E-Sports:Diesem Mann schauen Tausende beim Zocken zu

E-Sports: Thanh Tran an seinem Arbeitsplatz: Mehrere Stunden am Tag zockt der 27-Jährige ein Strategiespiel im Internet.

Thanh Tran an seinem Arbeitsplatz: Mehrere Stunden am Tag zockt der 27-Jährige ein Strategiespiel im Internet.

(Foto: Marco Einfeldt)

Thanh Tran spielt "Hearthstone" und überträgt das als Stream ins Internet. Für seine Leidenschaft hat er sogar seine Karriere als Bankkaufmann aufgegeben.

Von Florian J. Haamann

Thanh Tran verdient sein Geld beim Kartenspielen. Nicht im Casino am Pokertisch, sondern im Internet. Tran, 27, zockt ein digitales Kartenstrategiespiel und überträgt die Spiele live im Internet. Täglich schauen ihm weit mehr als 1000 Menschen zu - und viele von ihnen zahlen dafür. Tran, der sich "IamThanh" nennt, ist damit einer von unzähligen Streamern, so der offizielle Begriff, in Deutschland. Und er ist einer der erfolgreichsten.

Doch der Job bedeutet nicht nur viel Spaß, sondern ist - glaubt man Thanh Tran - vor allem harte Arbeit. "Streamer ist man den ganzen Tag. Wenn ich nicht online bin, mache ich mir Gedanken über neue Inhalte, verhandle mit Sponsoren, schreibe Konzepte, kümmere mich um Papierkram und bin über Facebook und Instagram ständig für meine Zuschauer erreichbar. Freizeit habe ich vielleicht fünf Stunden pro Woche", sagt Tran. Zum Job gehört auch, dass er möglichst jeden Tag Sport treibt. "Wenn ich fit bin, hilft mir das beim Spielen, ich bin dann fokussierter."

Das Spiel, das Tran zu seinem Beruf gemacht hat, heißt "Hearthstone". Dabei treten zwei Spieler mit einer Sammlung von 30 Karten, einem Deck, gegeneinander an. Ziel ist es, mit Kreaturen, die auf das Spielbrett gelegt werden, und Zaubersprüchen die Lebenspunkte des Gegners auf Null zu bringen. Das Ausspielen der Karten kostet Mana, das in jeder Runde begrenzt ist. "Ich beschreibe es immer als eine Mischung aus Schach und Poker, weil es strategische Elemente hat und durch Wahrscheinlichkeiten bestimmt wird." Denn beide Spieler starten mit einer begrenzten Zahl von Karten und ziehen zu Rundenbeginn einmal nach - was der Gegner auf der Hand hat, weiß man nicht.

Um seinen Traum vom Profi-Streamer zu verwirklichen, hat Tran vor knapp einem Jahr seine Festanstellung als Bankkaufmann aufgegeben. "Die Bank hat damals Stellen abgebaut, deswegen habe ich noch eine Abfindung bekommen. Also habe ich mir gesagt: Okay, ich probiere es. Und wenn es nicht klappt, kann ich mir immer noch eine neue Stelle suchen." Ein halbes Jahr hat er sich dafür Zeit gegeben. "Es gibt immer wieder Leute, die sagen, wie mutig das von mir war. Aber das stimmt nicht ganz, ich hatte ja kein Risiko. Wenn es nicht geklappt hätte, wäre es auf jeden Fall eine tolle Erfahrung gewesen."

Die Bereitschaft, sich so bedenkenlos auf das Wagnis einzulassen, hat auch viel mit der Familiengeschichte des 27-Jährigen zu tun. Seine Eltern sind als Gastarbeiter aus Vietnam in die DDR gekommen, kurz vor dem Fall der Mauer unter Zugsitzen versteckt in den Westen geflüchtet und in einem Asylbewerberheim in Karlsruhe gelandet. Dort wird dann auch der Sohn geboren. "Meine Eltern haben noch einmal komplett neu angefangen mit Flaschensammeln und Salatschneiden und sich hoch gearbeitet. Heute haben sie ein eigenes Unternehmen. Vielleicht hat mich das geprägt; zu wissen, was es bedeutet, wenn es einem wirklich schlecht geht. Und dass man in Deutschland keine Existenzängste haben muss", sagt Tran: "Ich kenne so viele Leute, die gerne etwas anderes machen würden als das, was sie tun. Aber sie trauen sich nicht. Ich verstehe das nicht."

Computerspiele waren schon immer ein wichtiger Teil von Trans Leben. Seit seiner Kindheit hat er alles gespielt, was er in die Finger bekommen hat, mit 17 hat er dann seinen ersten Stream gestartet. Auch während der Zeit in der Bank hat er in seiner Freizeit weitergemacht. "Ich habe mich jeden Abend hingesetzt und ein paar Stunden gespielt, dazu jedes Wochenende, jeden freien Tag." Und er hat gemerkt, dass es den Leuten gefällt. Schaut man sich heute eine seiner Übertragungen an, erkennt man schnell, wieso das so ist. Permanent erklärt er seine Spielzüge, damit seine Zuschauer etwas lernen können, geht auf ihre Fragen im Chat ein, lässt sie an allen Emotionen teilhaben. Egal, ob er sich über einen misslungenen Zug ärgert oder über eine gelungene Kombination freut. Dazu scherzt er über die "Germanischen Eigenheiten" seiner Landsleute.

"Viele Leute glauben, ich lebe am Existenzminimum"

Er erzählt viel aus seinem Leben, von seiner Leidenschaft fürs Essen und von seiner Freundin "Kitty", mit der er vor wenigen Wochen von Karlsruhe nach Hallbergmoos gezogen ist, weil sie eine Stelle am Flughafen gefunden hat. "Ich glaube, das Menschliche und die Interaktion sind extrem wichtig. Das Schwerste an meinem Job ist der Umgang mit der Community. Ich muss beim Spielen hoch konzentriert sein, um auf einem hohen Level mitzuhalten und gleichzeitig auf die Leute eingehen. Wenn man das jeden Tag mehrere Stunden macht, ist das natürlich sehr anstrengend." Dennoch sei es für ihn selbstverständlich. Weil ihm bewusst ist, dass er auch davon lebt, dass ihm Menschen einen Teil ihres Gehalts oder Taschengelds geben.

Denn jeder Zuschauer kann seinen Kanal abonnieren, freiwillig allerdings, denn sehen kann man ihn auch, ohne zu zahlen. Fünf Euro kostet so ein Abo im Monat, gut die Hälfte davon bekommt Tran. Der Rest bleibt bei der Streaming-Plattform. Aktuell hat er 1250 Abonnenten. Das ist allerdings nicht seine einzige Einnahmequelle. In seinen Übertragungen läuft auch klassische Werbung. Dazu kommen Spenden, Sponsoren und Engagements als Moderator von Hearthstone-Events. Zudem ist er Teil des Streamer-Teams "Flow E-Sports", durch das er noch einmal eine fixe Summe im Monat bekommt. "Viele Leute glauben, ich lebe am Existenzminimum, weil sie keine Vorstellung davon haben, was man erreichen kann, wenn man sich engagiert."

Zumal die E-Sports-Branche - von der Öffentlichkeit weitgehend unbeachtet - momentan massiv wächst, sowohl von den Zuschauerzahlen als auch von den Umsätzen. Alleine Hearthstone hat weltweit 70 Millionen Nutzer, es gibt eine professionelle Szene mit hauptberuflichen Spielern, Mannschaften, Turnieren, wachsenden Preisgeldern. Sorgen um seine Zukunft macht sich Thanh Tran deshalb nicht. Selbst wenn Hearthsone in einigen Jahren an Bedeutung verlieren sollte, sieht er sich gut aufgestellt. "Ich nehme momentan jede Erfahrung mit, die ich machen kann, und baue mir viele Standbeine auf." Wichtig sei, dass man sich nicht einschränke. "Vielleicht werde ich irgendwann hauptberuflicher Kommentator oder Manager eines E-Sport-Teams."

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