Antonina/Brasilien:Im Zweifel für die Besseren

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Eine ehemalige SZ-Mitarbeiterin erlebt die WM in Brasilien

Von Gabriela Bergmaier, Antonina/Brasilien

Jetzt ist es also da, das große Duell dieser Fußballweltmeisterschaft. Der Sekt liegt im Kühlschrank. Für den Fall, dass WIR gewinnen. Aber, wer sind denn "wir"? Wir aus Allershausen, aus Freising, aus München? Die Frage beschäftigt nicht nur mich, sondern auch die Bäcker, Metzger und Händler Antoninas. Antonina, eine kleine Hafenstadt im Süden Brasiliens, weit ab von großen Städten, aber nahe am Regenwald. Auch dort findet sie statt, die WM, zum Beispiel dann, wenn ich einkaufen gehe. Statt der Frage, wie viele Semmeln ich denn gerne hätte, bekomme ich jetzt Fragen zur Weltmeisterschaft, zum großen Duell Brasilien gegen Deutschland.

"Und, weißt du schon, wen du anfeuern wirst?", fragt die Bäckerin. "Natürlich, die Besseren", sage ich und denke, dass das sehr diplomatisch sei. Brasilianer sind ein wenig patriotisch, das muss respektiert werden. Die Bäckerin strahlt über meine Antwort. Die Besseren, klar, das müssen die Brasilianer sein. "Sechs", sage ich und werde gleich noch freudiger unterbrochen. "Ja, sechs. Wir werden uns den sechsten WM-Titel holen", sagt sie und breitet schon die Arme aus, so als würde sie mich umarmen wollen. "Nein, sechs Semmeln hätte ich gerne", rutscht es mir heraus.

Das hätte ich lieber bleiben lassen. Schwupps ist es weg das Lächeln. "Ach, dann feuerst du also nicht die Brasilianer an?", funkelt es mir aus engen Augenschlitzen entgegen. Jetzt nur nicht noch tiefer ins Fettnäpfchen treten. Der Metzger von nebenan schaut auch schon ganz düster. "Äh, doch, doch", stammle ich und deute zaghaft auf die Semmeln.

"Na, jetzt, wo du in Brasilien lebst, musst du auch die Seleção anfeuern", mahnt die Bäckerin und ignoriert meine Geste in Richtung Semmeln. Ganze Fußballwelten trennen mich von ihnen. Plötzlich mischt sich auch noch der Metzger von nebenan mit ein und los geht die Diskussion, wen ich denn anfeuern soll.

Gabriela Bergmaier, früher Mitarbeiterin der SZ Freising, lebt seit 2004 in Brasilien. (Foto: privat)

Zum Auftakt steht es Eins zu Null für die Bäckerin. Sie bekommt Rückenstärkung von ihrer Kollegin. Da legt der Metzger zum Ausgleich an, dribbelt nach vorne und: Eins zu Eins. "Die hat es doch gut", sagt der Metzger. "Sie kann gleich beide anfeuern." Der Supermarktleiter stimmt zu. "Genau", schallt es aus der Schlange vor der Bäckerei. "Solange Deutschland gut spielt, feuert sie die Deutschen an und wenn die Seleçao stürmt, die Brasilianer." Jawohl! Schade eigentlich, dass sich die beiden Mannschaften schon jetzt, und nicht erst im Finale gegenüberstehen. "Sonst hätte ich doppelt gefeiert, den Weltmeister und den Vize". Jubel kommt auf. Das Supermarktstadion grölt. Jetzt herrscht Feststimmung und ich bekomme sie doch noch, meine Semmeln.

Das nächste Mal werde ich vorsichtshalber gleich mein gelbes Hemd von der Seleção anziehen, das mir der Allershauser Gemeinderat zum Abschied geschenkt hat.

© SZ vom 08.07.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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