Wolfgang Reinhardt:Westtangenten-Gegner über Wolken

Wolfgang Reinhardt

Segelflieger Wolfgang Reinhardt fällt selbst über den Wolken etwas zur Freisinger Westtangente ein.

(Foto: Ki)

Wolfgang Reinhardt, der streitbare Kämpfer gegen den Bau der Freisinger Westtangente, sucht und findet seine Freiheit über den Wolken. Mit 71 Jahren erfüllt er sich den Traum vom Fliegen, so oft es geht.

Interview von Johann Kirchberger, Freising

Ortstermin in Unterwössen. Wolfgang Reinhardt fährt gerne auf den kleinen Flugplatz mitten in den Bergen. Eigentlich wollte er heute am Wilden Kaiser vorbeifliegen. Aber mit dem Wetter ist er nicht zufrieden, zu diesig. Er ändert sein Ziel und fliegt in den Chiemgau, über Schloss Herrenchiemsee, über die Fraueninsel und an der Tiroler Ache entlang. Der Motor schnurrt vor sich hin. Den kann Reinhardt einfach abstellen ohne Gefahr zu laufen, dass er abzustürzt. Die Maschine ist schließlich ein Motorsegler.

Über seine Leidenschaft für das Fliegen hat Reinhardt, den man in Freising vor allem als streitbaren Vorsitzenden des Vöttinger Bürgerforums kennt, mit der SZ hoch über den Wolken gesprochen. Natürlich ging es am Ende auch um die Westtangente.

Wie kommt man darauf, sich als Hobby die Segelfliegerei auszusuchen?

Meine Schwester kannte Otto Wegscheider, den Weltmeister im Segelfliegen, sehr gut. Der überredete sie zu dieser Sportart. Da war es naheliegend, dass ich meiner Schwester nicht nachstehen wollte.

Wolfgang Reinhardt

Wolfgang Reinhardt vor dem Abheben. Der Vorsitzende des Vöttinger Bürgerforums ist begeisterter Pilot eines Motorseglers.

(Foto: Kirchberger)

Betrachten Sie Segelfliegen als Sport oder mehr als Leidenschaft?

Es ist eine sportliche Leidenschaft. Gott sei Dank bin ich von Bruchlandungen bisher verschont geblieben. Meine Außenlandungen kann ich an einer Hand abzählen. Die sind allerdings auch fester Bestandteil im Ausbildungsprogramm und gelten als nicht außergewöhnlich.

Trauern Sie noch immer dem Flugplatz Lange Haken nach, der 1992 nach Inbetriebnahme des Münchner Großflughafens schließen musste?

Natürlich. Ein idyllisch gelegener Platz fast vor der Haustür. Die Freisinger Segelflieger haben ihre neue Heimat in Beilngries gefunden. Damals war die Autobahn nach Ingolstadt aber nur zweispurig. Ich wollte meine freie Zeit nicht primär im Wochenendstau auf der Autobahn verbringen und habe deshalb viele Jahre lang pausiert.

Was hat Sie mit 66 Jahren dazu gebracht, die Welt wieder verstärkt von oben zu betrachten?

Mein Sohn fliegt auch und ist Segelfluglehrer im LSV Albatros. Er gab mir den Tipp, dass die Harmonisierung der europäischen Richtlinien eine Reaktivierung verfallener Fluglizenzen ermöglicht. Hierzu waren ein praktischer und nur ein kleiner theoretischer Test erforderlich.

Ihr früherer Vereinskollege Otto Wegscheider hat in den 1980er Jahren zahlreiche Meisterschaften gewonnen und sogar Weltrekorde aufgestellt. Hat Sie so etwas auch einmal gereizt?

Wettkämpfe haben mich nie gereizt. Dazu fehlte es auch am nötigen Kapital. Wenn man vorne mitmischen will, braucht man ein eigenes Flugzeug und viel Zeit zum Trainieren. Beides hatte ich nicht. Es ist für mich eine Freude, die Welt aus der Vogelperspektive wahrzunehmen und die Landschaftsbilder einzusaugen.

Wolfgang Reinhardt: Wolfgang Reinhardt beim Erörterungstermin zur Westtangente.

Wolfgang Reinhardt beim Erörterungstermin zur Westtangente.

(Foto: EFM)

Was macht eigentlich mehr Spaß, ein reines Segelflugzeug zu steuern oder mit einem Motorsegler zu fliegen?

Beides gleich viel. Dem Traum vom Fliegen wie ein Vogel versuche ich mir so oft wie möglich zu erfüllen. Die Segelflieger aus Kunststoff gleiten nahezu geräuschlos. Um Strecke zu fliegen, benötigt man jedoch gute Thermik. Beim Motorsegler ersetzt der Motor die Thermik.

Wer so gerne wie Sie in einem Flugzeug sitzt, kann der Verständnis dafür aufbringen, dass der Flughafen im Erdinger Moos ausgebaut werden soll? Wie stehen Sie zum Bau der dritten Startbahn?

Man könnte Verständnis für das Bauvorhaben der Flughafengesellschaft haben, wenn die Flugzahlen organisch gewachsen wären. Das ist hier nicht der Fall. Das Aufkommen wird künstlich generiert durch Zuschüsse und Vergünstigungen für neue Fluggesellschaften. Außerdem landen hier Geschäftsflieger mit weniger als zehn Passagieren, die auch in Pfaffenhofen gute Verkehrsbedingungen vorfinden würden. Cargoflüge sollten generell zum Nürnberger Flughafen verlegt werden, der kaum ausgelastet ist. Der Münchner Flughafen hätte so für Jahrzehnte hinaus noch viele Kapazitäten frei mit seinen zwei Start- und Landebahnen. Die Notwendigkeit für eine dritte kann ich derzeit absolut nicht sehen.

Sie sind jetzt 71 Jahre alt. Wie lange kann und darf man denn Flugzeuge steuern?

Geistige und körperliche Fitness sind Voraussetzung, die ein flugmedizinischer Sachverständiger bestätigen muss. Meine Lizenz gilt für zwei Jahre. In zwei Wochen läuft mein Medical ab und bedarf einer Erneuerung.

Über den Wolken, muss die Freiheit wohl grenzenlos sein, singt Reinhard Mey. Stimmt das und sind Sie als freiheitsliebender Mensch deshalb von der Fliegerei so begeistert?

Die Lufträume werden zu Gunsten der kommerziellen Flieger immer mehr ausgedehnt, was zu Lasten der Sportfliegerei geht. Der jetzige Zustand ist für Segelflieger gerade noch akzeptabel. Die Weite unserer stark parzellierten Landschaft und der Anblick der Alpen aus der Vogelperspektive zu unterschiedlichen Tageszeiten begeistern mich. Diese Begeisterung versuche ich auch Nachbarn, Freunden und guten Bekannten zu vermitteln. Zu zweit zu fliegen, ist doppelter Fluggenuss.

In Freising sind Sie vor allem als entschiedener Gegner der Westtangente bekannt. Wie stark wurmt Sie, den Bau dieser Tangente zwar 40 Jahre aufgehalten, den Kampf aber letztlich verloren zu haben?

Alea iacta est. Die topografischen Örtlichkeiten hätten sich geradezu für eine Umgehungsstraße, die auch den Namen verdient hätte, aufgedrängt. Die Stadt hat hier eine große Chance vergeben. Millionen an Steuergeld werden verbuddelt ohne wirksame Verkehrsentlastung von Stadtteilen. Jeder, der zur Zeit im Vöttinger Moos auf die Bauarbeiten zur Westtangente stößt, ist entsetzt, sogar die Bauarbeiter selbst. "Wie kann man nur so was machen!"

Was passiert jetzt mit dem Vöttinger Bürgerforum, dessen Vorsitzender sie so lange waren und immer noch sind? Der Vereinszweck hat sich ja wohl erledigt.

Im Herbst haben wir eine Mitgliederversammlung, die über die Zukunft des Vereins abstimmen wird.

Im Jahr 2020 soll die Westtangente fertig sein. Wie viel schätzen Sie, wird sie dann gekostet haben und was machen Sie am Tag der Einweihung?

Sicherlich nicht zu den geschätzten Kosten, die uns die Stadt nennt. Ich tendiere eher zu der Kostenschätzung des Experten Viereck, der sie mit 120 Millionen oder mehr bezifferte. Als ehemaliger leitender Angestellter eines großen Energieversorgers und Dax-Unternehmens musste ich am Jahresende für meine Abteilung einen Wirtschaftsplan für die nächsten drei Jahre (!) aufstellen. So als könnte die Zukunft aus der Glaskugel abgelesen werden. Ich lebe hier und jetzt und freue mich jeden Tag, wenn ich gesund aus dem Bett steige. Sorry, wenn ich keine Angaben zu 2020 machen kann.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: