Auch Mädchen können Technik:Weg mit der rosaroten Brille

Am 27. März ist wieder Girls' Day: Schülerinnen können einen Tag lang typische Männerberufe kennenlernen und so ihre Scheu davor ablegen. Unternehmen wissen die Kompetenz von gut ausgebildeten Frauen durchaus zu schätzen.

Von Viola Kiel

Mädchen mögen rosa. Sie lieben Pferde und Ballett, sind besser in Kunst und schlechter in Mathe. Deswegen werden sie Erzieherin, Arzthelferin oder Verkäuferin. So einfach ist das - oder doch nicht? Tatsächlich war im Ausbildungsjahr 2012/2013 unter den fünf am häufigsten gewählten Ausbildungsberufen bei Mädchen kein einziger aus dem technischen oder naturwissenschaftlichen Bereich, Verkäuferin und medizinische Fachangestellte zählten dagegen dazu. Ein Gegengewicht will auch in diesem Jahr der bundesweite Girls' Day schaffen, der am 27. März stattfindet. Mit dabei sind wieder mehrere Unternehmen aus der Region.

Klischees und veraltete Rollenvorstellungen bestimmen unsere Gesellschaft nicht mehr ganz so extrem wie früher. Um Chancen wahrzunehmen, muss man sie jedoch erkennen - und das ist gerade bei der Berufswahl nicht immer leicht. Immer noch stark geschlechtstypisch geprägt, stellt die Wahl eines Ausbildungs- oder Studienplatzes viele Schülerinnen vor die Frage: Kann sich eine junge Frau in einem männlich dominierten Berufsfeld behaupten? Eine Initiative, um Mädchen auf möglicherweise weniger naheliegende berufliche Perspektiven aufmerksam zu machen, ist der Girls' Day. Der "Mädchen-Zukunftstag" soll Schülerinnen an Berufe aus den Bereichen Technik, Naturwissenschaften, Handwerk und Informationstechnologie heranführen. Er findet 2014 bereits zum 14. Mal statt. Gefördert wird das Programm vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, vom Bundesministerium für Bildung und Forschung, von der Europäischen Union und vom Europäischen Sozialfonds für Deutschland. Unternehmen können sich anmelden und Praktikumsplätze für einen Tag bereitstellen. Vergangenes Jahr nahmen im Landkreis Freising neun Unternehmen teil, mit einem Angebot von insgesamt 179 Plätzen. Auch heuer sind einige große Unternehmen unter den teilnehmenden Betrieben: drei Beispiele aus der Region. Weibliche Roboter-Fans bekommen bei Yaskawa Europe in Allershausen die Möglichkeit, in neu erbauten Schulungsräumen "jugendgerechte Einblicke" in die Welt der Robotik zu gewinnen. Dabei verfolgt das Unternehmen auch ein eigennütziges Ziel: Am Standort Allerhausen ist knapp ein Fünftel der Mitarbeiter weiblich, allerdings tendiert der Prozentsatz im technischen Bereich gegen Null. Marco Vörös, der für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist, hofft, dass der Girls' Day daran etwas ändern wird, "denn das Unternehmen weiß die Kompetenz von Frauen zu schätzen", so der Yaskawa-Sprecher.

Eine höhere Quote weiblicher Angestellter kann das Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung in Freising vorweisen, etwa 60 Prozent der dort Beschäftigten sind Frauen. Seit 2007 nimmt das Fraunhofer-Institut am Girls' Day teil, vor allem aus einer "öffentlichen Verantwortung" heraus, wie Luitgard Röger betont, die sich mit der Planung und Kommunikation im Landkreis Freising befasst: "Wir wollen zeigen, dass wir als Unternehmen Ideen wie den Girls' Day unterstützen. Und meistens ist es richtig nett, wenn die Mädchen kommen. Gerade die Jüngeren sind mit einem Feuereifer dabei!" Das Max-Planck-Institut in Garching engagiert sich seit 2008 beim Girls' Day. Elsbeth Collmar, Mitarbeiterin der Pressestelle am Institut für extraterrestrische Physik, hält die bestehenden Geschlechtermuster bei der Berufswahl für ein soziales Problem: "Es fängt bei der Erziehung an. Viele Kinder werden nach typischen Mustern erzogen und dadurch, wahrscheinlich unbeabsichtigt, eingeschränkt." Mit der Teilnahme am Girls' Day leiste die Einrichtung einen "Beitrag zur Emanzipation". Auch Christine Schöps von der Agentur für Arbeit hält den Girls' Day für ein "sehr sinnvolles Steckenpferd der Berufsorientierung". Sie erklärt: "Jugendliche können so persönliche Erfahrungen in einem Berufsfeld machen, das ihnen nicht auf den ersten Gedanken einfällt, und schnuppern direkt im Betrieb rein. Das ist auch für die Unternehmen von Vorteil."

Und die Resonanz ist positiv: Die Teilnehmerinnen des Girls' Day sind offenkundig regelmäßig sehr zufrieden mit ihrem kurzen Ausflug in die berufliche Männerwelt: Bei einer Befragung von über 10 000 Schülerinnen, die 2013 am Girls' Day teilgenommen hatten, gaben 95 Prozent an, dass ihnen der Tag "gut" oder sogar "sehr gut" gefallen habe.

Übrigens, wer nun das Wohl männlicher Schüler in Gefahr sieht und befürchtet, der Girls' Day würde - jetzt umgekehrt - die Buben benachteiligen, kann beruhigt sein: Die Antidiskriminierungsstelle des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend stellt klar, dass der Girls' Day dazu diene, "strukturellen Benachteiligungen entgegenzuwirken", ganz im Sinne des allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes. Und eine berufliche Orientierung steht den Buben natürlich genauso zu: Denn der 27. März ist auch Boys' Day, an dem männliche Schüler eingeladen werden, sich in eher weiblich besetzten Berufsfeldern umzusehen. Denn die Gesellschaft braucht nicht nur mehr Ingenieurinnen - auch mehr Kindergärtner würden nicht schaden.

Auf den Internetseiten www.girls-day.de beziehungsweise www.boys-day.de kann man mit Hilfe des "Radars" teilnehmende Unternehmen in der eigenen Region finden. Eine Anmeldung von Betrieben wie auch von Schülerinnen und Schüler ist ebenfalls online möglich.

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