Das Phänomen Eschenbacher:Wir sind Freising - und viele glauben das

Der neue Freisinger Oberbürgermeister punktet mit viel Menschlichkeit. Die Grünen warnen vor zu viel Gefühl.

Birgit Goormann-Prugger und Petra Schnirch

Am Tag nach der Wahl ist viel von "Gefühl" die Rede, vom Wunsch der Freisinger nach Veränderungen - und davon, dass es der Freisinger Mitte (FSM) wohl am besten gelungen ist, dies zu transportieren. "Deren Wahlkampf war exzellent, das Selbstmarketing, wie Tobias Eschenbacher sich in Szene gesetzt hat", sagt Maximilian Breu anerkennend, der gemeinsam mit Birgit Niefanger den Ortsverband der Grünen leitet. Obwohl einige führende Köpfe aus dem FSM-Team vor einem Jahr noch CSU-Parteigänger waren, hätten sie sich erfolgreich als Bürger aus der Mitte Freisings, als parteipolitisch unabhängig positioniert.

Tobias Eschenbacher selbst glaubt, dass die Freisinger Mitte den Bürgern eine Möglichkeit zur Identifikation mit ihrer Stadt bietet, fernab von reiner Parteipolitik. Und es seien bei weitem nicht nur die jungen Wähler gewesen, die sich für die Freisinger Mitte hätten begeistern können. "Zu unseren Infoständen kamen auch viele Senioren, die sich für unsere Arbeit interessiert haben." Freising sei "eine ganz eigene und sehr selbstbewusste Stadt", dieses Gefühl der Bürger habe die Freisinger Mitte aufgreifen können. 150 Mitglieder habe der Verein "Freisinger Mitte" mittlerweile. "Jeder, der uns kennengelernt hat, wollte bei uns Mitglied werden und das waren Leute, die vorher total unpolitisch waren." Unpolitisch war Ludwig Kropp nie - aber er ist einer der altgedienten CSU-Stadträte, die zur Freisinger Mitte gewechselt sind. Auch er erklärt das Phänomen der "Freisinger Mitte" mit dem "Wir-Gefühl". "Da gibt es kein ,Ich', Tobias Eschenbacher will alle mitnehmen, Jung und Alt und das glaubt man ihm auch." Bei der CSU sei das auch immer propagiert worden "aber es waren dann sehr oft auch nur noch leere Worte", weiß Kropp. Eschenbacher habe die Begabung, den Menschen echte Nähe und Herzlichkeit zu vermitteln. "Eschenbacher und Florian Notter. Das sind richtige Glücksfälle für Freising", versichert Kropp.

Birgit Niefanger formuliert das FSM-Prinzip etwas anders: "Wir bauen uns unsere schöne Stadt." Mit dem Thema Schuldenabbau, das Sebastian Habermeyer in den Vordergrund gerückt habe, beschäftigten sich die Bürger offenbar "nicht so gern" - und Habermeyer sei eben auch "kein Kuscheltyp". Dennoch glaubt Breu, dass der von Sachthemen geprägte Wahlkampf der Grünen - Niefanger spricht "vom größten, den wir je gemacht haben" - gut und richtig war. Das Spiel mit den Emotionen, das Versprechen eines Richtungswechsels, sei eine Gratwanderung. Würden die Wünsche nicht erfüllt, könnte das schnell zu weiterer Politikverdrossenheit führen. Auch Eschenbacher sei ein "180-Grad-Wandel" nicht möglich.

Was die Grünen überrascht: Das Thema dritte Startbahn hat selbst in den am stärksten betroffenen Orten Attaching und Pulling keine wahlentscheidende Rolle gespielt. Sie hätte sich ein klares "Signal" in Richtung München gewünscht - und das "wäre ein grüner Oberbürgermeister gewesen", sagt Niefanger. Es sei bitter, dass die Partei, die seit Jahren an vorderster Front gegen den Flughafenausbau kämpft, dort nicht besser abgeschnitten hat. Enttäuschend ist für Breu auch die schlechte Wahlbeteiligung in der Ortschaft mit 43,2 Prozent..

Etwas zulegen konnte Habermeyer in Attaching im Vergleich zum ersten Wahl-Durchgang dennoch. Doch auch die FSM wehre sich gegen die dritte Startbahn, wenngleich sie sich vielleicht "nicht so aggressiv äußert" wie andere, bilanziert der Attachinger FSM-Stadtrat Hans Hölzl. Ein Freisinger Oberbürgermeister komme hier auch gar nicht aus, weil das Großprojekt "die ganze Stadt" und ihre Entwicklungsmöglichkeiten betreffe. "Für die Stadt Freising ist das nicht hinnehmbar."

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