Bei "Sieg Heil"  versteht die Justiz  keinen Spaß:Im Zustand der Verwirrung

Unter dem Einfluss von Drogen und Medikamenten hat ein 32-jähriger Moosburger verfassungsfeindliche Grußformelnvon sich gegeben. Das Gericht belässt es bei einer Verwarnung

Von Peter Becker, Freising

Wenn jemand an einem Bahnhof herumläuft und "Sieg Heil" plärrt, versteht die Justiz keinen Spaß. Egal ob dabei Publikum herumsteht oder nicht: Der Bundesgerichtshof sieht in diesem Fall einen Tabubruch. Schließlich handelt es sich dabei um die Grußformel der NSDAP und der Gesetzgeber möchte nicht, dass sich rechtsgerichtete, verfassungsfeindliche Organisationen durch die Verwendung des Grußes in der Öffentlichkeit beflügelt fühlen. Just dies hat aber ein 32-jähriger Moosburger getan. Das Besondere dabei ist, dass er selbst Migrationshintergrund hat. Der Beschuldigte befand sich seinerzeit in einem Zustand der Verwirrung, weshalb es Richterin Tanja Weihönig es dabei belässt, ihn wegen des Verwendens verfassungsfeindlicher Kennzeichen zu verwarnen.

Staatsanwalt, Verteidiger Andreas Fischer und Richterin waren sich am Freisinger Amtsgericht einig, es mit einem außergewöhnlichen Fall zu tun zu haben. Der Beschuldige fiel im Januar einem Sicherheitsbediensteten der Bahn auf, als er am Freisinger Bahnhof drei Mal "Sieg Heil" rief. Der Mann informierte die Polizei. Eine Zivilstreife der Erdinger Kriminalpolizei rückte sofort an. Der Polizist und seine Kollegin fanden den Beschuldigten mutterseelenallein auf der Treppe am Zugang zur Bahnhofshalle vor. Er führte Selbstgespräche, antwortete aber, als ihn die Beamten ansprachen. Ein Kripobeamter sagte als Zeuge, der 32-Jährige habe auf ihn einen angetrunkenen Eindruck gemacht.

Mag sein, dass der Angeklagte an diesem Tag tatsächlich Alkohol getrunken hatte. Hauptsächlich stand er aber unter dem Einfluss von Opiaten. Dies erklärte jedenfalls sein Verteidiger Fischer für seinen Mandanten. Dieser ist wegen diverser Drogendelikte vorbestraft. Sein Mandant habe damals einen Rückfall in seine Sucht erlitten, erklärte der Rechtsanwalt. Grund dafür sei eine Krebserkrankung gewesen. "Er war in einem desolaten Zustand", fasste Fischer zusammen. Eine andere Erklärung gibt es für ihn nicht, dass jemand mit deutlich erkennbarem Migrationshintergrund dreimal hintereinander einen Nazi-Gruß entbietet. Eher könnte man meinen, dass er selbst Zielscheibe einer solchen Pöbelei werden könnte. "Das war kein Ruhmesblatt", sagte der Verteidiger.

Für den Rechtsanwalt steht fest, dass sich sein Mandant an jenem Tag in einem Zustand der Verwirrtheit, vermutlich ausgelöst durch seinen seelischen Zustand sowie dem Einfluss von Medikamenten und dem Rauschgift, gestanden habe. Offenbar habe er sich dabei laut mit sich selbst unterhalten und dabei die inkriminierte Parole ausgerufen. Der Sicherheitsbeamte der Bahn hätte darüber Auskunft geben können. Der Zeuge war aber nicht erschienen. Der Angeklagte selbst zog eine Falschaussage, die er gegenüber der Polizei gemacht hatte, zurück. Er räumte den Vorwurf ein, auch wenn er sich nur lückenhaft an die Ereignisse erinnern kann.

Der Staatsanwalt bekundete, er sei mit dem festen Vorsatz ans Freisinger Amtsgericht gefahren, gegen den Angeklagten eine Haftstrafe zu verhängen. Schließlich steht er unter offener Bewährung. Davon rückte er ab. Dem Vorschlag des Verteidigers, das Verfahren einzustellen, wollte er aber nicht folgen. Er forderte eine Geldstrafe von 2700 Euro, zahlbar in 90 Tagessätzen. Richterin Tanja Weihönig sprach die Geldstrafe als Verwarnung aus. Lässt sich der Angeklagte die nächsten drei Jahre nichts zuschulden kommen, muss er nicht zahlen. Mittlerweile hat der 32-Jährige Arbeit gefunden und macht eine Drogentherapie. Deren Fortsetzung muss er gegenüber dem Gericht dokumentieren.

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