Freimann:Nach dem Aufräumen kommt die Party

Freimann: Ein Dank an die Helfer: Brigitte Fritz verteilt den selbstgebastelten Sprengorden an Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr Freimann.

Ein Dank an die Helfer: Brigitte Fritz verteilt den selbstgebastelten Sprengorden an Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr Freimann.

(Foto: Robert Haas)

Zehn Tonnen Sprengmittel und wochenlanger Ausnahmezustand: Das haben die Bewohner der Freimanner Siedlung hinter sich - und feiern mit ihren Helfern "Sprengfest."

Von Melanie Staudinger

Nur zwei Erdbeerpflanzen haben überlebt. Sie hängen von der Terrasse herab, von den Resten, die die Bagger von der Veranda übrig gelassen haben. "Es kommen noch immer Schaulustige, die das Loch sehen wollen", sagt Melitta Meinberger. Doch das Loch in ihrem Garten, dem wohl bekanntesten Garten in Freimann, ist längst zugeschüttet. "Da habe ich halt die Erdbeeren hingehängt, damit es ein bisschen romantisch aussieht", sagt die Seniorin. Nach Romantik aber ist ihr gar nicht zumute. In ihrem Garten wurde ein Munitionslager aus dem Zweiten Weltkrieg gefunden. Mehr als 200 Menschen aus der Siedlung um den Zwergackerweg mussten für mehrere Wochen ihr Zuhause verlassen, bis Experten 16 Tonnen hochexplosives Material entschärft und entsorgt hatten.

Der Ausnahmezustand ist nun vorbei. Deshalb richten die Nachbarn am Samstag auch ein Stadtteilfest aus. Und wieder ist die Gegend um das Haus der Meinbergers großräumig abgesperrt. Dieses Mal aber kontrollieren keine stämmigen Sicherheitsmänner am Einlass am Schlößlanger. Dieses Mal sitzt Ellen Zimmermann dort, die nur wenige Meter vom Munitionsfund entfernt lebt und die Party organisiert hat. "Wir sind eine richtige Gemeinschaft geworden", sagt Zimmermann.

Es weisen keine Schilder mehr auf die "Kampfmittelbeseitigungsarbeiten" hin. Auf weißen Zetteln steht, dass es Cola gibt, Bier, Spezi und Bratwürstl in der Semmel. Mit ihrem Sprengfest wollen die Anwohner den Helfern danken, den Feuerwehrleuten, den Sicherheitsmännern, den Kampfmittelbeseitigern. Sie alle haben in drei Schichten gearbeitet, um all die Granaten und die Munition aus dem jahrzehntelang zubetonierten Löschwasserbassin unschädlich zu machen. "Wir haben eine sehr bewegende Zeit durchlebt", sagt Anwohner Richard Krahmer. Alle Häuser seien stehengeblieben, niemand sei verletzt worden. Dafür wollen die Menschen aus der Freimanner Siedlung Danke sagen. Für die Helfer haben sie kleine Medaillen gebastelt, einen Sprengorden, der aus einer Flasche "Kleiner Feigling" besteht.

Wieder Alltag im Zwergackerweg

Die große Aufregung ist vorüber, um den Zwergackerweg ist wieder Alltag eingekehrt. Fast alle Schäden sind beseitigt, in der Siedlung deutet kaum mehr ein Indiz auf die Evakuierung hin. Außer auf dem Grundstück der Meinbergers, das freilich Gesprächsthema Nummer 1 beim Sprengfest ist: Der Zaun zur Straße hin fehlt, Paletten sichern das Areal notdürftig ab. Vom Garten ist nichts mehr zu sehen, nicht das Gras, nicht die Wege, nicht das Gartenhäuschen. An der Hausmauer deutet sich an, wo die Treppe war.

Melitta Meinberger schüttelt den Kopf: "Alles haben sie wieder hergerichtet, nur meinen Garten nicht." Darum soll sie sich selbst kümmern. Aber sie traut sich nicht. Die erste Rechnung hat sie bereits erhalten. 650 000 Euro soll sie für den Kampfmittelräumdienst bezahlen. Im Kostenvoranschlag sei noch von 12 000 Euro die Rede gewesen. "Es konnte keiner ahnen, dass da 16 Tonnen Munition vergraben liegen", sagt Meinberger. 2,2 Millionen Euro wird die Sache insgesamt kosten, die Räumung, der Aushub, der Rettungsdienst, die Hotels für die Anwohner, der Abtransport.

Wie viel die Meinbergers bezahlen müssen, wissen sie noch nicht. Die Stadt hat zugesagt, den Betrag zu übernehmen. "Sie geht aber nur in Vorleistung und will sich das Geld vom Freistaat und dem Bund wiederholen", sagt Meinberger. Was passiere, wenn die oberen Ebenen nicht zahlten, sei ungewiss. Momentan könne die Familie nur abwarten. "Ich lasse es auf mich zukommen und dann werde ich kämpfen", sagt Meinberger. Alleine wird sie das nicht durchhalten müssen. "Wir Nachbarn stehen in den Startlöchern, um zu helfen", sagt Walter Hilger vom Siedlerverein Kieferngarten. Die Spendensammlung aber sei erst einmal verschoben worden: "Wir wissen nicht, ob das Geld an den Anteil von den Meinbergers angerechnet wird." Denn für Freistaat und Bund wollen die Freimanner den Klingelbeutel nicht herumgehen lassen.

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