70 Jahre nach der Bombardierung Freisings:"Wir dürfen nicht vergessen"

Kriegsende

Nur der Turm der evangelischen Christi-Himmelfahrtskirche stand noch nach der Bombardierung am 18. April 1945.

(Foto: Stadtarchiv)

200 Menschen haben am 18. April 1945 ihr Leben verloren. Bei einem Gedenkgottesdienst in der Christi-Himmelfahrtskirche erzählt ein Zeitzeuge von den schrecklichen Ereignissen, die er als Kind erlebt hat. Sie lassen ihn bis heute nicht los.

Von Regina Bluhme, Freising

Samstag, 18. April 2015, 14.51 Uhr: In der evangelischen Christi-Himmelsfahrts-Kirche schlug Pfarrerin Dorothee Löser kurz die Klangschale, dann begannen die Sterbeglocken aller Kirchen der Domstadt zu läuten. Zu diesem Zeitpunkt waren am 18. April 1945 Bomben auf Freising gefallen und hatten über 200 Menschen in den Tod gerissen.

In einem ökumenischen Gottesdienst erinnerten Kirche und Politik an die schrecklichen Ereignisse vor 70 Jahren - zum Gedenken der Toten und als Mahnung für ein friedliches Miteinander aller Menschen.

In der frisch renovierten Christi-Himmelfahrtskirche mit ihren strahlend weißen Wänden und dem hellen Holzaltar erinnert nichts an die Zerstörungen am Ende des Zweiten Weltkriegs. Doch vor 70 Jahren, "da blieb nur der Turm", berichtete Pfarrerin Dorothee Löser.

Die Ruinen und die vielen Toten, "wer das damals miterlebt hat, der kann das sicher nie wieder vergessen", fügte sie hinzu und bat Fritz Forster ans Rednerpult. Der ehemalige Freisinger Stadtrat hat als Kind die Bombardierung der Domstadt erlebt.

Forster berichtete eindringlich vom ständigen Sirenenalarm, der die Menschen in die Luftschutzkeller am Lankesberg, in Neustift und am Weihenstephaner Berg getrieben habe. Weil alle Schulen als Lazarette dienten, habe der Unterricht im "Gasthaus zur Eisenbahn" an der Bahnhofstraße stattgefunden, so Forster. "Am 18. April hat es dann um 10 Uhr wieder Fliegeralarm gegeben, dann wieder Entwarnung, und dann etwa gegen 15 Uhr fielen die ersten Bomben".

Die verkohlten Leichen seien alle in der Leichenhalle beim St. Georg Friedhof gelagert worden. "Obwohl es verboten war, sind wir Buben doch hingegangen", berichtete Fritz Forster. Was er dort gesehen habe, sei grausam gewesen. Der Anblick sei ihm bis heute in Erinnerung.

Die Bombardierung hat auch sechs ganz besondere Kerzenständer hinterlassen, wie die Gottesdienstbesucher erfuhren. Nach dem Krieg sei Edelmetall sehr rar gewesen, erklärte Dorothee Löser, und so sei ein Handwerker auf die Idee gekommen, die Kerzenständer aus Granathülsen zu fertigen. "Sie sind ein Zeichen des Krieges, aber auch des Friedens". Gemeinsam mit ihrem katholischen Amtskollegen Peter Lederer entzündete sie nacheinander die Kerzen auf den ehemaligen Granathülsen.

Sechs Kerzen, sechs Botschaften

"Das erste Licht soll gegen das Vergessen leuchten", so Löser. "Gegen die falsche Ideologie der NS-Herrschaft, die leider bis heute in manchen Köpfen herumgeistert". Das zweite Licht entzündete Pfarrer Lederer "als Erinnerung an die Bürgerkriege der Gegenwart". Das nächste Licht: "Für ein gutes Miteinander aller Menschen verschiedener Kulturen und Religionen", so Löser.

Das vierte Licht wiederum soll laut Peter Lederer "an unsere Verfassung erinnern, die Wert legt auf die Grundrechte der Persönlichkeit". Die fünfte Kerze: "Dass wir alle Kinder Gottes sind und unser Gott ein Gott des Friedens und der Liebe ist", so Löser. Das sechste Licht soll, so Peter Lederer, leuchten für "die Wahrheit, Aufmerksamkeit, für offene Augen, offenen Ohren und vor allem für offene Herzen".

Freisings Oberbürgermeister Tobias Eschenbacher erinnerte anschließend an die letzten Kriegstage in Freising. Die Bomben hatten den Bahnhof zerstört und große Schäden an der Bahnhofstraße oder der Kochbäckergasse hinterlassen. "Wie ein Mahnmal" habe der Turm aus den Trümmern der zerstörten Christi-Himmelfahrts-Kirche geragt.

Kurz vor der Bombardierung hätten noch viele Menschen Zuflucht in der Kirche gesucht. Dies sei ihnen zum Verhängnis geworden. "Oft konnten die Toten nur anhand von Ketten oder Ringen identifiziert werden".

Aber Eschenbacher erinnerte auch an die Todesmärsche der KZ-Häftlinge, die in den letzen Apriltagen des Jahres 1945 durch den Landkreis Freising getrieben worden sind. "Wir dürfen und wollen nicht vergessen", schloss der Freisinger Oberbürgermeister seine Ansprach exakt um 14.51 Uhr. Es wurde still in der Kirche und draußen begannen laut die Glocken zu läuten.

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