Dritte Startbahn:Ortsteile unbewohnbar

Beim Prozess gegen den Flughafenausbau betonen Freisinger Vertreter, wie sehr die Stadt in ihrer Entwicklung eingeschränkt ist - in Pulling, Attaching und Achering könnte man praktisch nicht mehr leben

Von Johann Kirchberger

Flughafen München

Zu laut werden die Flieger mit einer dritten Startbahn in großen Bereichen der Stadt Freising.

(Foto: Marco Einfeldt)

Die Stadt Freising sieht sich in ihrer Siedlungsentwicklung und Bauleitplanung durch die Realisierung einer dritten Startbahn erheblich beeinträchtigt. Im Norden der Bannwald, im Westen die Hochschuleinrichtungen und der Flughafen im Süden würden die Entwicklungsmöglichkeiten enorm einschränken, trug Stadtdirektor Gerhard Koch am Dienstag vor dem Verwaltungsgerichtshof in München vor. Dazu käme noch der geplante Regionale Grünzug im Norden zur Frischluftversorgung der Landeshauptstadt. "Wo sollen wir uns da noch entwickeln?", fragte Koch. Er müsse daher die Behauptung im Planfeststellungsbeschluss, die Stadt habe auch mit der dritten Startbahn noch ausreichend Wachstumspotenzial, scharf zurückweisen.

"Massivst betroffen", seien von einer dritten Startbahn die Ortschaften Achering, Pulling und Attaching, sagte er, aber auch das übrige Stadtgebiet werde beeinträchtigt. So betrage die Entfernung vom westlichen Startbahnkopf zum Marienplatz gerade einmal 3800 Meter - die Flughafen GmbH (FMG) korrigierte später auf 4600 Meter. Werde die Abflugroute Nord-West wie vorgesehen in einem 15-Grad-Winkel beflogen, passierten die Flugzeuge den Bereich zwischen Molkerei und Schlüterhallen "nur zwei Kilometer vom Marienplatz entfernt", so Koch.

Auch Gerhard Steger, der die Stadtentwicklungsplanung (STEP) der Stadt vorantreibt, sprach als Sachbeistand von "deutlich höheren" Auswirkungen der Startbahnplanung, als im Planfeststellungsbeschluss angegeben. Die bauliche Entwicklung sei erheblichen Restriktionen ausgesetzt, wertvolle Flächen seien wegen des zu erwartenden Lärms tabu. Der gesamte Freisinger Süden müsse umstrukturiert werden, ergänzte Koch, "eine unorganische Entwicklung ist programmiert". Der Stadt fehle eine Gesamtbetrachtung des Problems, schließlich gelte es auch noch, Verkehrsprobleme zu lösen, die im Zusammenhang mit der Flughafenerweiterung stünden: "Wir fühlen uns mit unserem Problemen allein gelassen, sagte Koch. Die Verursacher zeigten nur die Probleme auf, trügen aber nichts zu deren Bewältigung bei. Mit dem bestehenden Zwei-Bahnen-System habe sich die Stadt arrangiert, so Koch, "wir haben aber nie gedacht, einmal mit einer dritten Bahn konfrontiert zu werden". Die "Vorhabenträger", sprich die FMG, müssten auf die Stadt Rücksicht nehmen, sagte er, und nicht umgelehrt.

Einige Widersprüche verdeutlichte Gerhard Steger. So fände es die Regierung von Oberbayern in Ordnung, wenn die Flughafenanwohner einem Dauerschallpegel von 60 Dezibel ausgesetzt würden. Bei Bauleitplanungen setze sie allerdings 55 Dezibel als Höchstgrenze fest. Wenn in Bereichen über 55 Dezibel keine Kindergärten und Schulen mehr errichtet werden dürften, dann könne man dort auch nicht mehr wohnen, so Steger. Die Belastung von Achering, Pulling und Attaching sei nach seinen Ausführungen so stark, dass man dort nicht mehr wohnen könne. Zudem erwarte er, dass die Lärmbelastung im gesamten Stadtgebiet durch den Bau der Startbahn um etwa fünf Dezibel steigen werde.

Am Nachmittag versuchte Rüdiger Jürgens vom städtischen Tiefbauamt etwas ungeschickt die Freisinger Verkehrsprobleme vorzutragen, ohne dabei die Folgen des Startbahnbaus herauszuarbeiten. Unter anderem hatte er erläutert, dass auf der Kreisstraße FS 44 im Jahre 1989 nur 5350 Fahrzeuge am Tag gezählt worden seien, im Jahre 2012 aber mehr als 19 000. Dass der Verkehr durch die dritte Startbahn weiter zunehmen werde, sei wohl unstrittig, unterstützte ihn Freisings Anwalt Joachim Kraus, eine Steigerung um 14 Prozent prognostizierte er. Mehr punkten konnte Stadtdirektor Koch bei Richter Allesch, als er ihm den Bebauungsplan Freising-Süd/Hallbergmoos-Nord vorlegte, einen Landschaftsplan, in den die dritte Startbahn unmittelbar eingreife. Mit diesem Plan, der 2001 von der Regierung von Oberbayern genehmigt worden sei, habe die Stadt einen Puffer zwischen Autobahn und Flughafen schaffen wollen. Man habe versucht, so Koch, die "traditionellen Landschaftselemente" zu bewahren und die bestehende Mooslandschaft zu erhalten. Nun solle in diesem Bereich eine Straße verlegt, Aufschüttungen vorgenommen und Ausgleichsflächen eingelagert werden. Ein grober Eingriff in die Planungshoheit der Stadt, die auch Allesch äußerst schwerwiegend empfand. Auf den Einwand von Flughafenanwalt Volker Gronefeld, im Planfeststellungsbeschluss seien die Belange dieses Bebauungsplans abgewogen worden, sagte Allesch, "sie können einen gültigen Bebauungsplan aber nicht wegwägen".

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