Archäologie im Landkreis Freising:Überraschung im Karton

Archäologie im Landkreis Freising: Immer mal wieder findet Delia Hurka in den Kartons auf dem Dachboden des Landratsamtes einen kleinen Schatz. Sie sortiert Tausende Knochen, Tonscherben, Steinwerkzeuge und vieles mehr.

Immer mal wieder findet Delia Hurka in den Kartons auf dem Dachboden des Landratsamtes einen kleinen Schatz. Sie sortiert Tausende Knochen, Tonscherben, Steinwerkzeuge und vieles mehr.

(Foto: Marco Einfeldt)

Die neue Kreisarchäologin Delia Hurka sortiert die Funde des Archäologischen Vereins, die sich seit den 80er Jahren angesammelt haben, und findet dabei manchen Schatz.

Von Eva Zimmerhof, Freising

Graue Kartons, stapelweise, der Raum ist voll davon - dazwischen die neue Kreisarchäologin Delia Hurka in dicker Winterjacke. Auf dem Dachboden des Landratsamtes, wo die 34-Jährige arbeitet, ist es im Sommer heiß und im Winter eiskalt. Das Amt hat die unzähligen Kartons samt Inhalt im vergangenen Jahr vom Archäologischen Verein Freising geschenkt bekommen und damit zugleich die Aufgabe angenommen, alles fachgerecht zu behandeln, was darin versteckt liegt. Das verschaffte Delia Hurka die extra dafür geschaffene Teilzeitstelle.

Der Inhalt, das sind sämtliche Fundstücke des Archäologischen Vereins seit den achtziger Jahren: Tausende Knochen, Tonscherben, Steinwerkzeuge und einige zunächst undefinierbare Stückchen und Klumpen. Als Expertin weiß Delia Hurka damit umzugehen und erkennt Schätze, wenn welche auftauchen. Sie erkennt das königsblaue Glasstück mit weißen und gelben Streifen, das sie in einem Karton mit der Aufschrift "Fahrenzhausen" entdeckt hat, als latène-zeitlichen Armring, einen von Kelten kunstvoll gefertigten Armschmuck. Es ist nur ein Bruchstück, aber ein Stück Geschichte. "Man weiß gar nicht, wie die Menschen damals etwa so nahtlos herstellen konnten", sagt Delia Hurka, während sie das leuchtende Glas betrachtet. Die Faszination für ihr Fach ist ihr anzumerken. "Nicht alles Hochentwickelte kam eben von den Römern." Das Wissen der Kelten um die Technik ging nach der Latènezeit, die ab 450 vor Christi Geburt etwa vier Jahrhunderte andauerte, verloren.

Delia Hurka liebt ihren Beruf, dafür pendelt sie seit dem Herbst aus dem Landkreis Augsburg, trotz ihrer kleinen Kinder. Umzuziehen käme für sie nur in Frage, wenn ihre Stelle entfristet würde. Nach dem Studium der Vor- und Frühgeschichte machte sie ein Fachvolontariat beim Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege - als Mutter in Vollzeit. Delia Hurka weiß sich zu organisieren, hat Ideen. "Vorher waren immer die Ausgrabungen und die Museumsschau mein Ding", sagt die Kreisarchäologin, die aber auch Erfahrung mit Depotarbeit hat.

Den Schulen bietet sie Workshops an, mit den Universitäten will sie zusammenarbeiten

Eigene Ausgrabungen mache der Landkreis keine. "Das ist natürlich schade", sagt Delia Hurka, die jetzt aber gespannt darauf ist, was bei ihrer Arbeit entdecken wird: "Ich freue mich schon auf ein paar Schätze." Sie überlegt, "einen Fund des Monats in einer kleinen Vitrine unten im Landratsamt" vorzustellen. Als eine Art Miniausstellung. "Wir haben viele Metallfunde aber sicher nicht die zigtausend Euro, um ein Metalldepot aufzubauen", sagt Delia Hurka. Stattdessen richtet sie gerade einen Platz "für eine Kleinklimatisierung der Metallfunde" im Depot ein.

"Der Landkreis ist in der Verantwortung die Funde fach- und sachgerecht zu lagern", sagt sie, die auch den Kontakt zu privaten Grabungsfirmen und zu den Gemeinden pflegen wird. Neue archäologische Fundstellen im Landkreis zuerfassen gehört ebenfalls zu ihren Aufgaben. Bei der Auswertung der Fundstücke will sie mit den Universitäten zusammenarbeiten und Studenten Themen für ihre Bachelor- oder Masterarbeiten anbieten. Den Schulen im Landkreis möchte sie sich für Workshops zur hiesigen Archäologie zur Verfügung stellen. Kinder kämen bei Museumsführungen oft nicht aus der Steinzeit heraus, weil sie allein dazu schon so viele Fragen hätten, sagt Delia Hurka. "Und viele Leute können gar nicht glauben, wie fundreich diese Gegend hier ist".

Die Praktikerin mit Fachwissen war mal Gitarristin in einer mittelalterlichen Feenband

Die junge Kreisarchäologin geht es tatkräftig an, findet Wege: Die Winterjacke, das Pendeln, die kostengünstige Fundlagerung. Zum Ausgraben war sie in den vergangenen Jahren viel draußen: Körperliche Arbeit bei Wind und Wetter, da sind praktische Lösungen immer von Vorteil. Doch sie kann die Geschichtswissenschaft auch augenzwinkernd betrachten: Zu Studienzeiten spielte sie Waldzither und Akustik Bass in einer mittelalterlichen Feenband.

Die Mitglieder des Archäologischen Vereins haben in den vergangenen Jahrzehnten fleißig ausgegraben. Die Archäologin arbeitet nun mit ihnen zusammen - und das "klappt wunderbar", wie sie sagt. Die Dauerausstellung auf dem Dachboden bleibt Sache des Vereins. Klar könne man da einige Tafeln aktualisieren, sagt Delia Hurka - doch sie möchte sich nicht einmischen. Sie weiß, wie viel Herzblut darin steckt: "Die Vereinsmitglieder haben hier etwas über Jahrzehnte geschaffen, wo jeder auf seinen Bereich stolz ist."

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