Flüchtlinge in der Warteschleife:Unterwegs mit Müllbeutel und Greifzange

Flüchtlinge in der Warteschleife: Den Müll, der auf den Liegewiesen am Pullinger Weiher liegen geblieben ist, sammeln Mehari und Berhe, zwei Asylbewerber aus Eritrea ein, Teamleiter Rudi Fabisch von Rentabel schaut ihnen dabei über die Schulter.

Den Müll, der auf den Liegewiesen am Pullinger Weiher liegen geblieben ist, sammeln Mehari und Berhe, zwei Asylbewerber aus Eritrea ein, Teamleiter Rudi Fabisch von Rentabel schaut ihnen dabei über die Schulter.

(Foto: Marco Einfeldt)

Mehari und Berhe, zwei junge Flüchtlinge aus Eritrea, arbeiten als Ein-Euro-Jobber beim Rentabel-Projekt der Caritas. Seit einem Jahr warten sie auf die Anerkennung ihrer Aslyanträge.

Von Marina Wudy, Freising

Wirklich viel zu tun gibt es an diesem trüben Freitagmorgen eigentlich nicht. Der graue Himmel hängt drückend über den einsamen Pullinger Seen und die frische Luft riecht nach Herbst. Trotzdem sind Mehari und Berhe mit großem Eifer bei der Arbeit. Ausgestattet mit Eimern, blauen Müllbeuteln und Greifzangen marschieren sie zielstrebig über die Liegewiese, kontrollieren die Mülleimer und sammeln Zigarettenstummel auf.

Engagiert worden sind die beiden jungen Männer von Rentabel, dem Arbeitsprojekt der Caritas, als Ein-Euro-Jobber. Eine Sache unterscheidet sie jedoch von den anderen sogenannten "AGHlern": Mehari und Berhe kommen eigentlich aus Eritrea. Seit einem Jahr sind sie mittlerweile schon in Deutschland und warten immer noch darauf, dass ihrem Asylantrag stattgegeben wird - bisher vergeblich.

Zusammen mit zwei anderen Flüchtlingen sind die beiden Eritreer Teil einer besonderen Initiative von Rentabel, während derer seit einiger Zeit eine gewisse Anzahl solcher Arbeitsgelegenheiten speziell für Asylbewerber zur Verfügung gestellt wird. Für die beiden jungen Afrikaner ist das immerhin eine Möglichkeit, ihrem derzeitigen Leben als Asylbewerber hier in Deutschland etwas an Perspektivlosigkeit zu nehmen.

Denn wie Mehari auf Englisch erklärt: "Wir sprechen bisher leider nicht so gut deutsch. Und ohne Deutschkenntnisse ist es sehr schwer, einen anderen Job zu bekommen. Die Arbeit hier bei Rentabel macht uns Spaß und die Leute sind nett, aber ich würde schon gerne mehr Geld verdienen."

Die Mitarbeiter bei Rentabel wissen Mehari und Berhe und ihren Arbeitseinsatz auf jeden Fall zu schätzen. "Die beiden sind echt super, sehr fleißig und sie können gut mitanpacken", erzählt Teamleiter Rudi Fabisch, der die Ein-Euro-Jobber regelmäßig auf ihren Touren begleitet und ihre Arbeit überwacht.

Trotzdem ist gerade Mehari für seinen Job überqualifiziert. Denn der 23-Jährige hat in Eritrea Agrarwirtschaft studiert. Da er allerdings jetzt von Deutschland aus keine Möglichkeit hat, an seine Zeugnisse zu kommen, um das auch nachzuweisen, wird es sehr schwierig für ihn werden, sein Studium hier fortzusetzen.

Warum es für den jungen Asylbewerber so problematisch ist, an seine Zeugnisse zu kommen, wird deutlich, wenn man nicht nur weiß dass, sondern auch warum Eritrea das Hauptherkunftsland afrikanischer Flüchtlinge ist. Allein im Jahr 2014 wurden insgesamt 13 252 Asylanträge von eritreischen Flüchtlingen gestellt.

Denn Eritrea mag zwar offiziell auf dem Papier eine demokratische Verfassung haben, in der Praxis jedoch ist davon nicht viel zu sehen: Die Menschenrechtslage in dem ostafrikanischem Staat ist katastrophal, Folter und der Zwang zum unbegrenzten Militärdienst sind an der Tagesordnung. Zudem belegte Eritrea dieses Jahr wiederholt den letzten Platz auf der internationalen Rangliste der Pressefreiheit der Vereinigung "Reporter ohne Grenzen".

All das bestätigt auch Mehari, wenn er mit bitterer Miene von seinem Heimatland erzählt: "Der Staat lässt uns keine Freiheit, jeder Schritt und jedes Wort wird überwacht. Man darf keine Kritik äußern, sonst kommt man ins Gefängnis. Außerdem ist das Geld zu knapp, in den meisten Jobs verdient man so gut wie nichts, außer man ist Lehrer oder Arzt. Und viele andere werden einfach gezwungen, zur Armee zu gehen, auch wenn sie gar nicht wollen."

Auch seinem Vater sei es so ergangen - bis heute habe er nicht aus diesem System der Zwangsrekrutierung ausbrechen können. Um nicht das gleiche Schicksal zu erleiden, und um dem menschenverachtenden Korsett, das der eritreische Staat seinen Bürgern anlegt, zu entkommen, deshalb ist Mehari also nach Deutschland geflohen.

Fast ein ganzes Jahr lang war er dabei auf der Flucht. Im November 2013 machte er sich auf den Weg nach Europa, musste zunächst aber fünf Monate in Äthiopien warten, bevor es von dort aus endlich Richtung Mittelmeer weiterging. Mit einem Boot erreichte er schließlich Europa. Im August 2014 kam Mehari in Deutschland an. Viele, die mit ihm aufgebrochen sind, hätten es nicht geschafft, erzählt er. Seine Hoffnung ist nun, dass bis Ende des Jahres endlich sein Asylantrag genehmigt wird.

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