Cannabis-Debatte in Freising:Mehr Augenmaß statt null Toleranz

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Auf dem Marienplatz machte der Cannabis-Verband Bayern auf ein Volksbegehren aufmerksam, das er bald initiieren will. (Foto: Marco Einfeldt)

Beim BR-Bürgerforum im Freisinger Asamsaal ist die Mehrheit für eine Legalisierung von Cannabis. Befürworter stören sich an der strengen Strafverfolgung von Gelegenheitskiffern. Die CSU will die Jugend schützen - und wird ausgebuht.

Von Christoph Dorner, Freising

Der Dachauer CSU-Landtagsabgeordnete Bernhard Seidenath hat die Freigabe von Cannabis gerade zum zweiten Mal abgelehnt, da reicht es Anna-Maria Deml. Die 19-jährige Schülerin vom Camerloher-Gymnasium hatte in der BR-Sendung "BürgerForum live", die am Mittwochabend aus dem Asamsaal übertragen wurde, bereits den Gedanken geäußert, dass Sucht nicht verboten werden könne. Nun sagt die junge Frau zu Seidenath, der am gleichen Tisch sitzt: "Ich frage mich: Wollen wir uns in der Sache weiter destruktiv oder endlich konstruktiv verhalten."

Es ist ein Abend, an dem die Fronten besonders hart aufeinander prallen. Auf der einen Seite eine geschlossene CSU, besorgte Bürger und Rainer Wendt, Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft. Er würde die strenge Strafverfolgung von Kiffern in Bayern am liebsten auf ganz Deutschland ausdehnen. Auf der anderen Seite die Grünen und ein vielstimmiger Chor an Befürwortern und Experten, die im Umgang mit ein paar Gramm Gras vor allem für mehr Augenmaß plädieren. Am Ende ist das Freisinger Stimmungsbild deshalb überraschend eindeutig.

Tilmann Schöberl hat am Mittwoch die BR-Sendung "BürgerForum live" im Asamsaal moderiert. (Foto: Marco Einfeldt)

Als BR-Moderator Tilmann Schöberl am Ende der 45-minütigen Sendung um ein Handzeichen bittet, wer für eine Legalisierung sei, heben rund zwei Drittel der Anwesenden den Arm. Die Stimmung im Saal sei nicht repräsentativ, hatte Seidenath zuvor schon schmallippig angemerkt. Eine Legalisierung bleibt trotz eines Gesetzesentwurfs der Grünen und eines demnächst angestrengten Volksbegehrens durch den bayerischen Cannabis-Verband eher unwahrscheinlich.

Vielleicht kommt die ohnehin kontroverse Debatte gerade deshalb nicht ohne Zuspitzung aus. Ein älterer Herr sagt gleich in der ersten Wortmeldung, dass Bayern die größte Drogenparty überhaupt feiere. Sie heiße Oktoberfest. Er plädiert für die Freigabe von Marihuana - und ein kritischeres Verhältnis zu Alkohol. Ozan Iyibas von der CSU in Neufahrn sagt daraufhin, die Droge Cannabis dürfe nicht verharmlost werden. "Ich denke an die Kinder", hebt er an und merkt im nächsten Moment, dass er sich damit etwas vergaloppiert. Er denke also an die Jugendlichen, korrigiert sich Iyibas, bei denen die Hemmschwelle für harte Drogen sinke.

Ein Argument, das der Grünen-Abgeordnete Dieter Janecek entkräftet, indem er darauf verweist, dass Cannabis nur auf Schwarzmärkten neben harten Drogen gehandelt würde. Dies könne durch eine streng kontrollierte Abgabe von bis zu 30 Gramm Gras in zertifizierten Verkaufsstellen eingedämmt werden.

Doch Ozan Iyibas ist immer noch nicht fertig: Bier habe in Bayern eine "gewisse Tradition", Cannabis nicht - dieser Satz kommt im Asamsaal derart schlecht an, dass es Spott und Buh-Rufe für den CSU-Mann gibt. Der Ton der Freigabegegner bleibt trotzdem pauschal. Eine junge Frau sagt: "Wir haben schon genug Probleme." Ein älterer Herr zitiert erst Hans Söllner, um danach für "null Toleranz" zu poltern: "Welche Kosten wollen wir der Allgemeinheit denn noch zumuten", fragt er im Hinblick auf Suchtpatienten.

Dabei prognostizieren die Grünen in ihrem Gesetzesentwurf nicht nur eine erhebliche Entlastung von Polizei und Strafverfolgern, sondern auch Steuereinnahmen von bis zu zwei Milliarden Euro, die in die Suchtprävention gesteckt werden könnten. "Sie brauchen keinen Cannabis-Rausch, um ein glücklicher Mensch zu sein," sagt CSU-Politiker Seidenath. Der Vater eines Drogentoten warnt dagegen vor Leistungsabfall, Lügen und Realitätsverlust bei Extremkonsumenten.

Ein differenzierter Beitrag kommt dabei auch von Bärbel Würdinger von der Freisinger Suchtberatungsstelle Prop. Sie spricht sich gegen den wiederholt angestellten Vergleich von Alkohol und Cannabis aus, und für eine Unterteilung in weichen und harten Konsum. "Unsere 300 Klienten in Freising sind keine homogene Gruppe", so Würdinger. Deshalb könne sie für die politische Debatte auch keine Empfehlung aussprechen. Alexander Eberth von der Münchner Drogenberatung Condrobs kritisiert insbesondere die strenge Ahndung von Gelegenheitskiffern. "Durch die Kriminalisierung leiten wir bei jungen Menschen lebensverändernde Prozesse ein. Das ist eine verfehlte Politik."

Die fünf Vertreter des "Cannabis Social Club" aus Weiden sitzen nach der Sendung enttäuscht an ihrem Tisch. Sie sind nicht zu Wort gekommen. Innerhalb ihres Clubs wollen die Mitglieder bald Cannabis beziehen und konsumieren können - so wie etwa in Spanien. Derzeit bereitet der Verein eine Petition an die Stadt Weiden vor.

© SZ vom 20.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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