Band-Contest im Lindenkeller:Böse und mit Gebrüll

Lesezeit: 2 min

Beim Band-Contest "Kulturalarm" setzt sich die Metalband "Third Eye" gegen die Britpopper von "Aberdeen" durch und gewinnt den Hardy. Der Preis erinnert an einen verstorbenen Freisinger Tontechniker.

Matthias Vogel

Die Luft ist vom Duft abbrennender Wunderkerzen geschwängert, die Bühne in pinkes Licht getaucht. Thomas Goros brüllt ausnahmsweise nicht, sondern singt eine Ballade. Das macht er gut, da ahnen die Besucher wohl zum ersten Mal deutlich, dass der Ehrenpreis "Hardy" an Goros Band gehen wird. Brüllen ist angesagt, beim Band-Contest "Kulturalarm" im Freisinger Lindenkeller, da macht der Sänger der Freisinger Metal-Formation Third Eye keine Ausnahme.

Tom  Schallermeier und die Band Cold Silence nahmen ebenfalls am Band-Contest im Lindenkeller teil. (Foto: Marco Einfeldt)

Aber die rohe Stimmgewalt ist in diesem Fall kontrolliert, sie verdrängt die Instrumente nicht. Das gesamte Klangbild der Combo ist ausgefeilt, die Musiker beherrschen zweifelsfrei ihr Handwerk. Vor Third Eye grölen auch Cold Silence, danach die Laborratten und ganz zum Schluss growlt Liver of a duck. Aber die Jury legt sich fest: Wenn schon böse und mit Gebrüll, dann bitte so wie Goros. Third Eye gewinnt den Wettbewerb der Nachwuchsbands, bekommt symbolisch den "Hardy" verliehen und darf kostenfrei eine CD im Tonstudio aufnehmen.

Rainer Gärtner, an diesem Abend Moderator, Juror und bei der vorerst letzten Ausgabe vor drei Jahren mit der Band Rain Tom Kulturalarm-Sieger, beschwört zu Beginn den Geist von Bernhard "Hardy" Klutschak. Der Freisinger Tontechniker und Kulturförderer starb vor einigen Jahren und ist Namensgeber für den ersten Preis. "In jedem von euch steckt ein Hardy. Holt ihn raus", fordert Gärtner. Und die Teilnehmer haben gut zugehört. Songwriter "Flouw "aka Florian Schmid serviert den Fans etwa ein knappes Dutzend Songs aus der eigenen Kreativwerkstatt, alle schön, alle gut gesungen und davon einer seiner Freundin Theresa gewidmet. "Ich hatte Gänsehaut", sagt sie nach dem Konzert ihres Barden. Und für den geht ein großer Wunsch in Erfüllung; er wird für sein Schaffen mit einem Gig beim Ufer-los-Festival in Freising belohnt.

Ein junger Mann mit Schiebermütze hat seinen Auftritt. Nicht, dass er ans Mikrofon oder ans Schlagzeug müsste. Nein, Stagediving ist angesagt. Mit wilden Handbewegungen kratzt er die wenigen Menschen, die zum Kulturalarm gekommen sind, zu einem Haufen zusammen. Wer an diesem Abend nicht auf den Boden klatschen will, muss den Sprung ins Auditorium gut organisieren.

Zu verstehen ist der Schiebermützen-Typ aber gut, die Aberdeens beschallen gerade den Lindenkeller mit Indie-Rock von der Insel. Den Korpus der Gitarre von Sänger Franz Bader, der auch bei einem Coolness-Contest gute Chancen auf einen Platz auf dem Podest hätte, ziert der Unionjack. Der Beat der Aberdeens stampft unaufhaltsam nach vorne, Köpfe wippen im Takt, sogar der Mann am Mischpult hat längst auf Wackel-Dackel-Modus gestellt. Der Auftritt der Freisinger mit Hang zum Britrock erschwert es der Jury später, ein eindeutiges Urteil zu fällen. "Es wurde heftig diskutiert", verrät Rainer Gärtner bei der Preisverleihung. Zwei Bands auf Augenhöhe, den Ausschlag für den Titelgewinn von Third Eye gibt jedoch das fortgeschrittenere Alter der Aberdeens, die sich aber als Trostpreis zumindest über einen Auftritt auf dem Freisinger Altstadtfest freuen dürfen.

Das Mainburger Trio Missing Fuse verkörpert das, was Bands eigentlich für einen Nachwuchswettbewerb interessant macht. Philipp Omuro, Valentin Klessinger (Bass) und Christian Kohlschreiber (Schlagzeug) - alle erst 16 Jahre alt - begeistern frech mit Punkrock und ihrer Unbekümmertheit. "Wir spielen erst seit neun Monaten zusammen", sagt Sänger Omuro, dessen Stimme stark an Placebo-Frontmann Brian Molko erinnert. Und er gibt sich angenehm bescheiden: "Die Konkurrenz ist stark, ein dritter oder vierter Platz wäre toll." Auf ein Ranking verzichtet die Jury aber, niemand soll ein schlechtes Gefühl haben. Missing Fuse wird auf dem kommenden Red Corner-Festival in Moosburg zu sehen sein und bekommt via Fotoshooting demnächst die ersten professionellen Bandfotos verpasst.

"Alle Bands auf die Bühne", fordert Gärtner, um nach eingehender Diskussion die Ergebnisse der Jury zu verkünden. "Ein schönes Bild", findet er. Das ist es tatsächlich und der Wiederbelebungsversuch des Kulturalarms hätte auch Bernhard Klutschak gut gefallen. Der Patient lebt zwar wieder, ganz auf den Beinen ist er noch nicht. Dafür waren eindeutig zu wenig junge Musikfreunde im Lindenkeller.

© SZ vom 24.01.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: