Armut im Landkreis:Schattenseiten der Boomregion

Trotz des wirtschaftlichen Aufschwungs steigt die Zahl der Hilfsbedürftigen in Neufahrn und Eching. Die Not merkt man vor allem an Wohngeldanträgen und bei den Basaren der Nachbarschaftshilfe.

Alexandra Vettori

Die Wirtschaft boomt wieder, so ist derzeit überall zu hören. Bei den Menschen, die für das tägliche Überleben staatliche Hilfe benötigen, ist der Aufschwung aber noch nicht angekommen. Auch nicht in der Region München, wie sich in den beiden größten Gemeinden im Süden des Landkreises Freising zeigt: Die Zahl der Hilfsempfänger ist dort von 2008 auf 2009 sogar leicht gestiegen. Knapp 19.000 Einwohner zählt Neufahrn, 322 von ihnen erhalten staatliche Unterstützung. Von Echings 13.000 Einwohnern beziehen 188 Hilfe.

Bundestag beschliesst Aenderungen beim ALG II

Für Transferleistungen in Form von Arbeitslosengeld (ALG) II, Grundsicherung oder Wohngeld ist das Landratsamt Freising zuständig. Einen Rückgang der Anträge hat man hier in jüngerer Vergangenheit nicht verzeichnet, wie Pressesprecherin Eva Dörpinghaus erklärt.

(Foto: ddp)

Für Transferleistungen in Form von Arbeitslosengeld (ALG) II, Grundsicherung oder Wohngeld ist das Landratsamt Freising zuständig. Einen Rückgang der Anträge hat man hier in jüngerer Vergangenheit nicht verzeichnet, wie Pressesprecherin Eva Dörpinghaus erklärt. Den Großteil der Hilfen macht das ALG II aus, das nach einem Jahr Arbeitslosigkeit gezahlt wird. Darüber hinaus gibt es die Grundsicherung im Alter oder bei dauerhafter Erwerbsminderung.

In Eching zählt das Landratsamt 77 Bedarfsgemeinschaften, die ALG II beziehen, in Neufahrn sind es 160. Unter Bedarfsgemeinschaften fallen Singles genauso wie Familien, die Zahl der Personen ist also höher. Der Vergleich mit dem Jahr 2008 zeigt, dass die Hilfsbedürftigen mehr geworden sind: Vor zwei Jahren zählte man 75 Bedarfsgemeinschaften in Eching und 151 in Neufahrn.

Diese Zahlen bestätigt Sonja Riemensperger, die Vorsitzende der Nachbarschaftshilfe Eching. Seit 1999 ist sie im Amt und hatte in den vergangenen Jahren den Eindruck, "dass die Zahl der bedürftigen Familien merklich gestiegen ist". Vor allem bei den Basaren der Nachbarschaftshilfe sei es ihr aufgefallen: "Da stehen die Leute lange an, um ihre Sachen verkaufen zu lassen, für ein paar Euro Erlös", erzählt sie.

Martina Bock, Vorsitzende der Neufahrner Nachbarschaftshilfe, bestätigt den Trend: "Man spürt das zum Beispiel bei den Ermäßigungen, die wegen niedriger Einkommen bei den Betreuungsprojekten beantragt werden - egal ob Hausaufgaben oder Kinderpark, die Anträge werden mehr."

"Die Zahl der Tafelkunden ist stetig gewachsen"

Einem wirtschaftlichen Aufschwung bei den Menschen kann auch Elke Hildebrand noch nicht ausmachen. Sie leitet im Echinger Rathaus die dafür zuständige Abteilung Haupt- und Personalwesen. Zu Beginn der wirtschaftlichen Schieflage vor drei Jahren habe man einen Anstieg in allen Bereichen verzeichnet, "jetzt scheint es wieder besser zu gehen", so Hildebrand. Mit harten Zahlen sei das freilich noch nicht zu untermauern: Jede der 102 Sozialwohnungen in Eching sei belegt, ebenso die Notunterkünfte.

Das gelte auch für Neufahrn, sagt ihr Kollege im Neufahrner Rathaus, Wilfried Gast. Er betont aber, die Lage sei aus kommunaler Sicht schwer zu beurteilen, weil die Hilfen über das Landratsamt liefen. Francesco Cataldo, der im Echinger Bürgerbüro direkt mit den Rat- und Hilfesuchenden in Kontakt steht, sieht das ebenso, hat aber den Eindruck: "Von einem Aufschwung kann man nicht reden, ich denke, es ist eher gleich geblieben."

Ein weiterer Indikator für die Lage sind Wohngeldanträge. Wer keine anderen Transferleistungen bezieht, aber sehr wenig Geld verdient, kann einen Mietzuschuss beim Staat beantragen. In Eching zählt man 71 Bezieher, in Neufahrn 122. Auch in dem Bereich, sagt Landratsamtsprecherin Dörpinghaus, sei die Zahl seit Jahren ungefähr gleich. Gleiches gilt für die Grundsicherung, die erhält, wer eine zu kleine Rente hat oder sonst dauerhaft seinen Lebensunterhalt alleine nicht bestreiten kann.

In Neufahrn wie Eching sind das derzeit 40 Menschen. Tanja Voges organisiert die Tafel in Hallbergmoos, wo sich Bedürftige mit gespendeten Lebensmitteln eindecken können. Die Menschen kommen nicht nur aus Hallbergmoos, sondern auch aus Neufahrn und Eching. In den fünf Jahren, die es die Tafel gibt, berichtet Voges, "ist die Zahl der Tafelkunden stetig gewachsen". Derzeit liegt man bei wöchentlich 40 Einkäufern, die Voges zufolge "rund 200 Menschen Sachen mitbringen".

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