Dritte Startbahn:Postkarten aus dem Erdinger Moos

Die heiße Phase der Mobilisierung hat begonnen. In sechs Wochen stimmen die Münchner über die dritte Startbahn ab. Welchen Vorteil die Befürworter haben und auf was welche Strategie die Gegner setzen.

Marco Völklein

Gut 1000 Plakate hat das Bündnis für den Bau der dritten Startbahn am Flughafen bereits geklebt. In den kommenden Wochen werden sich die Plakate der Ausbaugegner dazugesellen. In nur noch sechs Wochen, am 17. Juni, stimmen die Münchner über den Bau der vier Kilometer langen Betonpiste im Erdinger Moos ab. Bis dahin planen beide Seiten umfangreiche Werbe- und Wahlkampfaktionen, um ihre Anhänger zu mobilisieren. Denn die große Befürchtung auf beiden Seiten ist, nicht genügend Menschen zur Stimmabgabe bewegen zu können - und somit das Quorum von etwa 34.000 Stimmen für oder gegen den Ausbau nicht zu packen.

Dritte Startbahn: Richtungsentscheidung: Am 17. Juni wird abgestimmt, ob der Flughafen eine dritte Startbahn bauen darf.

Richtungsentscheidung: Am 17. Juni wird abgestimmt, ob der Flughafen eine dritte Startbahn bauen darf.

(Foto: Marco Einfeldt)

Daher haben sich beide Seiten einiges ausgedacht, um die Münchner aufzurütteln. Das Aktionsbündnis "Aufgemuckt", in dem überwiegend Bürgerinitiativen aus den Landkreisen Erding und Freising engagiert sind, will an den drei Tagen vor dem 17. Juni im Hofgarten eine Art Protest-Camp errichten. "Occupy Staatskanzlei" nennt sich die Aktion. Die Aktivisten wollen versuchen, mit den Münchnern ins Gespräch zu kommen, und sie wollen Musik- und Künstlergruppen bitten, Programm zu machen.

Derzeit verhandelt Aufgemuckt-Sprecher Hartmut Binner noch mit den Behörden über den genauen Standort für die Aktion. Direkt vor dem Amtssitz des Ministerpräsidenten - wie eigentlich geplant - darf man sich nicht niederlassen; auf die andere, dem Lehel zugewandte Seite des Franz-Josef-Strauß-Rings wollte das Bündnis sich nicht verweisen lassen. Binner hat nun eine Wiese im Hofgarten mit Blick auf die Rückseite der Staatskanzlei im Visier. Am Montag wird darüber mit der Schlösser- und Seenverwaltung, der der Hofgarten untersteht, mit Polizei und Kreisverwaltungsreferat verhandelt. Für Binner ist klar: "Wir machen das auf jeden Fall. Da wird nicht gebettelt." Auch eine solche Form des Protests "ist unser Bürgerrecht", sagt er.

Geplant ist außerdem eine Postkarten-Aktion, mit der sich die von den Ausbauplänen Betroffenen aus dem Airport-Umland direkt an die Münchner wenden wollen. Die Idee dahinter: Wegen der rechtlichen Konstruktion des Bürgerentscheids dürfen die Menschen in Erding, Freising, Berglern und anderswo nicht abstimmen. Sie sollen sich in persönlichen Gesprächen und über das Internet (unter www.meine-münchner-stimme.de) quasi "Paten" im Münchner Stadtgebiet suchen, die im Sinne der vor Ort Betroffenen votieren. "So wollen wir den Solidarisierungseffekt nutzen", sagt Aufgemuckt-Sprecherin Helga Stieglmeier.

Entwickelt haben die Idee drei Aktivisten aus der Bürgerinitiative Fahrenzhausen, westlich von Freising. Für Stieglmeier ist das ein Beispiel, "wie wir mit unserer Kreativität die Leute überzeugen wollen". Das soll auch finanzielle Nachteile ausgleichen. Der Flughafen hat eine Million Euro bereitgestellt, um die Pro-Ausbau-Kampagne zu unterstützen. Die Agentur Heller & Partner aus Bogenhausen plant und organisiert sie. Das Budget der Ausbaugegner umfasst nach eigenen Angaben etwa 60.000 Euro. Zuletzt seien weitere 10.000 Euro an Spenden hinzugekommen, sagt Münchens Grünen-Chefin Katharina Schulze. Aufgemuckt wird weitere 5000 Euro zuschießen. "Auf der anderen Seite mag das Geld sein", sagt Stieglmeier, "aber auf unserer Seite ist die Begeisterung und das Engagement."

Auf das Engagement der Parteimitglieder von SPD, CSU und FDP setzen allerdings auch die Ausbaubefürworter. Mit zwei "Themenveranstaltungen" zu Arbeitsplätzen und Tourismus will das Pro-Bündnis seine Anhängerschaft mobilisieren. Zudem werde man in den kommenden Wochen an zahlreichen Infoständen präsent sein, kündigt Sprecher Maximilian Böltl an. In Zeitungsanzeigen und mit neuen Plakatmotiven will man zudem auf den Abstimmungstag hinweisen und dazu animieren, die Briefwahl zu nutzen. Offen ist noch, ob auch die Infoscreen-Bildschirme in der U-Bahn oder Plakate an Tram- und Bushaltestellen gebucht werden. Kinospots "wird es definitiv nicht geben", sagt Böltl.

Solche Spots plant indes das Münchner Contra-Bündnis, dem unter anderem Grüne, Freie Wähler, Linke, ÖDP, Piraten, Bund Naturschutz und Attac angehören. Auch die Infoscreen-Angebote wollen sie nutzen. An Infoständen sollen Mitglieder der Parteien und Organisationen vom 12. Mai an samstags in den Stadtvierteln die Münchner ansprechen. Zudem will das Bündnis flächendeckend Plakate kleben. Bislang hängen lediglich in der Innenstadt einzelne Plakate, die genutzt werden konnten, nachdem die Grünen ihre Foren zur Oberbürgermeister-Wahl absagen mussten.

Großplakate an Bahnstrecken oder Straßen planen beide Seiten nicht. Vielmehr betonen sie, "keine Materialschlacht" führen zu wollen - die Pläne zeigen aber, dass sie sehr wohl intensiv um die Münchner werben werden. Den letzten Mobilisierungsschub erhoffen sich die Befürworter von einer Abschlussveranstaltung kurz vor dem 17. Juni. Ort und Zeitpunkt stünden noch nicht fest, sagt Böltl. Auch bei den Ausbaugegnern wird noch diskutiert, ob, wann und wo eine Abschlussveranstaltung stattfinden wird.

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