Die Ersten haben sich schon aufgelöst:Ausgedient

Zentrale Gedenkfeier der Stadt zum Ausbruch des 1. Weltkriegs, beim Kriegerdenkmal bei der Kirche St. Jakob im Stadtteil Vötting werden Kränze niedergelegt

Bei den Kriegerjahrtagen - hier vor der Kirche in Vötting - wird an die Toten der Weltkriege erinnert und zum Frieden gemahnt.

(Foto: Florian Peljak)

Weil die alten Mitglieder sterben und der Nachwuchs fehlt, blicken viele Krieger- und Soldatenvereine mit Sorge in die Zukunft. Manche schließen sich zusammen, andere setzen auf eine Umbenennung.

Von Simon Bauer, Freising

Krieger- und Soldatenvereine (KSV) haben eine lange Tradition. Nach Kriegsende übernahmen sie die Funktion früher Sozialvereine und halfen Kriegsheimkehrern, traumatische Erlebnisse zu verarbeiten. Heute gilt als oberstes Ziel die aktive Friedensarbeit. Die Opfer und Vermissten der Weltkriege werden durch Kriegerjahrtage und Denkmäler geehrt. Der "Volksbund deutsche Kriegsgräberfürsorge" wird durch Spendensammlungen unterstützt, verstorbene Kriegsteilnehmer und Vereinsmitglieder werden würdig beerdigt. Dennoch stehen viele Krieger- und Soldatenvereine vor dem Aus, obwohl neben einstigen und aktiven Soldaten, Ungediente und mittlerweile auch Frauen Mitglieder werden können.

Die ersten Ortsverbände sind schon aufgelöst

Im Landkreis Freising gab es bereits die ersten Auflösungen, darunter der KSV Freising Stadt. Die Ursachen: Mitgliederschwund und Mangel an Nachwuchs. "Wir sterben buchstäblich aus", beschreibt Norbert Hoerpel die derzeitige Situation des KSV Neufahrn, in dem er Vorsitzender ist. "In den 90er Jahren hatten wir noch etwa 250 Mitglieder hier in Neufahrn, mittlerweile sind es nur noch 75. Davon ist die Hälfte über 70 Jahre alt, die jüngsten Mitglieder sind um die 40", berichtet Hoerpel.

"Wir brauchen dringend Leute, die sich bei uns engagieren wollen. Für eine Gemeinschaft, in der Krieg nicht verherrlicht wird, sondern die die Leute davor warnen soll, dass sich Geschichte niemals wiederholen darf", betont Hoerpel. "Doch dazu sind in Deutschland leider wenige Leute wirklich bereit." Im direkten Vergleich zeigt sich ein Unterschied zwischen den Vereinen auf dem Land und in der Stadt. Am Land und in kleineren Gemeinschaften können Traditionen oft einfacher bewahrt werden, anders als in größeren Städten mit einer Vielfalt an Vereinen. "In einer kleinen Stadt wie Neufahrn ist es viel schwieriger, einen solchen Traditionsverein zusammenzuhalten", betont Hoerpel. Er sieht jedoch auch keinen Sinn in einer Umbenennung, "nur um den Verein ein wenig länger halten zu können".

Die Hallbergmooser Alternative: ein neuer Name

Karl-Heinz Zenker war bis zum Jahr 2013 zweiter Vorsitzender und Schriftführer des Krieger- und Soldatenvereins Hallbergmoos - und er hat einen anderen Weg gewählt. "Damals habe ich meinen Vereinskollegen gesagt, dass ich nicht weitermache, wenn der bisherige Kurs beibehalten wird." Eine Umbenennung und Neuorientierung sei nötig gewesen, um das Bestehen für die Zukunft zu sichern. Für Zenker, der selbst 33 Jahre Berufssoldat war, hat die klassische Form des Krieger- und Soldatenvereins keine Zukunft.

Das Beerdigen ehemaliger Kriegsteilnehmer sei in "vier bis fünf Jahren endgültig abgeschlossen", so Zenker. Vier lebende Soldaten des zweiten Weltkriegs seien noch Mitglied in Hallbergmoos, alle zwischen 90 und 98 Jahre alt. Soldatennachwuchs unter den jüngeren Generationen gebe es seit der Aussetzung der Wehrpflicht vor fünf Jahren kaum noch. Die Zahlen zeigen es: Auf etwa 460 Einwohner kommt heutzutage ein Soldat, die Zahl von ursprünglich 650 000 Bundeswehr- und ehemaligen nationalen Volksarmeesoldaten ist auf 177 000 gesunken.

Heimatgeschichte im Vordergrund

In Hallbergmoos erfolgte schließlich die Umbenennung in "Heimat- und Traditionsverein". Von diesem Zeitpunkt an rückten die Heimatgeschichte und deren Aufarbeitung in den Vordergrund. Und tatsächlich scheint seitdem neuer Wind in die von Zenker gestrafften Vereinssegel zu wehen. "Einundfünfzig neue Mitglieder durften wir bei uns aufnehmen, darunter überwiegend Frauen", freut sich der Heimatkundler. Zusätzlich versucht er aktuell, durch Geschichtsarbeit in Schulklassen Jüngeren die Auseinandersetzung mit geschichtsorientierten Themen schmackhaft zu machen. "Über ein Patentrezept für die Jugend wäre aber nicht nur ich wirklich froh, denn das Problem zieht sich durch alle Vereine", betont Zenker.

Otto Radlmeier, Vorsitzender des Dreiortschaften-Vereins KSV Massenhausen-Fürholzen-Hetzenhausen, ist mit aktuell 144 Mitgliedern einer der Spitzenreiter im Landkreis. "Ich sehe den Zusammenschluss auf Gemeindeebene als eine gute Lösung für die Zukunft", so Radlmeier. Außerdem habe er in der Organisation von Informationsveranstaltungen und Seminaren zu geschichtlichen Themen - etwa der Filmvorführung von "Als der Luftkrieg in unsere Heimat kam" - eine gute Lösung zur Gewinnung neuer Interessenten gefunden. So habe mit großem Erfolg das Geschichtsbewusstsein der Leute angesprochen werden können. Radlmeier betont jedoch, dass es kein Patentrezept gebe, um die Jugend zu gewinnen. Das bleibe eine Herausforderung. Als zweiter Vorsitzender des Kreiskrieger- und Soldatenverbandes Freising hat Radlmeier auch einen Überblick über die generelle Situation. Massenhausen-Fürholzen-Hetzenhausen verkörpere mit seinen seit Jahren konstanten Mitgliederzahlen nicht die Regel, sagt er: "Es gibt viele Vereine, die deutlich mehr zu kämpfen haben als wir."

Ernst Kugler, Altvorstand und Ehrenmitglied des Kreiskrieger- und Soldatenverbands Freising, dem insgesamt 58 der Vereine im Landkreis angehören, sieht hingegen keine Gefahr für den Fortbestand des klassischen Krieger- und Soldatenvereins. In den vergangenen 25 Jahren seien nur einige wenige Vereine aus dem Verband ausgeschieden, meist durch "Auflösung und natürlichen Mitgliederschwund". Der Kriegerverein Freising Stadt gehöre dazu. Kugler betont, dass sich alle im Verband schon früh auf die Situation umgestellt hätten und eine konstante Mitgliederzahl halten könnten - auch, weil der Beitritt von Frauen und Ungedienten schon mit den Ursatzungen der Vereine möglich gewesen sei, so der Altvorstand. Kugler persönlich sieht daher auch keine Notwendigkeit für eine allgemeine Neuorientierung der Kriegervereine. Das sei "Sache der einzelnen Vereine".

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