Baumarten lernen war früher:Denken wie ein Eichhörnchen

Baumarten lernen war früher: Unterricht im Wald ist immer etwas besonderes. Wenn man als Schüler dann auch noch aktiv werden und Eichhörnchen spielen darf, ist das noch schöner.

Unterricht im Wald ist immer etwas besonderes. Wenn man als Schüler dann auch noch aktiv werden und Eichhörnchen spielen darf, ist das noch schöner.

(Foto: Einfeldt)

Waldpädagoge und Förster Bernhard Söllner lässt Schulkinder Eicheln suchen, die sie anschließend in Verstecken verbergen müssen. Das gehört zum UNESCO-Programm "Bildung für nachhaltige Entwicklung"

Von Eva Zimmerhof, Freising

Die Kinder sind laut, brüllen durch den Wald. Mehrere Schulklassen durchstreifen an diesem Morgen das Gelände am Walderlebnispfad, trampeln über Laub und kleine Pflänzchen. "Hallo, Herr Förster!", ruft ein Junge Bernhard Söllner zu. Dieser ist als Revierförster für den Bereich Freising-Süd zuständig. Der Junge aber gehört zu einer dritten Klasse an der Neufahrner Volksschule am Fürholzer Weg. Am vereinbarten Treffpunkt sagt Söllner. "Ihr müsst leise sein, wenn ich spreche, aber nur damit ich nicht so schreien muss." Ansonsten dürften die Kinder im Wald ruhig etwas lauter sein. Bei Söllner läuft alles ein bisschen anders ab.

An der Eiche hält Söllner keinen großen Vortrag. Er erklärt den Kindern vielmehr, dass auf dem Baum allein 1000 verschiedene Lebewesen wohnen und dass Eicheln das Lieblingsfutter von Eichhörnchen und Eichelhäher seien: "Und der Eichelhäher ist der Lieblingsvogel der Förster, denn der pflanzt Bäume, wenn er die Eicheln verliert."

Dann ist es Zeit für das Eichhörnchenspiel. "Ihr sucht jetzt zwei Dinge, die Eichhörnchen vielleicht essen", sagt Söllner. Ein Stein sei für dieses Spiel notfalls auch erlaubt, "auch wenn es den wirklich nicht mag", sagt der Förster. "Ihr geht so wie Eichhörnchen und ihr macht das Geräusch wie Eichhörnchen. Stellt euch vor, es sei kurz vor dem Winter." 25 Kinder hocken und scharren am Waldboden herum, kommen mit Zapfen, Eicheln und Bucheckern zurück. "Prima, und jetzt versteckt ihr euer Futter wieder", fordert Söllner. "Aber überlegt euch, ob ihr ein Versteck anlegt oder zwei. Wenn das eine von einem anderen Eichhörnchen geplündert wird, ist alles weg. Das ist das Risiko. Zwei Verstecke sind sicherer, aber auch viel schwieriger wiederzufinden." So fangen die Kinder an, die Denkweise der Eichhörnchen zu verstehen.

"Es geht nicht darum, mit den Kindern alle Baumarten durchzuackern, wie man das früher getan hat", sagt Söllner. Der Revierförster von der Bayerischen Forstverwaltung ist zertifizierter Waldpädagoge und führt derzeit eine Menge Klassen durch den Wald. "Wir beachten die Empfehlungen des UNESCO-Programms "Bildung für nachhaltige Entwicklung". Danach sollen die Kinder den Wald eher erfühlen und ertasten. Sie sollen vor allem Impulse bekommen und Zusammenhänge erkennen, die man nicht auf den ersten Blick sieht. Dass sich vor allem dritte Klassen zu den Führungen anmeldeten, liege daran, dass die Kinder in dem entsprechenden Schuljahr den Wald auf dem Lehrplan stehen haben, so Söllner. "Eigentlich fallen etwa 70 dritte Klassen in meinen Bereich, das ist neben meinen eigentlichen Aufgaben als Förster natürlich nicht zu schaffen. Aber die, die sich bei uns melden, kann ich alle noch bedienen."

Die Waldführungen bietet Söllner zwar das ganze Jahr über an, im Herbst ist das Interesse allerdings jedes Mal besonders groß. Nun wühlt er selbst mit den Fingern im Waldboden, zunächst durch das Laub, dann durch die zersetzten Blätter. Der Förster hebt eine Hand voll frischer Erde empor: "Was schätzt ihr, wie viele Lebewesen darin sind?" Die Kinder sind sich unschlüssig. "Ein paar Milliarden", sagt Söllner, "mehr Lebewesen als es Menschen auf der Erde gibt". Mit ein paar Fragen seinerseits kommen die Kinder fast von selbst darauf: Dass über das heruntergefallende Blatt die Nährstoffe in die Erde gelangen, mit deren Hilfe der Baum im Frühling dann ein neues Blatt wachsen lässt. Sie haben den unsichtbaren Kreislauf verstanden.

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