Diskussion mit der Jugend:Für jeden was dabei

Die Kernaussagen der neun Direktkandidaten, die am Sonntag zur Wahl antreten, unterscheiden sich vor allem beim Thema Migration, bei Obergrenzen für Flüchtlinge und in der Außenpolitik. Einig sind sich alle, dass Bildung und Digitalisierung besser werden müssen.

Von Tobias Weiskopf, Freising

Vom Amtsinhaber zu den Herausforderern, von den erfahrenen Politikern zu den Neulingen, von der einen zur anderen Partei. Neun Direktkandidaten haben sich am Freitag bei einer Diskussionsveranstaltung des Kreisjugendrings den Fragen der Jugendlichen gestellt und um die Stimmen der Jung- und Erstwähler geworben. Eine Zusammenfassung der wichtigsten Statements.

Der aktuelle Bundestagsabgeordnete Erich Irlstorfer (CSU) resümierte zunächst die Errungenschaften seiner ersten Legislaturperiode und fand: "Ich habe eine ordentliche Arbeit gemacht." Spezialthemen des ehemaligen AOK-Außendienstmitarbeiters sind Gesundheit und Pflege. Gerade in Hinblick auf die jungen Zuhörer sagte der Abgeordnete, dies sei kein Thema nur für ältere Leute, sondern ein Zukunftsthema, das durch den demografischen Wandel besondere Präsenz erfordere. Am Herz lägen ihm auch ordentliche Ausbildungsverhältnisse sowie eine gute Bildung. Irlstorfer musste sich auf die Frage eines jungen Mannes auch dazu äußern, weshalb er im Bundestag gegen die Ehe für alle stimmte. Die SPD habe das Thema über 30 Mal vertagt, erklärte dieser, da der Justizminister eine Grundgesetzänderung für erforderlich hielt. Letztendlich habe man kurz vor der Wahl doch abgestimmt, dich die eigentliche Sache sei unter den Tisch gefallen. Zum anderen sei es in Ordnung, gleichgeschlechtliche Paare verheiratet zu nennen, nicht aber, sie unter den Begriff Ehe zu stellen. Übrigens hätten auch Reinhold Reck (ÖDP), Thomas Neudert (FDP) und Johannes Huber (AfD) gegen das Gesetz gestimmt.

Für Robert Weller (Freie Wähler) kommt es bei der Wahl nicht auf die Fünf-Prozent-Hürde an, denn auch wenn drei Direktkandidaten einer Partei gewählt werden, ziehen diese in den Bundestag ein. Die Freien Wähler seien in Bayern stark, die Bürgermeister und Landräte machten gute Politik und deshalb sehe er, so Weller, eine Chance für den Bundestag. Er appellierte an die Menschen, sich für einen sympathischen Kandidaten zu entscheiden, denn es sei nicht egal, wer einen in Berlin vertrete. In Sachen Migration sprach er sich klar gegen die Obergrenze aus, stellte aber klar: "Flüchtling ist nicht gleich Flüchtling!" Man brauche eine gerechtere Verteilung in ganz Europa und die UN stärkerer Mandate.

Auf die Agenda geschrieben hat sich das Thema auch Reinhold Reck (ÖDP). Als Asylsozialberater konnte er seine Argumentation stark auf seiner beruflichen Erfahrung aufbauen. Mit Mauern und Zäunen könne man Menschen nicht aufhalten und die Probleme nicht lösen. Es sei notwendig, langfristig zu denken. Hier gehe es aber auch viel weiter. "Wenn alle so leben wie wir, bräuchte man drei Erden", sagte Reck und forderte, den Raubbau zu beenden und Kindern, Enkeln und folgenden Generationen eine lebenswerte Erde zu hinterlassen. Außerdem möchte er eine Politik ohne Großspenden.

Auch Kerstin Schnapp (Grüne) konnte bei den jungen Menschen besonders mit den Themen Umwelt und Außenpolitik punkten. Die Grünen seien die einzige Partei, die auf allen Ebenen, von der Kommune bis zum Bund, entschieden gegen eine dritte Startbahn eintrete. Auch den Klimawandel gebe es zu bekämpfen, und zwar jetzt, denn "wir sind die erste Generation, die etwas spürt und die letzte, die etwas tun kann." In Hinblick auf die Konflikte in den Herkunftsländern der Flüchtlinge sagte Schnapp: "Das Beste ist, wenn man da leben kann, wo man daheim ist." Da das derzeit oft nicht möglich sei, müsse man Fluchtursachen bekämpfen. Das beginne bei der Wirtschaft, indem man beispielsweise die Subventionen von Tiefkühlhühnchen stoppe oder an Saudi-Arabien keine Waffen mehr liefere. Und bis Veränderungen spürbar werden, komme man an humanitärer Hilfe - zu der auch ein Recht auf Asyl gehöre - nicht vorbei. Da klatschten dann nicht nur die Zuschauer sondern auch einige Kandidaten aus der Runde.

Einer von ihnen: Andreas Mehltretter (SPD), der einigen Stimmen zufolge am Abend auf "Kuschelkurs" mit den Grünen ging, denn er zeigte sich häufig einer Meinung mit Schnapp. So auch beim Thema Migration. Man müsse vor Ort Hilfe leisten und legale Fluchtwege schaffen. Aber auch bei anderen Fragen der Jugendlichen konnte Mehltretter punkten. Er sehe sich als Interessenvertreter der jungen Leute und forderte, politisch in die Zukunft zu blicken. In der Vergangenheit habe es dahingehend kaum Investitionen gegeben. Deshalb müsse man in Sachen Glasfaser, Energie und Bildung endlich etwas anstoßen. Auch zu seinen Zielen gehöre das BAföG besser zu machen und bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Aber schon in der vergangen Legislaturperiode habe die SPD mit neuen Gesetzen wie dem Mindestlohn und Arbeitsrechtsreformen Verbesserung erwirkt.

"Ihr seid die Zukunft", sagte Thomas Neudert (FDP) zu den jungen Zuhörern und sah sich selbst als Anwalt der Jugendlichen. Wie Mehltretter räumte er Bildung und Digitalisierung besonderen Stellenwert ein. Da Kinder mit neuen Medien aufwüchsen, müsse man die Lehrerausbildung anpassen und verbessern. Beim Umweltschutz setzte Neudert auf mündige Verbraucher. Auch Vorschriften wie bei den Plastiktüten, die inzwischen 20 Cent kosten, erwirkten ein Umdenken und neues Handeln. Grundsätzlich setzte er auf kreative Ansätze und neue Ideen. Zum Thema Flüchtlinge kritisierte Neudert die Schlepper. Man müsse sie davon abhalten und beginnen, die Probleme vor Ort zu lösen. In Sachen Rente und demografischer Wandel kritisierte er vor allem die SPD mit einer starren Rente ab 63. Neudert möchte die Altersvorsorge flexibilisieren und ein modernes Einwanderungsgesetz, um der alternden Bevölkerung und fehlenden Fachkräften entgegenzuwirken.

Auch Guido Hoyer (Linke) möchte einiges verändern, vor allem endlich soziale Politik in Deutschland machen. Das beginne damit, junge Leute im Praktikum richtig zu bezahlen oder Befristungen abzuschaffen. Aber auch die kleinen Renten seien nicht zumutbar, "das kann nicht sein", sagte Hoyer. Außerdem kritisierte er den Bildungsföderalismus in Deutschland. Zudem solle Deutschland aus der NATO austreten, die Regierung müsse friedliche Politik weltweit betreiben. Größtes Argument am Abend dafür war, dass Libyen von deutschen Verbündeten zerstört wurde, die die Probleme vor Ort nicht lösen konnten, weshalb es unabdingbar sei, auf Waffenexporte und Auslandseinsätze zu verzichten. Angesichts der hitzigen Debatte zum Thema fragte Hoyer in die Runde: "Sind wir hier beim Poker, oder geht's darum, den Leuten zu helfen?"

Johannes Huber (AfD) setzte sein Ausrufezeichen hinter die fehlende Mitbestimmung und den Ruf nach mehr direkter Mitbestimmung. "Bei der Grenzöffnung oder der Bankenrettung ist niemand gefragt worden", sagte er. Deshalb brauche es bundesweite Volksabstimmungen, um Korrekturen anzubringen. Den Jugendlichen gab er den Rat auch zu rebellieren, sich nicht bevormunden zu lassen. Den menschengemachten Klimawandel betrachtete Huber als vernachlässigbar.

Das passte vor allem Reinhold Deuter (Piraten) nicht: Kohlenstoffdioxid steige kontinuierlich an. Der größte Faktor sei der Mensch, nicht die Sonne. Sonst positioniert der Pirat seine Partei vor allem als Partei des digitalen Wandels. Es kämen positive und negative Auswirkungen auf Deutschland zu, beispielsweise das autonomen Fahren, das auch Wegfallen von Jobs bedeute. Deshalb braucht es laut Deuter ein Grundeinkommen.

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