Freimann:Kleinstadt mit City-Flair

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Das Planungsreferat nutzt erstmals konsequent einen neuen Passus im Baurecht, um auf dem Areal der ehemaligen Bayernkaserne ein besonders dichtes Quartier zu realisieren. Fast jede zweite Wohnung wird finanziell gefördert

Von Stefan Mühleisen, Freimann

Es wird mehr als ein Jahrzehnt dauern, bis dieses neue Stück Stadt fertig ist: 15 000 Menschen sollen dereinst, wohl 2030, in bis zu 6000 Wohnungen auf dem Gelände der ehemaligen Bayernkaseren leben, wo heute noch Militär-Baracken stehen. Freimann wird um die Größe einer Kleinstadt nachverdichtet, ein Mammutprojekt - das allerdings alles andere als ein 08/15-Quartier werden soll. Die Stadt zeigt sich entschlossen, mittels strikter Vorgaben ein kompaktes, innovatives Wohngebiet vor allem für Normalverdiener zu realisieren. "Wir setzen hier neue Maßstäbe", sagt der zuständige Abteilungsleiter im Planungsreferat, Steffen Kercher.

Er war am Dienstagabend mit seinem Kollegen Michael Bacherl in die Sitzung des Bezirksausschusses Schwabing-Freimann gekommen, um den Stand des Bebauungsplanverfahrens für das 58 Hektar große Areal darzulegen. Die Ausführungen legen nahe, dass dort in der Tat neue Maßstäbe für Münchner Neubaugebiete gesetzt werden könnten. Äußerst konsequent will die Stadt ein urbanes Quartier hochziehen, das sich in Dichte, Vielfalt und Lebensqualität an gewachsenen Innenstadtvierteln wie der Maxvorstadt oder auch der City von Barcelona orientiert. Möglich ist das, weil die Stadt Eigentümerin von gut 80 Prozent des Planungsgebiets ist. Als solche kann sie das Feld nach ihrem Gusto bestellen - und gewünscht wird ein sowohl urbanes als auch grünes Quartier, das zu mehr als 75 Prozent aus günstigen Wohnungen besteht. "Hohe bauliche Dichte mit guter Wohnqualität", formuliert es Baudirektor Kercher.

Die Voraussetzung: Erstmals wird die Stadt im großen Stil ein neues Planungsinstrument anwenden, welches nach der jüngsten Baurechts-Novelle zur Verfügung steht: Die Kategorie "Urbanes Gebiet" erlaubt es, dichter und höher zu bauen, lässt zudem eine Mischung aus Gewerbe, Wohnen und sozialen Einrichtungen zu. Die Folge: Die Stadt schreibt den Bauherren - sie werden als Konsortium agieren - auf 60 Prozent der Flächen vor, im Erdgeschoss Gewerbe anzusiedeln. Es werden also jede Menge Restaurants, Cafés und kleine Läden entstehen können.

Rigoros will die Stadt auch ihre sozialen Ziele durchsetzen: 34 Prozent der Wohnungen sollen "preisreduziert" sein, das heißt: Es gilt die Auflage, dauerhaft nach den Vorgaben des Mietspiegels zu belegen. Gewöhnlich müssen sich Investoren bei Neubauwohnungen nicht an dieses Regelwerk halten. Zu kaufen gibt es ohnehin nur die wenigsten Flächen. Laut Baudirektor Kercher sollen alle stadteigenen Baufelder - sie umfassen 48 Hektar - nur per Erbbaurecht vergeben werden. Der Rest, rund zehn Hektar, sind in etwa jene 20 Prozent Anteil am Wohnungsmix, der an frei finanzierten Eigentumswohnungen realisiert werden soll. Übrig bleiben stolze 46 Prozent geförderte Wohnungen.

Die städtische Topografie, die auf dem Gelände erwächst, soll ebenfalls eine neue Qualität haben: Das grobe Raster mit siebengeschossigen Gebäudekomplexen und Wohnhöfen ist durch den Siegerentwurf der Büros Hilmer Sattler Architekten Ahlers Albrecht und Max Dudler sowie Landschaftsarchitekten Mahl Gebhard Konzepte zwar festgeklopft - doch die Architektur ist es noch nicht. Kercher und Kollegen können sich vorstellen, für jedes Baufeld ein Beratungsgremium einzusetzen, mitunter sogar separate Wettbewerbe abzuhalten. Wer den Zuschlag erhält, muss sich an einen Gestaltungsleitfaden halten - etwa daran, gemeinschaftlich nutzbare Dachgärten anzulegen. Apropos Grün: Einen Stadtpark soll es im Westteil geben, dazu großzügige Grüngürtel im Norden und Süden. Der Müll der Bewohner soll erstmals flächendeckend mit einem Unterflur-Müllsystem entsorgt werden.

Der Bezirksausschuss nahm all dies wohlwollend zur Kenntnis. Kritik wurde nur bezüglich der Straßenplanung laut: Die Schwabinger Politiker wünschen sich an der Ost-West-Achse, "die Straße von den Bäumen her zu denken", wie es Ekkehard Pascoe (Grüne) ausdrückte, also die Bestandsbäume auf einem Mittelstreifen zu belassen. "Das Quartier hat so viel Innovatives, das sollte auch bei der Straßenplanung so sein", sagte Petra Piloty (SPD).

© SZ vom 25.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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