Airline auf Sparkurs:"Unter der Gürtellinie"

Airline auf Sparkurs: Vor einer ungewissen Zukunft: Ramin Boueshaghi (re.), Betriebsratsvorsitzender bei British Airways, sein Stellvertreter Jeff Trotter und Steffi Kaufmann mit den Kündigungsschreiben.

Vor einer ungewissen Zukunft: Ramin Boueshaghi (re.), Betriebsratsvorsitzender bei British Airways, sein Stellvertreter Jeff Trotter und Steffi Kaufmann mit den Kündigungsschreiben.

(Foto: Betriebsrat)

British Airways will am Münchner Flughafen 33 Stellen streichen und die Aufgaben einem privaten Anbieter übertragen. Verdi kritisiert, dass damit die Löhne gedrückt werden - und der Betriebsrat kämpft um einen Sozialplan.

Von Petra Schnirch, Flughafen

Die Kündigungen sind zwei Tage vor Heiligabend eingegangen, derzeit ringt der Münchner Betriebsrat von British Airways (BA) noch um einen Sozialplan für die Mitarbeiter. Die Verhandlungen mit dem Arbeitgeber gestalten sich zäh. Zum 1. Juli will die Airline am Münchner Flughafen 33 Stellen streichen, nur die Airport-Managerin soll ihren Job behalten. British Airways war die einzige ausländische Fluggesellschaft im Erdinger Moos, die sich noch eigenes Personal leistete. Künftig soll ein privater Anbieter die Aufgaben übernehmen. Er ist bereits am Airport tätig und zahlt nach Angaben der Gewerkschaft Verdi Löhne auf Mindestlohn-Niveau oder knapp darüber.

Für Gewerkschaftssekretär Ulrich Feder setzt sich damit bei der Abfertigung von Flugzeugen und Passagieren eine Abwärtsspirale fort, die seit Jahren zu beobachten sei. Für Air France beispielsweise erledigt seit 2012 eine Fremdfirma die Arbeit an Check-in und Ticketschaltern. Nur die Lufthansa leistet sich noch eigenes Personal. Auch bei den Dienstleistungen am Vorfeld drückt Billigkonkurrenz die Löhne. Die Fluktuation bei den Handling-Unternehmen sei hoch, sagt Feder.

British Airways spricht von "einer schwierigen Entscheidung". Das Unternehmen müsse wettbewerbsfähig bleiben, um den Kunden niedrige Gebühren sowie guten Service bieten zu können. Der Münchner BA-Betriebsratsvorsitzende Ramin Boueshaghi hält dagegen, dass die Airline finanziell glänzend dastehe. "Es geht um reine Gewinnmaximierung."

Die Abwicklung der Arbeitsverhältnisse geht alles andere als geräuschlos vonstatten. Der Münchner Betriebsrat kämpft darum, dass er mit dem Arbeitgeber einen eigenen Sozialplan aushandeln darf. Das Ergebnis des Gesamtbetriebsrats - auch an den Stationen in Hamburg, Düsseldorf und Frankfurt werden Mitarbeiter entlassen - benachteiligt laut Boueshaghi vor allem Arbeitnehmer, die älter als 60 Jahre sind: Sie sollen geringere Abfindungen als jüngere Kollegen erhalten, obwohl sie zum Teil seit 40 Jahren im Unternehmen sind. Nach dem Bezug von Arbeitslosengeld I sollen sie dann mit Abschlägen vorzeitig in Rente gehen. Bei Beschäftigten unter 60 lägen die angebotenen Abfindungen sehr viel höher. Der Betriebsrat fordert deshalb, auch das Lebensalter bei der Berechnung zu berücksichtigen. In einem Punkt ist Boueshaghi optimistisch: "Es zeichnet sich ab, dass wir zu 99 Prozent zuständig sind" - dass die Münchner also über einen Sozialplan verhandeln dürfen. Seiner Ansicht nach hat sich der Gesamtbetriebsrat über den Tisch ziehen lassen. "Das war einer der schlechtesten Sozialpläne der letzten 14 Jahre" bei British Airways.

27 Kündigungen hat die Airline am Standort München ausgesprochen, ein Mitarbeiter ist mittlerweile in Rente gegangen, die übrigen Kolleginnen haben befristete Verträge. Wie dies alles abgelaufen sei, "war unter der Gürtellinie", kritisiert Ramin Boueshaghi. In einem Fall hätten die Boten das Kuvert mit dem Kündigungsschreiben spielenden Kindern vor dem Haus übergeben, bei anderen sei für die ganze Hausgemeinschaft ersichtlich gewesen, dass es sich um eine Entlassung handele, da der Umschlag mit entsprechender Aufschrift aus dem Briefkasten ragte. Ihn selbst habe eine "total aufgelöste" Nachbarin angerufen. "Es geht hier auch um Datenschutz."

Die Zustellung zwei Tage vor Weihnachten hat für Boueshaghi System: Der Termin unmittelbar vor den Ferien habe es erschwert, Kündigungsschutzklage einzureichen. Dafür gilt eine Frist von drei Wochen, in den beiden Ferienwochen aber waren viele Anwälte in Urlaub. Aufhebungsvereinbarungen seien gleich mitgeschickt worden. 20 Mitarbeiter hätten dennoch Klage eingereicht. Am 4. April sollen die Beschäftigten freigestellt werden. Einige wären bereit, an einen anderen BA-Standort zu wechseln.

Die Aufgaben an Check-in, Ticketschaltern und Rampe soll künftig eine private Handling-Gesellschaft übernehmen - zu Dumping-Preisen, wie Verdi kritisiert. Er habe bisher vergeblich versucht, mit dem Unternehmen Kontakt aufzunehmen, sagt der Betriebsratsvorsitzende. Auch das Thema Übernahme beschäftigt derzeit die Juristen. Der Betriebsrat geht davon aus, dass es sich um keine Betriebsschließung handele, sondern um einen "klassischen Betriebsübergang". Dann müsste das Personal übernommen werden - zu den bisherigen Konditionen. Und British Airways bezahlt gut, auch für die Altersvorsorge.

Seit 20 Jahren "schwebt das Damoklesschwert des Outsourcing nun schon über uns", schildert Boueshaghi. Mitte 2016 erfuhr der Betriebsrat dann, dass in dieser Runde auch die Station München betroffen sei. London fahre einen strikten Sparkurs.

Dem Antrag des Betriebsrats, eine Einigungsstelle einzusetzen, um den Sozialplan auszuhandeln, hat das Arbeitsgericht München stattgegeben, ein Termin ist für Mitte Februar angesetzt. Das Unternehmen geht laut Boueshaghi jedoch auch dagegen vor. Er wirft British Airways eine "Verzögerungstaktik" vor. In einem Statement der Airline zu den Kündigungen heißt es lapidar, dass man den Kollegen, die das Unternehmen verlassen werden, "für ihre harte Arbeit und Professionalität danken möchte".

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