Aus der Haager Geschichte:Der letzte Flügel des Schlosses

Aus der Haager Geschichte: Das alte Herrenhaus des Haager Schlosses.

Das alte Herrenhaus des Haager Schlosses.

(Foto: widmann)

Hildegard Schwede erzählt die Geschichte des Haager Herrenhauses, das einst den Mittelpunkt der Ortschaft bildete. Sie selbst hat in der Nachbarschaft ihre Kindheit verbracht.

Von Katharina Aurich, Haag

Geschichte muss nicht langweilen, sie kann sogar richtig spannend sein. Dies bewies die Haagerin Hildegard Schwede mit ihrem Vortrag, den sie mit zahlreichen Zeitdokumenten, Fotos und Filme über die Familie Hörhammer und das Haager Herrenhaus illustrierte. Ihre unermüdliche Sammelleidenschaft und eine zufällige Begegnung mit den Nachfahren der einstmals weit verzweigten und einflussreichen Familie, der das sogenannte Herrenhaus sowie die Brauerei gehörten, lieferten das Material für ihre Schilderungen.

Der Verein "Bockerl fahr zua", der mit seinem Eisenbahnmodellbau die Heimatgeschichte lebendig erhält, hatte Schwede zu einem Vortrag animiert. Denn der leidenschaftliche Modellbauer Günter Schreiner baute das Herrenhaus maßstabsgetreu nach und stellte das Modell nach dem Vortrag den gespannten, etwa 200 Zuhörern, unter ihnen viele ältere Haager, vor. Sie erinnerten sich noch gut an die Zeiten, aus denen die Referentin erzählte.

Schwede begann ihren Ausflug in die Vergangenheit mit ihrer eigenen Kindheit in den Sechzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts, als man in Haag auf der Hauptstraße Fahrradfahren lernen konnte, "ohne seine Leben zu riskieren", als es in der Ortschaft zwei Tankstellen, zwei Gärtnereien, zwei Wirtschaften und zwei Metzgereien gab. Mehrere Lebensmittelgeschäfte versorgten die Bevölkerung, in einem gab es sogar eine Softeismaschine, berichtete Schwede. Das war damals der Inbegriff des Fortschritts.

Das historische Zentrum der Ortschaft waren das Herrenhaus und das Brauhaus. Ersteres sah Schwede, wenn sie aus dem Fenster ihres Zimmers blickte. Schon immer interessierte sie sich für die Geschichte ihrer Heimat, im Jahr 2004 traf sie dann zur 1200-Jahrfeier in der Ausstellung "Haager Lebensspuren" zufällig Nachfahren der Familie Hörhammer, welche die Geschicke der Ortschaft geprägt hatten und die ihr Dokumente zur Verfügung stellten. Das ehemalige Haager Schloss, das vom Grafengeschlecht der Lodrons erbaut wurde, war in den Sechzigerjahren schon längst Geschichte. Aber das unbewohnte, langsam verfallende Herrenhaus stand noch, der letzte Flügel des Schlosses, in dem sich die barocke Kapelle befand. Die Familie Hörhammer kaufte das Haus Ende des 19. Jahrhunderts. Die Fotos, die Schwede zeigte, erzählten von einem reichen Familienleben: Das Herrenhaus war viele Jahrzehnte ihr Treffpunkt. Im Garten saß man unter Apfelbäumen im Schlossgarten, im Winter ging man zum Stockschießen auf die Teiche und im Sommer zum Baden an die Amper, wie Filmsequenzen aus dem Jahr 1938 zeigen.

Mitglieder der Familie waren Ärzte oder Brauer, viele künstlerisch veranlagt. Ein Abkömmling war Elisabeth Hörhammer, die erste Braumeisterin Bayerns, die die Brauerei in Haag bis 1965 führte. Aber der einstmals wohlhabenden Familie war kein Glück beschieden, die Gründergeneration starb aus, einige Nachkommen zogen weg, das Herrenhaus stand leer.

Elisabeth Giamattei geborene Hörhammer verkaufte schließlich die Brauereirechte, dann das Brauhaus, wie zuvor bereits immer wieder Grundstücke aus dem Erbe, berichtete Schwede. Schließlich verließ sie mit ihrem amerikanischen Mann Deutschland und lebte bis zu ihrem Tod in den USA. Sie war die letzte aus dem Haus Hörhammer, die in Haag Spuren hinterließ, denn das verfallene Herrenhaus wurde 1997 abgerissen.

Die Einrichtungsgegenstände der barocken Kapelle sind eingelagert. Wie schön die Gemälde und Stuckelemente sind, belegen Fotos, die Schwede sammelte und so dem Vergessen entriss. Es war mucksmäuschenstill im Saal, als sie eine Bilderfolge von Wolfgang Riedel, der den Abriss dokumentierte, ohne Kommentar zeigte. Die Fotos sprachen für sich und jeder im Saal erinnerte sich in diesem Moment an die Bilder, die 60 Jahre zuvor vor dem repräsentativen Haus mit seinen wunderschönen Gartenanlagen mit Alpinarium und Teichen, voller seltener Pflanzen, aufgenommen wurden. Davon blieb nichts als eine Rasenfläche.

Das Haager Brauhaus wäre sicher der Abrissbirne zum Opfer gefallen, sagte Schwede. Hätte es nicht den Visionär Christian Hofmair gegeben, der das Brauhaus ersteigerte und sanierte, so lange er konnte. Nach seinem Tod führen nun sein Vater und seine Schwester sein Vermächtnis fort. Als Schlusswort zitierte Schwede aus einem Film des Bayerischen Rundfunks über Denkmalschutz. "Es braucht Visionäre, Schönheit und Identität. Da hilft die Bayernhymne nichts, sondern es muss gemacht werden, was die Denkmäler schützt." Bürgermeister Anton Geier bedauerte, dass es einen solchen Vortrag nicht vor 20 Jahren gegeben habe, vielleicht hätte er ein Umdenken der Eigentümer, des Gemeinderats und Landratsamt bewirkt. Denn mit dem Herrenhaus sei eines der wichtigsten Gebäude und mit ihm ein Stück Identität verschwunden.

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