Debütroman von Richard Lorenz:Der Antiheld

Richard Lorenz aus Nandlstadt hat ein ausgesprochenes Faible für das Düstere. Seit 20 Jahren schreibt er Kurzgeschichten. Nun präsentiert er mit "Amerika Plakate" seinen ersten Roman. Am besten hört man dazu Bob Dylan.

Von Thomas Radlmaier

Das Geräusch weckt Erwartungen. Nachdem die Plattenspielernadel aufgesetzt hat, gleitet sie unter einem leisen Rauschen in der feinen Tonrille. Dann verstummt das Rauschen und Bob Dylans Stimme ertönt aus den Lautsprechern: "Got nothing for you, I had nothing before, don't even have anything for myself anymore", singt Dylan. Richard Lorenz schließt den Deckel des Plattenspieler und nimmt Platz auf einem Stuhl vor dem blauen, wackeligen Holztischchen. Vor ihm ein Laptop, eine Kaffeetasse und ein Aschenbecher. Daneben liegen Tabak, Zigarettenpapier und Filter. Während Dylans Song "Mississippi" im Hintergrund läuft, dreht sich Lorenz in Ruhe eine dünne Zigarette, zündet sie an und trinkt dann einen Schluck Kaffee. Dann sagt er: "Jedes Buch hat einen eigenen Soundtrack. Bei ,Amerika Plakate' sind es die Songs von Bob Dylan, Tom Waits und Leonard Cohen. Die Grundstimmung ist also eher düster." Richard Lorenz, 41 Jahre alt, ist Schriftsteller. Seit mehr als 20 Jahren verfasst er hauptsächlich Kurzgeschichten. Vor etwa zwei Jahren hat er seinen Job als Krankenpfleger aufgegeben, um sich ganz dem Schreiben zu widmen. Nun steht er kurz vor der Veröffentlichung seines ersten Romans mit dem Titel "Amerika Plakate", 280 Seiten stark. Das Ganze ist eine düster-skurrile Geschichte eines Einzelgängers mit sonderlichen Eigenschaften. Sein Debütroman erscheint am Samstag, 15. März, beim Verlag Edition Phantasia.

Richard Lorenz wohnt in einem kleinen Mehrfamilienhaus am Rande von Nandlstadt in der Hallertau. Drinnen duftet es nach Räucherstäbchen. Poster von Bob Dylan und Hans Söllner hängen an den bunt bemalten Wänden im Wohnzimmer. Unzählige Bücher reihen sich in einem großen Holzregal über der Couch. Weiter vorne steht ein Karton mit Platten auf dem Boden, daneben ein Schränkchen, auf dem der Plattenspieler platziert ist.

Richard Lorenz kommt aus einer Künstlerfamilie mit Sprengkraft. Er ist der Cousin von Hans Söllner und den kennt man in Bayern. Der Musiker aus Bad Reichenhall provoziert gerne, nicht nur mit seiner Musik, sondern auch, weil er immer wieder gerne und offen für den straffreien Konsum von Marihuana eintritt und nebenbei die Engstirnigkeit des ländlichen Bayerns kritisiert. "Er singt, ich schreibe. Es liegt wohl in der Familie, kulturell aktiv zu sein", sagt Richard Lorenz lachend. Der Schriftsteller Lorenz ist mit Musiker Söllner aber auch in einem anderen Sinne verwandt: "Freiheit ist bei uns beiden ein zentrales Thema", erklärt Lorenz.

Für einen Autor wie ihn mit einem Faible für das Absonderliche sei es schließlich nicht leicht, sich im ländlichen Bayern einen Namen zu machen. Lorenz erzählt, er sei inzwischen seit 20 Jahren bei Lesungen zu Gast, hauptsächlich im Münchner Stadtgebiet. Es sei kein Problem, irgendwo in München eigene Geschichten öffentlich zu präsentieren. Dagegen sei das beispielsweise in der Nandlstädter Gemeindebücherei nahezu unmöglich. Einmal habe er eine Lesung im Pfarrsaal veranstalten wollen, aber es seien kaum Zuhörer gekommen. "Das wurde quasi boykottiert." Kulturschaffende hätten es generell unheimlich schwer, auf dem Land Aufmerksamkeit zu bekommen. "Die Leute interessieren sich hier nicht so für diese Art von Kultur. Die meisten können damit nichts anfangen", meint Lorenz, sagt aber gleich: "Das ist schon o.k.. Mir gefällt es auf dem Land. Ich bin hier ja auch geboren."

Lorenz schreibt jeden Tag zwei Seiten. Das ist sein persönlicher Tagesvorsatz. Er sagt, die Schriftstellerei sei - anders als viele glauben würden - ein Vorgang, bei dem man sehr viel Disziplin brauche. Lorenz vergleicht das Schreiben eines Romans beispielsweise mit einem Marathonlauf: "Beim ersten Mal braucht man viel Training, um bis ans Ziel zu kommen. Aber wenn man die Strecke einmal drin hat, dann geht es leichter."

Sein Debütroman handelt von einem sonderbaren Jungen namens Leibrand. Leibrand lebt in seiner eigenen, kleinen Welt und ist fasziniert von der amerikanische Kultur. Das drückt sich darin aus, dass Leibrand ständig Skizzen von fiktiven Orten in den USA anfertigt. Dabei kann er auf eine gewisse Art und Weise in die Zukunft blicken. Als Leibrand älter wird und für sein Studium die ländliche Einöde verlässt und nach München zieht, entwickelt er den verqueren Drang, sich umzubringen, um andere zu retten. Leibrand stürzt sich aus Fenstern und von Hochhäusern, aber es geschieht im nichts, er bleibt jedes Mal am Leben. Ein Antiheld sei sein Leibrand, sagt Richard Lorenz, eben ganz im Sinne von Bob Dylan.

Richard Lorenz liest aus seinem Roman "Amerika Plakate" am Donnerstag, 3. April, in der Bücherei Pustet in Freising und am Freitag, 16. Mai, in der Gemeindebücherei in Au. Beginn ist jeweils um 19.30 Uhr. Weitere Infos unter www.richardlorenz.de.

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