Eching:Erdbeeren und Sauerkraut

Deutsch-indisches Austauschprogramm an der Realschule offenbart das Entstehen von Vorurteilen

Alexandra Vettori

Eching - Sie tragen keine Saris und es hat auch keiner einen Punkt auf der Stirn. Dass Vorurteile selten stimmen, das lernen nicht nur Echinger Realschüler, sondern auch 15 Teenager aus Indien, die für zwei Wochen zu Besuch sind.

Initiiert hat das Austauschprogramm zwischen der Imma-Mack-Realschule und der Sanskriti School in Neu-Delhi Rolf Schönwald, Lehrer für Musik, Sport und Theater. Bis 2004 arbeitete er sechs Jahre lang als Lehrer in Lima und hat dort Kontakte zum Goethe-Institut geknüpft, das den deutsch-indischen Schulaustausch fördert. Bei seiner Chefin Gertraud Weber rannte er mit seiner Idee offene Türen ein.

Wir treffen die Gruppe aus deutschen und indischen Mädchen und Buben im Alter von 14 bis 16 Jahren in der großen Aula in Eching. Sie studieren einen Bollywood-Tanz ein. Amyla und Yamini, zeigen, wie das geht, die anderen Mädchen machen mit. Davor standen erste Übungen für ein Improvisations-Theaterprojekt an.

Es geht um Vorurteile, so viel steht fest, der Rest entwickelt sich spätestens, wenn die Echinger Realschüler im Oktober nach Neu-Delhi fahren. Am Anfang sammelten sie ihre Vorurteile, was auf beiden Seiten für herzliches Gelächter sorgte. Immerhin: Sprachprobleme gibt es nicht, sobald man sich an den Dialekt des anderen gewöhnt hat, funktioniert es mit Englisch hervorragend.

"Inder trennen keinen Müll", Schlangenbeschwörer, bunte Klamotten, hübsche Frauen, Umweltverschmutzung, das sind Beispiele aus den deutschen Listen. Bei den Indern steht, die Deutschen seien "heavy meateaters", hätten viele Biersorten, äßen Sauerkraut, tränken viel Milch und Alkohol und seien keine Anhänger multinationaler Gesellschaften. Außerdem führen sie viel Rad.

Tatsächlich hat es die indischen Jugendlichen beeindruckt, dass man auch in die Schule radeln kann. Als Großstadtkinder einer besserverdienenden Schicht kommen viele mit dem elterlichen Auto, teils sogar mit Chauffeur, zur Schule. Die Tanzunlust des männlichen Geschlechts scheint dagegen multikulturell zu sein: Wie ihre deutschen Geschlechtsgenossen drücken sich auch die indischen Burschen, während die Mädchen schon Hände und Hüften kreisen lassen.

Adytia Das erzählt, dass er den Verkehr in Deutschland so super fände: "Besonders die Disziplin der Autofahrer, die ohne Polizei an Ampeln stehen bleiben."

Auch dass die Menschen hier so selbständig seien und alles so schön sauber und grün, habe ihn beeindruckt. Wenn das Essen nicht wäre. Damit tun sich die jungen Inder wohl schwer, auch wenn sie zu wohlerzogen sind, um das zu sagen. Arth Jain erzählt, er fände Bratwurst und Sauerkraut super, er sei aber im Gegenteil zu vielen seiner Mitschüler auch kein Vegetarier.

Anav schon. Er trete nicht mal auf ein Tier, sagt er, weil es für ihn Sünde sei. Allesamt aber loben sie die Gastfreundschaft der Deutschen. Die deutschen Jugendlichen ihrerseits sind von der indischen Höflichkeit beeindruckt. "Sie benutzen keine Schimpfwörter", erzählt Ramona. Die Interessen deutscher und indischer Jugendlicher ähneln sich dagegen: Facebook, Klamotten und amerikanischer Pop.

Rolf Schönwald erzählt dann noch eine Geschichte, die zeigt, wie Vorurteile entstehen. Im Vorfeld erkundigten sich die Echinger Gasteltern bei der Aschheimer Realschule, die bereits ein indisches Austauschprogramm hat, was die Inder gerne äßen. Die Antwort lautete: Erdbeeren. Nun kam es, dass sämtliche Echinger Austauschschüler mit Erdbeeren bedacht wurden. Eine indische Lehrerin, erzählt Schönwald lachend, habe ihm dann gesagt, dass sie ja gewusst hätten, dass die Deutschen gerne Fleisch äßen, "aber dass sie Erdbeeren so lieben, das wussten wir nicht".

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