Freisinger Biografien:Eine Frau geht ihren Weg

Freisinger Biografien: Paula Weber-Schäfer ist Freisingerin durch und durch.

Paula Weber-Schäfer ist Freisingerin durch und durch.

(Foto: Marco Einfeldt)

Mit 27 Jahren musste Paula Weber-Schäfer die Spedition ihrer Eltern übernehmen und hat sich in der Männerbranche behauptet. Die 76-Jährige berichtete in einem Gespräch mit der SZ 2018 über anfängliche Schwierigkeiten und ihre Zeit an der Seite des früheren Oberbürgermeisters Adolf Schäfer.

Interview von Kerstin Vogel

Paula Weber-Schäfer, die einstige Stadträtin und Frau des 2009 verstorbenen früheren Freisinger Oberbürgermeisters Adolf Schäfer, war 27, als ihre Eltern beide mit 60 innerhalb von sieben Monaten gestorben sind. Ihr Vater war zuvor zwei Jahre krank, ihre Mutter starb in einer Nacht an einer Thrombose. "Das war brutal", sagt die heute 76-Jährige, die sich damals unvermittelt vor der Aufgabe sah, die Spedition ihres Vaters weiterführen zu müssen. Über ihre Erinnerungen hat sie mit der Freisinger SZ  gesprochen.

SZ: Nach dem Tod Ihrer Eltern haben Sie eine komplette Spedition übernehmen müssen. Das war für eine Frau nicht ganz gewöhnlich in der damaligen Zeit . . .

Weber-Schäfer: Das war ganz und gar nicht gewöhnlich. Es war natürlich gut, dass ich schon im Betrieb war. Aber wie es halt so in den Firmen ist, wo die Väter die Chefs sind, war man für die eigentlich existenziellen Dinge ja nicht zuständig - als da wären Finanzen und Personal. Da war ich auf dem Level von unseren Arbeitern. Aber ich habe das immense Glück gehabt, dass am Grab meiner Mutter die Arbeiter gekommen sind und gesagt haben: "Du, das geht so weiter wie bisher." Das war ein ungeheures Vertrauensverhältnis. Wir haben ja noch mit Lohntüte ausbezahlt, wöchentlich, wir hatten damals 23 Mitarbeiter, die sicher sein mussten, dass das Geld kommt, weil die Familien da dranhingen. Und dann habe ich halt versucht, das so aufzubauen, dass wir das zusammen machen.

Und sind Sie denn gleich akzeptiert worden als Chefin und bei den Kollegen?

Bei sämtlichen Spediteursversammlungen war ich als Weiblein alleine auf weiter Flur. Aber ich habe nur ganz wenig blöde Sachen erlebt. Sie haben halt ein bisschen geschaut und die lieben Kollegen haben gefragt, wie ich das in der Firma mache, ob ich mich duzen lasse, da würde ich mich ja unter Wert verkaufen. Hab ich gesagt: Ja logisch, soll ich jetzt plötzlich sagen, "Grüß Gott, jetzt bin ich die Chefin, jetzt sagst Sie zu mir?" Da hätte es nur geheißen: "Jetzt is narrisch worn, jetzt spinnts komplett." Zehn Jahre später haben mir die Kollegen dann ganz wunderbar erläutert, dass man sich im Verhältnis zu den Mitarbeitern viel mehr öffnen soll. "Ach geh, hab ich gesagt, dafür habt ihr mich früher ausgelacht."

Würden Sie denn sagen, dass Sie eine emanzipierte Frau waren?

Ich habe es nicht mit dem Ausdruck belegt. Ich habe getan, was getan werden musste, ob das jetzt gerade für eine Frau üblich war oder nicht: Die Frage hat sich nicht gestellt. Aber ich war schon immer der Meinung, dass eine Frau das selber entscheiden können muss. Sie muss ja nachher auch dafür geradestehen.

Man musste aber sicher eine gewisse Stärke für so einen Weg haben . . .

Überwindung. Stärke möchte ich nicht sagen, weil man bekommt bei bestimmten Dingen schon das Knieschlottern. Da sind Sachen vorgekommen, wo es dann geheißen hat, ich hätte viel zu teures Personal. Aber die lang gedienten Mitarbeiter waren ja mein einziger Rückhalt, dass die nicht billig waren, das ist ja klar. Aber ich hätte die doch nicht ausstellen können und dann junge einstellen, die keine Ahnung haben, das wäre der Todesstoß gewesen.

Sie haben Ihren Vater erst sehr spät kennengelernt, weil der im Krieg war.

Ja, der war zu meinem ausgerechneten Geburtszeitpunkt in Frankreich, er hatte eigentlich auch Urlaub, aber ich kam nicht . . . er musste nach 14 Tagen wieder einrücken - und hat mich an Weihnachten 1944 das erste Mal gesehen, da war ich fast vier. An dem Weihnachtsabend donnert auf einmal jemand an unsere Fensterläden, sagt: Mach auf, ich bin's. Ich seh ihn noch. Ein himmellanges zaundürres Mannsbild, grauer Uniformmantel, Mütze, der Mantel bis zum Knöchel runter - und dann hab ich, wie ich es gelernt habe, noch seine Pantoffeln gesucht und hingestellt und dann hab ich mich hinter dem Rockzipfel meiner Mutter versteckt und gedacht, wann geht denn der Mann wieder? Das muss für ihn auch furchtbar gewesen sein.

Das Problem war später, dass er von mir immer mehr verlangt hat,als meinem Alter entsprochen hat. Er hatte mich ja als Säugling nicht erlebt. Schwierig war auch, dass er von meiner Mutter, die die Spedition zusammen mit gefangenen Franzosen über den Krieg gerettet hat, erwartet hat, dass sie an den Herd zurückkehrt, wenn er wiederkommt. Und sie hat das mitgemacht, das habe ich nicht verstanden.

Und wie sind Sie dann selber in das Spediteursgeschäft geraten?

Ich hab die Handelsschule besucht und war bei der damals größten Möbel-Spedition in München. Und ich wollte nicht heim. Alle Vierteljahr kam mein Chef und hat gesagt, dass mein Vater angerufen habe, dass ich heimkommen soll. Aber der Chef hatte sich per Handschlag bestätigen lassen, dass ich mindestens zwei Jahre bleiben darf. Als ich dann doch in die Firma meines Vaters eingetreten bin, war ich das letzte Glied, das blödeste Rindvieh überhaupt. Das war furchtbar. Ich würde niemandem raten, die Ausbildung oder sonst was im elterlichen Betrieb zu machen.

Sie haben Ihren Mann Adolf Schäfer erst sehr spät geheiratet . . .

Ja, ich hab mit 47 das Heiraten angefangen (lacht). Christa und Adolf Schäfer waren Freunde von mir. Die habe ich kennengelernt über das Theaterspielen, weil bei den Premieren Oberbürgermeisters immer da waren, und dann natürlich im Stadtrat. Ich war zehn Jahre lang im Freisinger Stadtrat. Christa ist 1986 leider gestorben und 1988 haben wir geheiratet. Ich musste dann raus aus dem Stadtrat, weil das damals in diesem Gremium nicht erlaubt war, dass ein Ehepaar gemeinsam da drin sitzt. Im Kreistag war das schon erlaubt.

Freisinger Biografien: Das Ehepaar 2007 bei einem Empfang für Adolf Schäfer (2.v.l.) im Bayerischen Hof mit dem damaligen OB Dieter Thalhammer (l.) und Ludwig Schrittenloher (r., Landrat von 1966 bis 1996).

Das Ehepaar 2007 bei einem Empfang für Adolf Schäfer (2.v.l.) im Bayerischen Hof mit dem damaligen OB Dieter Thalhammer (l.) und Ludwig Schrittenloher (r., Landrat von 1966 bis 1996).

(Foto: Archivfoto: Marco Einfeldt)

. . . sie hatten auch diesen Hund . . .

(lacht) Ja, den Wutzel. Das war ein Shih-Tzu-Pudel-Mischling. Der war auch mit im Stadtrat und hat sich immer ganz schrecklich gefreut, wenn der Stadtrat Völlinger als Betriebsarzt um 22 Uhr zu Texas musste, weil dann hat der Wutzel seinen Stuhl bekommen. Theater hat er auch noch gespielt, bei der Teufelsbraut hat er mitgespielt und ist fast 18 Jahre alt geworden.

Interessieren Sie sich noch für die Stadtpolitik, sind Sie da noch involviert?

Na, nach 30 Jahren Kommunalpolitik habe ich gesagt: Jetzt ist Schluss. Ich gehe auch zu den Versammlungen nicht mehr hin. Weil, wenn sich da Diskussionen entwickeln und man redet mit, dann heißt es: "Jaja, arbeiten tut sie nichts mehr, aber reden immer noch" - das mag ich nicht.

Aber verfolgen Sie noch, was so entschieden wird?

Ich verfolge das dergestalt, dass ich mir denke, dass es nicht gut sein kann, wenn man meint, alles parallel machen zu müssen. Ich kenne das halt so, dass man eine große Sache anpackt, versucht, sie zu finanzieren und dann zu einem Ende bringt. Aber nicht, dass von der Eishalle übers Schwimmbad über Asam über die neue Innenstadtkonzeption alles gleichzeitig laufen muss. Wir sind doch irgendwann pleite. Und da darf ich mich gar nicht reindenken, weil mich das ärgert.

Und Sie haben noch ein Büro in der Spedition. Arbeiten Sie ernsthaft noch?

Nein. Ich schaue, dass ich möglichst viele Leute dazu bewegen kann, dass sie mit uns umziehen (lacht). Nein, die freuen sich in der Firma, wenn ich komme, ich freue mich, wenn ich kommen darf, aber ins Tagesgeschäft mische ich mich nicht ein.

Wie war es für Sie, die "First Lady" von Freising zu sein?

Ich war eigentlich immer Paula. Für die Leute hat sich ja nichts geändert und für mich vielleicht, dass ich an anderer Stelle stand, aber es hat sich weder meine Einstellung geändert noch sonst irgendwas. Und die Leute waren überaus herzlich, die haben mir das gegönnt. Ich hatte mit keinerlei Anfeindungen zu kämpfen.

Haben Sie zuhause viel Politik besprochen mit Ihrem Mann? Haben Sie da Einfluss genommen?

Geredet haben wir meistens vor Sitzungen, wenn halt wieder schwierige Dinge anstanden. Er hat ja auch immer kämpfen müssen. Nachdem er 1978 aus der SPD ausgetreten war - er hat dauernd Probleme mit Carmen König gehabt und mit den Jusos -, war er ja parteilos. Wir Parteifreien haben ihn halt immer wieder aufgestellt.

Freisinger Biografien: 2011 hat Paula Weber-Schäfer auf der Waldbühne Oberberghausen in Ludwig Thomas düsterem Volksstück "Magdalena" einen großartigen Auftritt als liebende Mutter hingelegt, die am Ende vor Gram auf der Bühne stirbt.

2011 hat Paula Weber-Schäfer auf der Waldbühne Oberberghausen in Ludwig Thomas düsterem Volksstück "Magdalena" einen großartigen Auftritt als liebende Mutter hingelegt, die am Ende vor Gram auf der Bühne stirbt.

(Foto: Archivfoto: Marco Einfeldt)

Wie sehen Sie die jungen Leute von heute?

Ich sehe, dass die einem großen Druck ausgesetzt sind und einer großen Belastung. Und was mich berührt, ist, die haben ein Riesen-Studium und eine Ausbildung - und dann kriegen sie Zeitverträge. Das ist grausam. Ich weiß noch so gut, wie unsere Rex in der Handelsschule gesagt hat, ihr habt die Chance, wenn ihr die Ärmel aufstrickt und arbeitet, könnt ihr was erreichen - und wenn ihr keine Anstellung findet, sagt mir Bescheid, dann helfe ich. Sie hat dafür gesorgt, dass alle gut untergebracht waren. Das finde ich heute so grausam, dass die Aussichten so schlecht sind.

Gibt es denn auch etwas, was besser ist für junge Menschen als zu Ihrer Zeit?

Ja klar, weil man überall hinkann. Wir waren ja eingesperrt. Das war nach dem Krieg, man hat nicht irgendwo hinfahren dürfen oder können, womöglich noch ins Ausland. Das war ja was Gigantisches. Als ob da irgendwie so eine Wand war und dahinter dann das Ausland.

Wann haben Sie Ihre erste Auslandsreise gemacht?

Ich war noch nicht in vielen Ländern. In Frankreich, aber sonst? In Österreich, aber sonst nirgends. Ich bin weder ein Urlaubsmensch noch ein Reisemensch.

Sie waren 27, als Sie die Firma übernahmen. Was würden Sie einer 27-Jährigen heute raten, wie sie ihr Leben leben soll?

Es ist halt jedes Leben anders, je nachdem, in welcher Situation man ist - ist man verheiratet oder nicht, weil Familie ist schon sehr wichtig. Ausbildung in jedem Fall so gut und so vielseitig wie möglich - und dass man sich nicht auf eine Sache total festlegt. Man muss immer versuchen, unabhängig zu sein. Dass man noch die Möglichkeit hat, klarzukommen, wenn man mal allein dasteht - was in der heutigen Zeit ja viel öfter passiert als früher. Wir müssen schon ehrlich sein. Früher waren die Frauen oft nicht in der Lage, alleine zu existieren, darum sind sie bei ihren Männern geblieben, obwohl sie die schon lange nicht mehr aushalten wollten. Das ist heute auf alle Fälle besser.

Gibt es etwas, wo Sie sagen, das möchte ich unbedingt noch machen? Irgendeine Rolle, die Sie noch spielen wollen?

Nein. Da müsste schon etwas ganz Besonderes daher kommen. Was ich mir unbedingt gewünscht hätte, dass ich mit meinem Mann alt werden darf, das ist nicht in Erfüllung gegangen. Das ist jetzt das achte Jahr, dass er gestorben ist, und das ist hart. Man kann mit niemandem mehr reden, man muss alles mit sich ausmachen, man weiß nicht, macht man es recht - und man ist auch nicht mehr belastbar. Ich kann mich den Problemen nur noch scheibchenweise stellen. Wir waren einfach ein verdammt gutes Team.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: