Ärger und Frust bei den Startbahn-Gegnern:"Von Seite zu Seite werde ich wütender"

Flughafenanlieger reagieren empört auf die Genehmigung der dritten Startbahn - Kardinal Marx: "Wir werden nicht verkaufen"

Kerstin Vogel und Christian Krügel

Die Regierung von Oberbayern hat mit ihrer Baugenehmigung für die dritte Startbahn im Umland des Münchner Flughafens große Empörung hervorgerufen. Freisings OB Dieter Thalhammer sprach von einem "Schock", der CSU-Landtagsabgeordnete Florian Herrmann zeigte sich enttäuscht, und die betroffenen Bürger waren vor allem wütend. Das Aktionsbündnis "Aufgemuckt" kündigte bereits einen "heißen Herbst" an, eine erste Demonstration soll am Freitag vor der CSU-Landeszentrale in München stattfinden.

Münchens Oberbürgermeister Ude äußerte zwar Verständnis für die Sorgen der Freisinger ("Als Freisinger OB wäre ich auch dagegen") hält aber den Bau langfristig für notwendig und verweist auf das klare Votum des Münchner Stadtrats dazu. Mit einem raschen Baubeginn rechnet er allerdings nicht: Der SZ sagte er, die dritte Startbahn werde sicher nicht in seiner Amtszeit in Betrieb genommen werden können, also nicht vor 2014. "Im nächsten Jahr wird es ganz sicher keine Bautätigkeit geben, zunächst wird es zu einer gerichtlichen Klärung kommen", glaubt Ude.

Zwar hatten die Menschen in der Flughafenregion durchaus erwartet, dass die Regierung einen positiven Planfeststellungsbeschluss für die dritte Startbahn erlassen würde. Dass sich dort jedoch von ihren zahlreichen Einwänden so gar nichts wiederfinden würde, überraschte dann doch. Die Bahn wurde in der vollen Länge von 4000 Metern genehmigt, die erhoffte Beschränkung auf eine reine Landebahn sucht man vergeblich - einzig eine Nachtruhe von 22 bis sechs Uhr wurde festgeschrieben; zu wenig an Auflagen, wie Herrmann findet. Auch sein Landtagskollege, der frühere Freisinger Landrat Manfred Pointner (FW), nannte es bedauerlich, dass die Möglichkeiten, den Ausbau für die Anwohner erträglicher zu gestalten, kaum genutzt worden seien.

Die Regierung nimmt kommentarlos die Bedarfsprognosen der Flughafengesellschaft hin", kritisierte Helga Stieglmeier, Erdinger Sprecherin von Aufgemuckt - und kündigte eine härtere Gangart an: "Alle Gespräche, ob mit Ministerpräsident, Minister oder Parteien haben nichts gebracht. Damit werden wir künftig nicht mehr unsere Kraft verschleudern." Auch Herbert Knur, Bürgermeister der Gemeinde Berglern, rüstet sich für den groß angelegten Widerspruch - und gräbt sich durch den 3000-Seiten langen Beschluss. "Von Seite zu Seite werde ich wütender", sagt er. Er ist fassungslos, dass die Einwände der Gemeinde unberücksichtigt blieben: "Das hätte der Flughafen auch alleine erstellen können."

Wie das Leben in seiner Gemeinde zukünftig aussehen soll, kann er sich nicht vorstellen - und ähnlich geht es den Attachingern. In dem Freisinger Stadtteil herrschte am Dienstag eine Mischung aus Frustration, Zorn und Ratlosigkeit. "Wir verlieren unsere Heimat", sagte Franz Spitzenberger, Chef der örtlichen Bürgerinitiative wütend. Dass die Regierung immerhin ein Entschädigungsgebiet festgesetzt hat, das sehr viel größer ist, als es sein müsste, tröstet niemanden. Rund 100 Attachinger Eigentümer sollen ihre schwer von Fluglärm betroffenen Grundstücke an die FMG verkaufen können,das Problem ist nur, dass die Attachinger nicht verkaufen wollen.

Sie hoffen nun auf die Kirche und auf

Kardinal Reinhard Marx, Erzbischof von München-Freising. Ihm könnte jetzt eine Schlüsselposition im Streit um den Neubau zukommen: Der katholischen Kirche gehören wichtige Grundstücke, die die Flughafen München GmbH zum Bau der dritten Startbahn bräuchte. "An der Haltung der Kirche hat sich durch den Planfeststellungsbeschluss nichts geändert. Wir werden die Grundstücke nicht verkaufen", sagte Kardinal Marx der SZ am Dienstag. Er gehe davon aus, "dass die Frage, ob die dritte Startbahn gebaut werden darf oder nicht, letztlich vor Gericht entschieden werden muss".

Der Kardinal hofft auf eine offene Debatte über den Neubau: "Wir haben viel Verständnis für die Sorgen der Anlieger. Wichtig ist und bleibt, dass wirklich alle Gruppen in den Diskussionsprozess einbezogen werden und hier niemand ausgegrenzt wird." Sollte sich die Kirche tatsächlich den Plänen der FMG widersetzen, müsste der Staat notfalls enteignen - für viele Katholiken wäre das aber ein unglaublicher Affront. Marx hält sich dazu aber noch zurück: "Über die Frage von Enteignungen wollen wir uns jetzt noch keine Gedanken machen."

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