14. September 2006:Eine Stadt im Ausnahmezustand

14. September 2006: In einer Art Triumphzug ist Papst Benedikt XVI. vor zehn Jahren durch Freising gefahren.

In einer Art Triumphzug ist Papst Benedikt XVI. vor zehn Jahren durch Freising gefahren.

(Foto: FRG)

Vor zehn Jahren hat der damalige Papst seine alte Wirkungsstätte Freising besucht. Die Erinnerung daran ist bei vielen Beteiligten noch sehr lebendig, auch wenn reine Benedikt-Führungen inzwischen kaum noch gefragt sind.

Von Laura Caspari und Peter Becker, Freising

Vor zehn Jahren hat Papst Benedikt XVI., geboren als Joseph Ratzinger, die Stadt Freising besucht. Damals säumten viele Tausend Menschen die Straßen und jubelten dem Oberhaupt der katholischen Kirche zu. Dabei war ein Besuch an dem Ort, an dem er seine Priesterweihe empfangen hatte und als Professor für Dogmatik an der philosophisch-theologischen Hochschule auf dem Domberg gelehrt hatte, gar nicht vorgesehen. Es bedurfte viel Überredungskunst, das Konzept der Deutschland-Reise von Benedikt XVI. zu ändern und die Kurie von einer Stippvisite an Joseph Ratzingers früherer Wirkungsstätte zu überzeugen.

Wegen der Sicherheitsauflagen hatte die Stadt eine Mammutaufgabe zu stemmen. Die Freisinger SZ sprach mit Menschen, die vor zehn Jahren in besonderer Weise am Papstbesuch mitgewirkt hatten. Wenngleich dessen Mythos mittlerweile ein wenig verblasst ist, so sind sie sich doch darin einig, dass der 14. September 2006 für immer ein herausragender Tag in der Geschichte Freisings bleiben wird.

Der leise Diplomat

Dass der Papst entgegen dem ursprünglichen Protokoll nach Freising kam, ist der leisen Diplomatie des damaligen Oberbürgermeisters Dieter Thalhammer zu verdanken. Während andere Kommunalpolitiker das Oberhaupt der katholischen Kirche lautstark zu einem Besuch Freisings aufforderten, nutzte Thalhammer seine Kontakte zu Kardinal Friedrich Wetter, damals Erzbischof von München und Freising. In ihm fand er einen Unterstützer der Idee, die päpstliche Kurie zu einem Kurzbesuch in Freising zu bewegen. "Er versprach, dass er das auf den Weg bringt", erinnert sich Thalhammer. "Er hatte für Freising ein offenes Ohr." Und es gelang.

Der besondere Coup bestand darin, dass die Bevölkerung am Papstbesuch teilhaben konnte. Das sei ursprünglich nicht vorgesehen gewesen, sagt Thalhammer. Zunächst sollte Benedikt XVI. nur eine Messe im Dom lesen. "Doch es ist anders gekommen." Der Papst fuhr quasi im Triumphzug durch Freising und hinauf zum Dom. Dort warteten 300 Besucher auf ihn, die Karten für den Besuch der Messe erhalten hatten. "Das war ein einmaliges Erlebnis", sagt Thalhammer bewegt. Was den Alt-Oberbürgermeister besonders beeindruckt hat: "Als ich ihn mit Landrat Manfred Pointner empfangen habe, hat er mich mit meinem Namen begrüßt." Thalhammer resümiert, dass der Papstbesuch ein einmaliges Ereignis für die Stadt war. "Das kommt so schnell nicht wieder."

Der eigens Angereiste

Der aktuelle Kulturreferent der Stadt, Hubert Hierl, weilte zur Zeit des Papstbesuches noch in der Bayerischen Landesvertretung in Berlin, war aber selbstverständlich beim Papstbesuch in Freising dabei, auch bei der Messe im Dom. "Ich hab ihn gut gesehen", erinnert er sich. Benedikt XVI. habe sich nicht an sein Skript gehalten. "Er hat frei aus dem Herzen erzählt, wie er sich fühlt", sagt Hierl. "Das war ergreifend." Er begegnete dem Papst in Rom zur der Verleihung der Ehrenbürgerwürde ein weiteres Mal. Dort habe Benedikt XVI. die Bayernhymne mitgesungen und sich über das mitgebrachte Bier gefreut.

Die Besorgte

Ulrike Götz, Leiterin des Stadtmuseums, wirkte im Vorfeld des Papstbesuches an der historischen Aufbereitung der Vita von Joseph Ratzinger für den Tourismus mit. Sie erzählt, dass sie am Tag vor dem Papstbesuch nicht nach Hause nach München gefahren sei - aus Sorge, sie komme wegen des prognostizierten Verkehrschaos am anderen Morgen nicht mehr nach Freising hinein. Sie hat ein Zimmer in einem Hotel genommen und ist am Abend durch die Stadt gegangen. Sie habe die Erwartungsstimmung gespürt, erzählt sie. Auf ihrem Weg beobachtete sie, wie nach und nach die Absperrgitter emporwuchsen. "Die Stadt hat sich verändert." Besonders fasziniert haben sie damals die individuell geschmückten Straßen. Den "herausragenden Tag in der Stadtgeschichte", wie Ulrike Götz sagt, hat sie selbst als einer der 300 Gäste im Dom miterlebt. "Ich hatte einen guten Blick auf den Papst." Götz wird der Tag für immer in Erinnerung bleiben. "Der Besuch des Papstes in der eigenen Heimat ist etwas Außergewöhnliches."

Der Versiegler

Peter Mitterhofer vom Freisinger Ordnungsamt wird die Tage rund um die Visite von Benedikt XVI. gewiss nie vergessen. Sie gehören zu den arbeitsreichsten und gleichzeitig zu den erfüllendsten in seinem Berufsleben. Ihm oblag damals die Aufgabe, alle möglichen Kanaldeckel, Briefkästen und sonstigen Gegenstände, von denen ein Anschlag hätte ausgehen können, zu versiegeln. Wie viele das waren, weiß Mitterhofer nicht mehr. "Das war eine vierstellige Zahl", erinnert er sich vage. Mit seinen Kollegen entwickelte er die "Freisinger Methode". Das heißt, dass die Kanaldeckel nicht wie üblich verschweißt, sondern mit Klebeband versiegelt wurden. Pausenlos war Mitterhofer mit seinem "tollen Team", wie er sagt, im Einsatz. Er spricht von einem einschneidenden Erlebnis. "Es war gigantisch und dienstlich ein Traum", schwärmt er. Ihm war damals freie Hand bei der Organisation gelassen worden. Dem Papst selbst ist er nicht begegnet, weil er sich die ganze Zeit über in der Sicherheitszentrale in der Freisinger Feuerwache aufgehalten hatte.

Der Gelassene

Diakon Walter Schwind, selbst in die Organisation des Priestertags mit dem Papst eingebunden, spricht von einem großartigen Ereignis. Im Gegensatz zu vielen anderen stand er der Begegnung mit dem Papst gelassen gegenüber. "Er hat mich ja zum Diakon geweiht", sagt Schwind und lacht. Die Begegnung sei für ihn etwas Selbstverständliches gewesen. So wie er etwa einem Klassenkameraden begegnen würde, der Bundeskanzler geworden ist. Man kenne sich halt von früher. Seine anderen Begegnungen mit einem Papst haben für ihn einen anderen Stellenwert, wie etwa 1980 mit Johannes Paul II. auf der Münchner Theresienwiese oder anlässlich der Seligsprechung von Pater Rupert Mayer.

Der nicht so Gelassene

Für Anton Frankl, damals Einsatzleiter der Feuerwehr, verlief der Papstbesuch alles andere als gelassen. "Wir haben uns auf den Tag vorbereitet fast wie auf eine Katastrophenlage", erzählt der Feuerwehrkommandant. Polizei, Feuerwehr und alle beteiligten Organisationen hätten hervorragend zusammengearbeitet. "Das hat gut funktioniert und natürlich auch viel Spaß gemacht", erinnert sich Frankl. Und das, obwohl er als Einsatzleiter schon um vier Uhr auf dem Weg zur Feuerwehrwache war, um über 200 Einsatzkräfte zu koordinieren - auch wenn er an diesem Morgen nicht allein war. "Als ich durch die Stadt gefahren bin, habe ich schon Menschen am Marienplatz und an den Straßen stehen sehen." Um einen guten Blick auf den Papst zu erhaschen, sicherten sich die Freisinger Stunden vorher die besten Plätze. Der Feuerwehrkommandant selbst konnte sich die Ankunft des Papstes allerdings nur in der Live-Übertragung anschauen. "Als der Papst vorbeigefahren ist, habe ich meinen Kollegen gesagt, sie sollen kurz rausgehen", sagt Frankl. "Ich habe ihn nicht gesehen." Das sei zwar schade, aber die Sicherheit sei nun mal wichtiger gewesen. Was Frankl allerdings keiner nehmen kann, ist, damals vor zehn Jahren dabei gewesen zu sein. "Da bin ich schon stolz drauf, dass ich das mitorganisieren durfte - und natürlich erleichtert, dass nichts passiert ist."

Inzwischen ist der Glanz des Papstbesuchs in Freising ein wenig verblasst. Kaum ein Tourist buche noch eine eigene Benedikt-Führung, sagt Irene Striegl von der Presseabteilung der Stadt. "Es sei denn, jemand wünscht dies ausdrücklich." Der "Push von damals ist abgeflaut", sagt auch Museumsleiterin Ulrike Götz. Eine Fahne in den Farben des Vatikanstaats über dem Eingang des "Weißbräu Huber" erinnert aber noch daran. Und natürlich der Torbogen zum Domhof. Dort ist in einer Inschrift festgehalten, dass Benedikt XVI. Ehrenbürger der Stadt Freising ist.

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