestatterin werden oder Dachdeckerin? Erzieher lernen? Viele Berufe klingen für Schulabgänger noch immer nicht besonders verlockend. Stattdessen suchen sie sich sowieso schon beliebte Ausbildungen. In der Folge gibt es weiter klassische "Mädchen- und Jungenberufe", Mädchen werden Erzieherinnen, Jungen Mechaniker. An den festgefahrenen Vorstellungen von Arbeitsplätzen will der "Freisinger Berufetag", unter anderem vom Jugendamt organisiert, rütteln. Jährlich gibt er Berufs- und Mittelschülerinnen und -schülern aus dem Landkreis Einblick in für sie atypische Berufe. Dafür waren an diesem Dienstag gut 20 Firmen und Betriebe in zwei Hallen der Luitpoldanlage gekommen und hatten sich etwa 700 Schülerinnen und Schülern aus dem Landkreis vorgestellt.

In der "Mädchen-Halle" waren das Bestatter, Dachdeckerinnen oder "Fachkräfte für Postdienstleistungen". In der "Jungen-Halle" konnten sich die Schüler über den Beruf als Erzieher oder Hotelfachmann schlau machen. Drei Stationen à 20 Minuten hatten die Teilnehmer abzulaufen. Wunschstationen konnten sie nicht angeben. "Entscheiden wir nicht vorab über die Verteilung, gehen immer nur alle zu den gleichen Berufen", sagt Kerstin Gimpel vom Jugendverein und Mitorganisator "Brücke e.V." Man kennt das schon. Und so trotten an diesem Dienstagvormittag die im Schnitt 13- bis 19-Jährigen von Stand zu Stand. Hier und da murmelt jemand: "Ich weiß doch eh, dass ich das nicht werden will."

Mehr Mädchen in technische Berufe - das wünschen sich auch Feinwerkmechanikermeister auf dem Berufetag. (Foto: Marco Einfeldt)

In der "Jungen-Halle" berichten drei Kinderpfleger und Erzieher vor einer 20-köpfigen Gruppe Jungen vom Berufsalltag - quasi als männliches Gegenbeispiel. Denn immer noch ergreifen überwiegend Frauen diesen Beruf. Und warum? "Der Verdienst ist nach wie vor relativ gering, da suchen sich viele etwas anderes, sagt Erika Widl von der Berufsschule für Kinderpflege. Außerdem sei das nun einmal gängige Vorstellung: Frauen erziehen." Sie aber wünscht sich mehr Männer in diesem Job: "Das Kind braucht beide Vorbildrollen", findet sie. Die Jungen lauschen geduldig der Jobbeschreibung der Erzieher. Von "abwechslungsreich" ist die Rede, "wichtig ist auch, dass ihr zuverlässig seid, Geduld habt und euch ein dickes Fell zulegt", sagt einer, der den Kinderpflegeabschluss erreicht hat. Auf die Frage, was wollt Ihr denn nach der Schule machen?, herrscht Stille. Dann Gemurmel. Ein Schüler hebt kurz die Hand, ja, also, vorstellen könne er sich das schon mit dem Erzieher. Die anderen? "Mal sehen."

Ein ähnliches Bild am Deutsche-Bahn-Stand. "Wir haben mehr als 50 Ausbildungsberufe", verkündet eine Frau in dunklem Hosenanzug. Tüftler, Servicepersonal - fast für jeden sei etwas dabei. "Was wollt Ihr denn mal werden?", fragt sie und schaut erwartungsvoll in müde Gesichter. Schweigen. Dann sagt einer: "Elektriker." Ein anderer: "Irgendwas mit Technik halt." Da habe die DB bestimmt etwas für sie, sagt die Vertreterin aufmunternd. Schräg gegenüber geht gerade ein Vortrag für Drogisten zu Ende. Jakob, 14, fühlt sich gut informiert: "Büro ist mir zu langweilig, ich finde Umgang mit Kunden richtig gut." Aber Drogist werden? "Warum nicht?"

Die Deutsche Bahn setzt auf modernste Technik: Interessierte lernen Ausbildungsberufe per Virtual-Reality-Brille kennen. (Foto: Marco Einfeldt)

Ortswechsel. "Mädchen-Halle". Die 17-jährige Elif unterhält sich gerade mit zwei Freundinnen. Sie schaut zum Stand mit einer uniformierten Frau und sagt: "Ich will seit meiner Kindheit Polizistin werden." Die Freundinnen grübeln noch. "Vielleicht medizinische Fachangestellte", sagt Merve, 16. "Man kann sich hier ja mal umschauen." Ein Bestattungsunternehmen zeigt einen Film. Ein Mann berät Trauernde. Eine fröhliche Stimme aus dem Off erzählt: "Eine Bestattungsfachkraft ist im 21. Jahrhundert ein moderner Dienstleister, vergleichbar mit einem Eventmanager." Der 13-jährigen Elena ist das Metier trotzdem nicht ganz geheuer. "Irgendwie ist so etwas schrecklich", findet sie. Lieber wolle sie Krankenschwester werden. Ganz wichtig: "Ich will mit Menschen arbeiten." Also, vor allem mit lebenden.

© SZ vom 07.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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