Ein Fest für alle Sinne:Biologische Vielfalt für Herz und Magen

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Kein Ei gleicht dem anderen: Auch der Geflügelzuchtverein Freising zeigt beim Umwelttag die biologische Vielfalt. (Foto: Marco Einfeldt)

Am Freisinger Marienplatz wird ausgiebig gefeiert und probiert: Erst ist Marktfest und Umwelttag, dann rollen die auffallenden Trucks des "Immersatt Food-Market" heran.

Von Johann Kirchberger, Freising

Eröffnung der Umwelttage. Samstag, 9 Uhr. Ein Termin für Frühaufsteher oder Spätheimkehrer. Die beiden Musiker mit Lederhosen und Wadlstrümpf spielen Akkordeon und Tuba. Die kleine Band nennt sich "Spätheimkehrer". Die Sache wäre also geklärt. Warum die Kirchenglocken gar so heftig läuten ist auch klar. Im Dom beginnt die Priesterweihe. Und Bürgermeisterin Eva Bönig, die vor dem Asamgebäude am Rednerpult steht, ist im Stress.

Sie muss den Wochenmarktbesuchern die biologische Vielfalt der Umwelttage schmackhaft machen, muss gleichzeitig das 3. Marktfest der Standlbeschicker eröffnen und danach noch schnell eine Trauung vollziehen. Alles in Vertretung des Oberbürgermeisters. Das Gerücht, dass sie auch noch den Knopf für den Fliegeralarm um 11 Uhr gedrückt hat, stimmt natürlich nicht. Am Nachmittag muss Eva Bönig dann noch zur Klausurtagung der grünen Stadträte und danach hätte sie eigentlich das Stadtteilfest eröffnen sollen, aber das hatten die Lerchenfelder wegen schlechter Wetterprognosen abgesagt.

Und so lobt Eva Bönig den Grünen Markt als einen Magneten der Altstadt, lobt das frische Obst und Gemüse aus heimischem Anbau und die regionale Vielfalt des Angebots. "Der Freisinger liebt seinen Markt", sagt sie, und die Bürgermeisterin weiß, wovon sie spricht. Ist sie doch fast jeden Samstag hier anzutreffen. Und weil die Gelegenheit so günstig ist, reitet sie auch gleich noch eine Attacke gegen die dritte Startbahn. Die regionale Vielfalt gelte es zu schützen, "wir müssen uns positionieren gegen Flächenfraß und Umweltzerstörung".

Danach verweist Horst Schönegge als Sprecher der Standlbetreiber auf die 1000-jährige Geschichte des Freisinger Markts und später erzählt der Schreyer Ferl - diesmal als Stadtführer und nicht als Maronibrater -, dass der Grüne Markt einst neben der offenen Moosach in der Oberen Hauptstraße beheimatet war und auf dem Marienplatz unter Regie von fünf Brauereien vorwiegend gefeiert wurde.

Gefeiert wird an diesem Tag auch. Die "Spätheimkehrer" spielen auf und an allen Ecken und Enden kann man probieren. Käse aus Dürneck etwa, gegrilltes Gemüse mit Ziegenkäse oder auch rohes Gemüse. Geschenkt bekommt man eine Blume, Rehragout und Rostbratwürste müssen bezahlt werden. Und zwischen den im Laufe des Vormittags immer zahlreicher werdenden Besuchern springen zwei Insekten vom Zebra-Stelzentheater umher.

Die biologische Vielfalt macht Herz und Seele frei, hat Umweltreferent Manfred Drobny schon am frühen Morgen verkündet und in den Asaminnenhof eingeladen. Über einen ausgelegten grünen Teppich kommt man zu den verschiedenen Ständen. Einer ist den Schmetterlingen gewidmet, Kinder können Metamorphose-Mobile basteln und erfahren, dass Brennnessel für Schmetterlinge ganz wichtig sind.

Der Bund Naturschutz zeigt, wie man ein Insektenhotel bastelt, der Kreisfischereiverein hat ein Aquarium mit jungen Fischen mitgebracht, die sich früher mal zuhauf in der Isar tummelten, wie etwa die Nasen. Die Stadtwerke informieren über das Trinkwassereinzugsgebiet, der Lehrstuhl für Zoologie an der TU ist vertreten, der Naturgarten Schönegge und der Landesbund für Vogelschutz.

Wer will, kann auch in eine Blackbox schlüpfen, dort barfuß im Sand laufen, Vogelgezwitscher hören und in der Dunkelheit Pflanzen befühlen. Den Eibisch etwa, das samtene Eselsohr oder die Zitronenmelisse. Vertreten sind auch die Geflügelzüchter mit Eiern jeder Größe, vom Wachtelei bis zum Straußenei.

Am Abend trifft man Umweltreferent Drobny mit interessierten Besuchern bei einem Stadtspaziergang am Roider-Jakl-Brunnen. Tiere und Pflanzen im urbanen Raum ist das Thema. Gleich daneben verkaufen Italiener noch immer Salami, Käse und Schinken - auch das ist biologische Vielfalt. Am Marienplatz sind Obst und Gemüse verschwunden. Da stehen jetzt merkwürdige, besser gesagt auffallende "Foodtrucks".

Es ist "Immersatt Food-Market". Da ist es vor allem wichtig, dass alle Angebote irgendwie amerikanisch klingen. Schweinsbraten in der Semmel heißt dann "Pulled Pork Sandwich". Kartoffel werden mit BBQ-Sauce serviert und kommen aus dem Smoker, es gibt überbackene "Brezel" von den Brezelbrothers, Suppies von Linsen, Sattlate, natürlich vegan, und Guties zum Nachtisch. Donuts gibt es auch, aus der Donuts-Factory, und natürlich Burger aller Art.

Kann man alles in einer Loungeecke genießen - oder auf Biertischgarnituren. Alles ein bisschen gewöhnungsbedürftig, kommt aber gut an, vor allem bei der Jugend. An fast allen Trucks stehen die hungrigen Streetfood-Fans in zehn bis 20 Meter langen Schlangen an. Der ganze Platz ist voll und alles mampft, trinkt und freut sich des Lebens. Musik soll es auch gegeben haben. Aber nach Techno vom Band folgte eine lange Pause. Und am Stand mit dem schönen Namen Boarisch BQ war plötzlich der Schweinsbraten aus. So ein Pech aber auch. Zeit, um wieder biologische Vielfalt zu entdecken. Der Bund Naturschutz lädt schließlich noch zu einem Nachtspaziergang am Weihenstephaner Südhang ein. Nachtfalter, Fledermäuse und Glühwürmchen beobachten.

Ist ja Umwelttag.

© SZ vom 29.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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