Serie: "Menschen am Fluss":Alles im Blick

Serie: "Menschen am Fluss": Guter Job: Marion Große-Sudhues arbeitet meist unter freiem Himmel.

Guter Job: Marion Große-Sudhues arbeitet meist unter freiem Himmel.

(Foto: Einfeldt)

Marion Große-Sudhues ist die einzige Flussmeisterin Deutschlands. Sie überwacht 347 Kilometer Fließgewässer

Von Alexandra Vettori, Freising

Ihr Arbeitsplatz ist der Traum. Meist unter freiem Himmel und am Wasser, selbst in ihrem Büro in einem großzügigen Altbau mit knarrenden Dielen und riesigem Garten im Freisinger Stadtteil Lerchenfeld schaut sie auf die grüne Au hinaus. Wo andere radeln und wandern, da fährt sie mit ihrem Dienstwagen entlang, über Forst- und Deichwege, auf denen motorisierter Verkehr sonst strikt untersagt ist. Die bösen Blicke Erholungssuchender nimmt Flussmeisterin Marion Große-Sudhues meist gar nicht mehr zur Kenntnis, 74 Kilometer Fließgewässer erster und 300 Kilometer zweiter Ordnung lassen sich nicht mit dem Fahrrad überwachen.

In ihr Aufgabengebiet fallen die Isar und die Amper, Moosach, Strogen, Sempt und Dorfen. Mal ist es ein Baum, der in den Flusslauf fällt und den Abfluss stört, mal ein Absturz im Wasser, der zu einer fischfreundlichen Rampe umgebaut wird, dazu die Sichtung und Pflege der Isardeiche zum Hochwasserschutz, jüngst die Verfüllung eines großen Loches im Isarboden bei Achering, mal eine Turbine, die von Schwemmgut frei geräumt werden muss - die Aufgaben sind vielfältig. An der Wand im Büro hängt ein altes Foto von fünf Flussmeistern, gestandene Männer mit Bärten und Hüten, zwei sogar in Uniform. Sie würden sich die Augen reiben, sähen sie die Nachfolgerin. In Jeans und Bluse waltet Marion Große-Sudhues ihres Amtes, bis heute ist sie die einzige weibliche Flussmeisterin in Deutschland, wobei es den Beruf an sich ohnehin nur in Bayern gibt. Dort allerdings lässt er sich urkundlich bis ins 17. Jahrhundert zurückverfolgen. 1906 schlossen sich 70 Flusswarte erstmals zusammen, zum Verein der königlich bayerischen Flusswarte, damals trugen sie noch Uniform. Heute stehen im bayerischen Staatshaushalt 208 Planstellen für Flussmeister. Um ihr Berufsleben als weibliche Vertreterin ihrer Zunft macht die 39-Jährige wenig Aufhebens. Sie habe viel Rückendeckung bekommen, vor allem von ihrem früheren Chef, sagt sie. Klar ist: "Ein Zickchen darf man nicht sein. Da herrscht schon oft ein rauerer Ton unter Männern, aber das ist nicht böse gemeint."

Ihre berufliche Laufbahn begann Marion Große-Sudhues als Bauzeichnerin in ihrer Heimat Nordrhein-Westfalen. Ihre Schwester war damals im Hochwasserschutz tätig und erfuhr von einer Stelle beim Wasserwirtschaftsamt in Freising als Technikerin. Große-Sudhues bewarb sich, wurde genommen und 2007 nach einer Weiterbildung zur Flussmeisterin ernannt. Nach Bayern wollte sie eigentlich nicht, mittlerweile aber hat sie auch ihren Lebenspartner vom Süden der Republik überzeugt. Dass die Flussmeister heute das wegreißen und umbauen, was ihre Amtsvorgänger noch vor 30, 40 Jahren in die Flüsse gesetzt haben, nämlich Abstürze und befestigte Uferböschungen, das entlockt ihr ein Lächeln, da habe nicht erst seit der europäischen Wasser-Rahmen-Richtlinie ein Umdenken begonnen.

Vier Baustellen betreut Marion Große-Sudhues derzeit, alle haben ökologische Verbesserungen und/oder besseren Hochwasserschutz zum Ziel. Die laufende Renaturierung der Mittleren Isar ist ein Paradebeispiel für die Kehrtwende der staatlichen Wasserwirtschaft. Dal sich der Fluss immer tiefer in sein befestigtes Bett gräbt, die Ufer abbrechen und die Auwälder austrocknen, werden zumindest in kleinen Bereichen Verbauungen wieder entfernt, einzelne Bäche wieder an die Isar angebunden. Dem Artenschwund bei den Fischen begegnet man mit mehr Durchgängigkeit, Totholz im Wasser und kleinen Ruhezonen, die an den naturnah gestalteten Uferbereichen oder neuen Einmündungen von Bächen entstehen.

Das Knifflige an den Maßnahmen sind meist nicht die Berechnungen von Strömungen und Materialmengen oder gar der Bau an sich. Knifflig sind eher die unterschiedlichen Interessen, die bei Baustellen an einem Fließgewässer zu berücksichtigen sind: Fischer wünschen sich Fischbrut-Unterschlupf und Durchgängigkeit der Gewässer, Kraftwerksbetreiber ungestörten und möglichst großen Wasserdurchlauf durch Turbinen, Anwohner und Landwirte Hochwasserschutz, Erholungssuchende Wege am Wasser, Förster ungestörtes Wirken, und Umweltschützer wünschen sich alles möglichst naturnah. Ist dann ein Kompromiss gefunden, legt die Natur Hand an, meist in Form eines Hochwassers. Danach sehen gestaltete Areale ganz anders aus, als gedacht, bricht das Ufer ab, sind mühsam aufgeschüttete Kiesinseln weggespült, nur die größten Steinbrocken bleiben immer liegen.

Marion Große-Suedhues nimmt das locker: "Letztendlich gestaltet die Natur, man hat nichts falsch gemacht, aber sie zeigt einem, wie sie es noch schöner haben wollte."

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