Diskussionskultur:Ohne Schaum vor dem Mund

Der Religionslehrer Josef Epp ruft zu mehr Sachlichkeit in der Flüchtlingsdebatte auf

Von Clara Lipkowski, Moosburg

Er wolle endlich einmal die Fakten auf den Tisch legen, sagte Josef Epp, Religionslehrer und Klinikseelsorger, bei einem Vortrag am Mittwochabend im Moosburger Pfarrheim. Denn in der Debatte um Flüchtlinge kursierten derzeit viele Ungenauigkeiten, die es zu klären gebe. Und davon nahm Epp sich an diesem Abend einige Beispiele vor.

Er war vom Pfarrverband und der Initiative Integratives Leben in Moosburg eingeladen worden. Zum Thema "Sprachlich abrüsten, bitte nicht hetzen!" führte er lebhaft und eloquent seine Ansichten vor 35 Zuhörern im Pfarrsaal aus. Vor allem redete er über sprachliche Genauigkeit und christliche Werte im Umgang mit Flüchtlingen in Deutschland. "Alle sprechen immer von einer Flüchtlingskrise in Deutschland", sagte er. "Ich weigere mich, es Flüchtlingskrise zu nennen, denn die Krisen sind dort, wo die Flüchtlinge herkommen und nicht hier." Außerdem könne man nicht von einer Flut an Flüchtlingen sprechen, als seien sie eine Naturkatastrophe wie die Simbacher Springflut. Vielmehr flüchteten Menschen aus unterversorgten Lagern im Libanon oder der Türkei dorthin, "wo es etwas zu essen gibt". Da sei es eine christliche Selbstverständlichkeit, humanitäre Hilfe zu leisten.

Man solle auch den Begriff des Wirtschaftsflüchtlings überdenken, empfahl Epp den Zuhörern. Zwar sei nicht jeder Flüchtling ein guter Mensch, aber wenn man sich klar mache, dass nach Unicef-Angaben in Afrika derzeit täglich 16 000 Kinder an den Folgen von Armut sterben, könne man nicht abstreiten, dass viele Menschen nicht als "Schmarotzer" flüchteten, sondern um zu überleben. Daraus ergebe sich eine Herausforderung, der sich niemand entziehen könne. "Wir sitzen alle im selben Boot, weil wir für viele globale Konflikte und Armutsstrukturen mitverantwortlich sind." Ein Beispiel sei der Coltanabbau in Afrika, der unter unmenschlichen Zuständen stattfinde, aber von europäischen Konzernen betrieben werde, etwa für die Produktion von Smartphones.

In der anschließenden Diskussion ging Epp auch auf den Islam ein. "Die Frage, ob der Islam zu Deutschland gehört, ist hinfällig", sagte er, "da mehr als fünf Millionen Muslime hier leben und damit einfach zur Bevölkerung gehören". Christen sollten sich dem nicht verschließen, sondern sich damit auseinandersetzen. Dass immer mehr Menschen gegen Flüchtlinge hetzten, erklärte Epp mit Angst vor Fremden. "Dabei ist Fremdheit eine Grundbestimmung von uns Menschen", sagte er. Schon immer seien Menschen als Fremde in andere Länder gegangen, als Vertriebene nach dem Zweiten Weltkrieg oder als Gastarbeiter. Daher appellierte er an die Zuhörer: "Wir müssen stets unsere Regeln und unser Verhalten auf den Prüfstand stellen und ohne Schaum vor dem Mund fragen: Kann ich das verantworten?"

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