Ausstellung im Schafhof:Was den Menschen ausmacht

Roland Fischer

Die Porträts von Roland Fischer zeigen die Einzigartigkeit des Individuums und zugleich seine Zugehörigkeit zum Kollektiv.

(Foto: Lukas Barth)

Fotograf Roland Fischer thematisiert in seinen Porträts das Verhältnis von Individuum und Kollektiv. Er hat schon in Israel, in China und den USA gearbeitet

Von Katharina Aurich, Freising

Wer bin ich? - Diese Frage beantworteten wir uns im Wechselspiel mit anderen Menschen und erhielten so unsere Identität, sagt der Philosoph und Literaturwissenschaftler Björn Vedder. Er kuratierte die aktuelle Ausstellung "In your face" im Europäischen Künstlerhaus Schafhof. Das Porträt sei in unserer Kultur die älteste Form, die Identität eines Menschen darzustellen, erläutert Vedder. Ein Meister der Porträtfotografie ist der international renommierte Künstler Roland Fischer, ein Querschnitt seines Schaffens ist noch bis zum 21. August im Schafhof zu sehen.

Mittlerweile blickten uns überall auf der Welt Gesichter von Plakaten oder Bildschirmen an und forderten uns auf, sie anzusehen. Und wir fragten uns unwillkürlich, wer der Porträtierte sei und gerieten in einen Dialog. Fischer wahre die individuelle Einzigartigkeit der Person und zeige zugleich ihr Eingebettet-sein in einem Kollektiv, erklärt Vedder. Wie das aussieht, vermittelt das fünf mal fünf Meter große Kollektivporträt israelischer Studenten, das an der Giebelseite des Schafhofs angebracht ist. Fischer hat dafür 1000 junge Leute porträtiert. Außerdem ist im Ausstellungsraum im Erdgeschoss des Schafhofs ein Videofilm zu sehen, in dem der Künstler auf dem Rothschild-Boulevard in Tel Aviv Passanten filmte und nach ihrer Herkunft befragte. Zitate aus den Antworten sind als Schriftzüge an den Deckenbalken des Ausstellungsraums nachzulesen.

Auf weiteren drei Kollektivporträts hat Fischer jeweils 450 Fotos chinesischer Soldaten, Arbeiter und Bauern dokumentiert und geht damit der Frage nach, wie nahe muss man herangehen, um das Individuum zu erkennen? Denn mit Abstand betrachtet wirkt das Kunstwerk wie ein Teppich mit unterschiedlichen Farbpunkten, erst bei kürzerem Abstand sind die einzelnen Gesichter erkennbar. Anfang der Neunzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts lebte Fischer in China und erhielt nach immensem bürokratischen Aufwand die Gelegenheit zu diesem tiefen Einblick in die chinesische Gesellschaft, indem er die Menschen in seinen Porträts, die alle mit Namen versehen sind, fest hielt. Die Studenten konnte er beispielsweise nur aufgrund seiner guten Kontakte zu einem Universitätsdirektor fotografieren.

Fischer richtete sich an der Uni ein Studio ein und schaffte es, 30 bis 40 Porträts innerhalb einer Stunde zu schießen. Als Kontrast zu den Kollektivporträts hängen an den Wänden gegenüber die sogenannten "Los Angeles Portraits". Gesichter von Frauen, die in einem Pool hocken, die in sich ruhen und wie Skulpturen wirken. Der Hintergrund ist ein unwirklicher, knalliger Blauton, der durch die Spiegelung des Himmels im blauen Wasser und den schwarz gekachelten Pools entstand. Diese konstruierten Bilder, die konzeptuelle Fotografie, erforderten einen enormen Aufwand, um vor einem Schuss die immer gleiche Situation zu schaffen, schilderte Fischer. Dieses Konzept der Pool-Porträts habe er Anfang des Jahres 2000 wieder in China aufgenommen, allerdings gab es dort kaum Außenpools. Deshalb stellte er die Szenen in Filmstudios nach und imitierte das kalifornische Licht mit großem Beleuchtungsaufwand, damit die Bildkomposition haargenau den Los-Angeles-Pool-Bildern gleiche.

Fischers Werke waren weltweit bereits in 40 Einzelausstellungen, zum Beispiel in Paris, München oder London, zu sehen. Von 2006 bis 2014 lebte er in Peking, verließ das Land jedoch, da die Umweltverschmutzung rapide zunahm und er nicht wollte, dass seine Kinder dort aufwachsen. Der Kontakt zum Schafhof kam über Kurator Björn Vedder zustande. Am 17. Juli spricht Roland Fischer während eines philosophischen Symposiums im Schafhof zum Verhältnis von Identität und Porträt. Die Veranstaltung beginnt um 15 Uhr. Am 26. Juli gibt es von 17 bis 18 Uhr eine Führung durch die Ausstellung und am 14. August wird Roland Fischers neuestes Buch "Tel Aviv - Israelisches Kollektivportrait" vorgestellt.

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