Beunruhigende Entwicklung:Der Flüchtlingsstrom reißt nicht ab

Der Druck auf den Landkreis Freising bei der Flüchtlingsproblematik steigt. Pro Woche müssen jetzt 48 Asylbewerber untergebracht werden. Josef Hauner fürchtet, dass die Turnhallen auch nach den Ferien noch belegt sein könnten.

Von Peter Becker, Freising

Der Regierung von Oberbayern gelingt es immer wieder, Landrat Josef Hauner (CSU) zu schockieren. In der Kreisausschusssitzung am Dienstag der vergangenen Woche traf unvermittelt die Nachricht ein, dass der Landkreis Freising wenige Tage später 200 Flüchtlinge unterbringen müsse. Dies geschah in der Moosburger Realschulturnhalle. In der Kreistagssitzung an diesem Donnerstag hatte Hauner den Kreisräten die neueste Hiobsbotschaft zu vermitteln.

Statt 37 Flüchtlingen pro Woche muss der Landkreis nach aktueller Anweisung der Regierung 48 Asylbewerber unterbringen. Dazu kommen noch 70 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, zehn pro Woche in den nächsten sieben Wochen. Der Kreistag beschloss daher einstimmig einen Nachtragshaushalt. Die darin enthaltenen Geldmittel sollen dem Bau von Sammelunterkünften dienen. Gleichzeitig sollen 23 neue Stellen zur Betreuung der Flüchtlinge entstehen.

Immer wenn es scheint, das Gröbste sei geschafft, gibt es neue Zuweisungen

Die Zahlen, die Werner Wagensonner von der Sozialverwaltung des Landratsamts vorstellte, wirken alles andere als beruhigend. Die Bemühungen der Behörde, den Neuankömmlingen Unterkünfte bereit zu stellen, gleichen dem Wettlauf zwischen Hase und Igel: Immer wenn es scheint, dass das Gröbste geschafft ist, sieht sich das Landratsamt mit erneuten Zuweisungen und Quotenerhöhungen konfrontiert. Derzeit heißt es noch, dass der Landkreis bis zum Jahresende 1563 Personen unterbringen muss. Steigt die Zahl der in Bayern eintreffenden Flüchtlingen aber weiterhin so dramatisch an wie derzeit, rechnet Wagensonner mit einer Verdoppelung der Zahl auf etwa 2100.

"Ich kann mir nicht vorstellen, wie das auf Dauer so weitergehen soll", rätselte Landrat Hauner. Er fürchtet, dass die Stimmung in der Bevölkerung irgendwann einmal kippen könnte. Etwa, wenn nach und nach alle verfügbaren Turnhallen belegt werden. "Noch ist die Lage ruhig", warnte Hauner. Es könnte aber auch anders kommen: Er verwies dabei auf den Brandanschlag auf eine geplante Unterkunft für Asylbewerber, den Unbekannte in der Nacht zum Donnerstag im Landkreis Pfaffenhofen verübt hatten.

Die Sammelunterkunft am Camerloher Gymnasium muss in den Sommerferien fertig werden

Hauner dankte allen Ehrenamtlichen, Angestellten des Landratsamts und den Mitwirkenden der Hilfsorganisationen, die bislang vorbildlich bei der Betreuung der Flüchtlinge sowie dem Ausstatten der Unterkünfte und Notunterkünfte geholfen haben. Er verband dies gleichzeitig mit dem Hilferuf an übergeordnete Stellen, den Ansturm der Flüchtlinge endlich zu kanalisieren. Schon jetzt warnt er vor einem Engpass bei der Unterbringung von Asylbewerbern im Landkreis nach den Sommerferien, falls es zu erheblichen Verzögerungen beim Bau der Sammelunterkunft auf dem Sportplatz des Camerloher Gymnasiums kommen sollte. "Ich kann nur hoffen, dass sie fertig wird", betonte Hauner.

Er werde oft gefragt, weshalb er sich die ständige Zuweisung von immer mehr Flüchtlingen gefallen lasse, sagte Hauner. Doch der Landkreis hat darauf keinen Einfluss. Der Landrat fordert indes eine striktere Differenzierung zwischen den Flüchtlingen. 45 Prozent der Asylbewerber im Landkreis kämen aus den Balkanländern, sagte Hauner. Ihre Chance auf Anerkennung sei verschwindend gering. Dies müsste man ihnen klar machen und eine schnelle Behandlung ihrer Fälle in Angriff nehmen. Sonst, argumentierte Hauner, blieben diejenigen auf der Strecke, die tatsächlich vor den Kriegen in ihrer Heimat geflohen seien.

Der Nachtragshaushalt beinhaltet die Aufstockung der Kreditaufnahmen von 17 auf 34,4 Millionen Euro. Damit sollen die dringend benötigten Sammelunterkünfte finanziert werden. Das Geld wird später samt Zinsen von der Regierung zurückerstattet. Die Kreisräte billigten den Nachtragshaushalt einstimmig. "Wir stehen dahinter", sagte Grünen-Sprecherin Claudia Bosse für ihre Fraktion. Ebenso Anton Neumaier (SPD). Auch er fordert eine strenge Differenzierung zwischen den Asylbewerbern, damit Kriegsflüchtlinge nicht auf der Strecke blieben.

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