Bildung:"Wir sind in Freising angekommen"

Bildung: Geschäftsführerin Alceste Avonda (links) und Schulleiterin Anna Kohn in der noch nicht ganz fertig gestellten Aula des neuen Montessori-Schulzentrums.

Geschäftsführerin Alceste Avonda (links) und Schulleiterin Anna Kohn in der noch nicht ganz fertig gestellten Aula des neuen Montessori-Schulzentrums.

(Foto: Marco Einfeldt)

Im Juni wird das neue Montessori-Schulzentrum in den Clemensängern fertig. Bei einem Ortstermin sprechen Geschäftsführerin Alceste Avonda und Schulleiterin Anna Kohn über das Bauprojekt, das den Verein bei Eltern und in der Stadt bekannter gemacht hat.

Interview von Christoph Dorner, Freising

Geschäftsführerin Alceste Avonda und Schulleiterin Anna Kohn führen stolz durch die Räumlichkeiten des neuen Montessori-Schulzentrums in den Clemensängern. Noch ist hier Baustelle. Kabel hängen aus der Wand, Bauarbeiter tragen Holzverkleidungen die Treppe hinauf. Im zweiten Stock wird gebohrt. In einigen Klassenzimmern liegt dagegen schon der Teppich. Im Juni soll das gesamte Gebäude fertig sein, zum kommenden Schuljahr wird es von 320 Schülern bezogen. Im Container der Bauleitung sprechen Avonda, 52, und Kohn, 60, mit der Freisinger SZ über die Begleitumstände des Bauvorhabens und die Stellung von Montessori in Freising.

"Das Kind als Baumeister seiner selbst", lautet ein Prinzip der Montessori-Pädagogik. Nun steht der Freisinger Verein kurz vor der Fertigstellung eines eigenen Schulzentrums. Was ist das für ein Gefühl?

Kohn: Ich fahre jeden Tag an der Schule vorbei. Ich freue mich auf den Umzug.

Avonda: Ich bin seit 2008 mit der Frage beschäftigt, wie es mit unseren zwei Standorten weitergehen kann. 2010 wurde es mit dem Neubau konkret. Mittlerweile ist das Kinderhaus fertig, in den Klassenzimmern der Schule werden die Böden verlegt. Unser Projekt steuert auf die Ziellinie zu.

Wie sieht derzeit Ihr Arbeitsalltag aus?

Avonda: Als Geschäftsführung des Vereins und Projektleiterin für den Neubau habe ich schon lange keine 40-Stunden-Woche mehr. Pro Woche sind es zehn bis 20 Stunden, die ich zusätzlich ehrenamtlich arbeite, weil mir das Projekt am Herzen liegt und der Neubau meinen Arbeitsalltag auch fachlich bereichert. Trotzdem bin ich froh, wenn ich bald sagen kann: Es ist geschafft.

Was haben Sie auf der Baustelle gelernt?

Avonda: Wir setzen dieses Neubauprojekt mit vielen Beteiligten um. Wir haben einen Projektlenkungsausschuss, einen Fachbeirat für Finanzen, einen Münchner Projektsteuerer, tolle Fachplaner, Eltern, die jede Menge ehrenamtliche Arbeit leisten und ein tolles Pädagogen-Team. So ein großes Projekt birgt viel Dynamit, erst recht mit so vielen Beteiligten. Ich habe gelernt, dass man viel erreichen kann, wenn alle am gleichen Strang ziehen.

Viele Bauvorhaben laufen nicht ganz planmäßig ab. Gilt das auch für die Schule?

Avonda: Gerade bei den Baugenehmigungen und den Förderbescheiden laufen Prozesse, die wir nur begrenzt beeinflussen konnten. Weil der Förderbescheid später als geplant ankam, ziehen wir ein Jahr später ein, als geplant. Das Kinderhaus musste zum 31. Dezember bezugsfertig sein, das haben wir geschafft. Zum Jahreswechsel sind wir mit dem Kinderhaus umgezogen, nur mit Hilfe der Eltern und Pädagogen. Ich gehe davon aus, dass wir auch mit der Schule planmäßig fertig werden und das neue Schuljahr in unseren neuen Räumen beginnen können.

Ist die Finanzierung für das 16 Millionen Euro teure Schulzentrum aufgegangen?

Avonda: Wir haben ein langes und umfangreiches Ausschreibungs-Procedere hinter uns, da bestehen viele Risiken. Nach aktuellem Stand der Dinge werden wir mit unserem Finanzierungskonzept eine Punktlandung machen. Das freut mich sehr.

Was sind Vorteile des neuen Standorts?

Kohn: Am wichtigsten ist, dass unsere Standorte endlich zusammengeführt werden. So können die Kinder unser Schulsystem bis zur zehnten Klasse in einem Gebäude durchlaufen. Der neue Standort ist verkehrstechnisch gut erreichbar, weil viele der Kinder aus dem Umland kommen. Wir haben die Isarauen und die Innenstadt in der Nähe. Im Grunde haben wir alles, was wir für ein umfassendes Lernen brauchen.

Wie unterscheidet sich der Neubau von der bisherigen Unterbringung im Vinzenz-Pallotti-Haus?

Avonda: Wir haben bald den Platz, den wir brauchen. Am alten Standort gab es keine Erweiterungsmöglichkeiten. Zudem haben wir im Neubau bessere Möglichkeiten, unsere Pädagogik optimal umzusetzen.

Inwieweit spiegeln sich Prinzipien der Montessori-Pädagogik in der Architektur des Gebäudes wider?

Kohn: Wichtig ist die Durchlässigkeit. Die Kinder können nicht nur in den Klassen, sondern im gesamten Gebäude gemischt lernen. Überall gibt es Raum für Begegnungen. Jüngere Schüler müssen nur ein Stockwerk höher gehen, um vom Wissen der Älteren zu profitieren. Ein weiteres Prinzip lautet: Hilf mir, es selbst zu tun. Wir haben viele Räume geschaffen.

Ein Vorteil ist, dass die Schule über eine eigene Turnhalle verfügen wird.

Kohn: Bislang mussten wir unsere Stundenpläne nach der Turnhallenbelegung der staatlichen Schulen ausrichten. Unsere Schüler hatten deshalb oft erst am Nachmittag Sport, danach waren sie oft völlig erschöpft. Zudem mussten die Kinder in Bussen in die Hallen gebracht werden, dabei ging viel Unterrichtszeit verloren.

Wie haben sich die Anmeldezahlen im Zuge des Neubaus entwickelt?

Avonda: Wir standen vergangenes Jahr vor der Frage, ob wir unsere Erweiterung vorziehen, weil wir so viele Anmeldungen hatten. Um nicht so viele Absagen erteilen zu müssen, haben wir uns entschieden, teilweise zu erweitern und sind alle zusammengerückt. Die Anmeldezahlen zeigen uns, dass der Neubau die richtige Entscheidung war. Im kommenden Schuljahr werden wir mit 320 Schülern "endausgebaut" sein. Das liegt unseres Erachtens aber nicht am neuen Gebäude, sondern an der Überzeugungskraft der Montessori-Pädagogik.

Wie läuft das Aufnahme-Prozedere?

Kohn: Wir laden die Kinder zu einer Probierschule ein. Danach geht das Gremium mit den Pädagogen in Klausur. Dabei achten wir auf ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis und ein breites Spektrum an Fähigkeiten und Fertigkeiten. Vielfalt ist uns ganz wichtig. Manchmal muss am Ende das Los entscheiden.

Vereinsneuzugänge müssen ein Darlehen über 4440 Euro hinterlegen. Gibt es bei Ihnen auch soziale Härtefälle?

Avonda: Uns ist wichtig, dass sich möglichst jeder unsere Schule leisten kann. Hierfür haben wir die Schulbeiträge nach Einkommen gestaffelt. Wird ein Elternteil arbeitslos, kann er sich an den Sozialausschuss wenden. Auch beim Darlehen finden wir eine Lösung, etwa mit Ratenzahlungen. Beide Fälle treten nur selten auf.

In der ersten Freisinger Montessori-Klasse lernten 16 Kinder. Das war 1987. Seitdem hat sich viel getan.

Kohn: Wir können mittlerweile eine durchgängige Montessori-Pädagogik anbieten, von der Kinderkrippe bis zum Vollabitur an unserer Fachoberschule in München. Man darf das nicht als starren Weg verstehen. Pädagogen sind bei uns Lernbegleiter, die je nach Fähigkeit der Kinder eine Vielfalt an Perspektiven aufzeigen. Dahinter steckt eine andere Haltung als an staatlichen Schulen.

Avonda: Unsere Lehrkräfte stehen vor der Herausforderung, jedes Kind in seiner Besonderheit zu erkennen und zu sehen, was es braucht, um es adäquat zu fördern. Um alle Schulabschlüsse anzubieten, haben wir 2006 zusammen mit acht weiteren Montessorischulen die MOS München gegründet, sodass inzwischen auch ein Vollabitur à la Montessori möglich ist. Durch Kooperationen mit der Wirtschaft versuchen wir aber auch, die Kinder bei der Berufswahl zu unterstützen und Wege nach dem M-Abschluss in den Beruf zu finden.

Mancherorts wird über die Montessori-Pädagogik mit der Nase gerümpft, der Philosoph Richard David Precht dagegen hat viele Leitprinzipien dem staatlichen Schulsystem ans Herz gelegt. Wie steht Montessori 2015 in Freising da?

Avonda: Die Naserümpfer wird es immer geben. Sie wissen aber meist gar nicht, wie wir arbeiten. In Freising hat Montessori heute mit Sicherheit einen anderen Stand als vor acht Jahren. Im Zuge des Neubaus habe ich viele Gespräche mit Ämtern und der Politik geführt. Dadurch ist Montessori in Freising ein Begriff geworden, das belegen auch unsere Anmeldezahlen. Ich denke, wir sind rundum angekommen.

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