Freimann:Frei und fröhlich

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Beim bunten Kulturfest in der Mohr-Villa treffen sich Flüchtlinge und Einheimische. Es gibt ernste Momente und berührende Begegnungen

Von Renate Winkler-Schlang, Freimann

Josefine μMorgan dreht sich einmal um die eigene Achse. Sie weiß gar nicht, wen sie zuerst begrüßen soll, mal englisch, mal deutsch. Gleichzeitig will sie sehen, wer von den Ehrenamtlichen ihre organisatorische Hilfe braucht, ob alle Gäste glücklich und zufrieden sind. Sie lächelt hier und busselt da und ist offenbar in Gedanken doch schon beim nächsten. Die 18-Jährige hat zwischen Schule und Studium ein freiwilliges soziales Jahr FSJ Kultur geschoben. Das Kulturfestival "Freimann kann" am Samstagabend in der Mohr-Villa ist "ihr" Projekt, bei dem sie zeigen darf, was sie vom Team um Leiterin Julia Schmitt-Thiel gelernt hat. Um die Highlights, die sie organisiert hat, in dem wunderbar weitläufigen Gelände für jeden verständlich ansagen zu können, braucht sie Verstärkung: Ein rot-weißes Megafon baumelt dekorativ an ihrer Hüfte.

Wichtig sei ihr, Begegnungen möglich zu machen für Geflüchtete aus der Erstaufnahmeeinrichtung Bayernkaserne oder der Unterkunft für unbegleitete Minderjährige mit den Freimannern, aber auch, junge "Subkultur" in die alte Villa zu holen, sagt Morgan. Nachmittags zum Anwärmen hat sie einen Graffiti-Workshop eingeplant mit Geflüchteten und Einheimischen. Hier können Farben sprechen statt vieler Worte. Weil die ehrwürdige Villa unter Denkmalschutz steht, darf nur eine Nische ganz hinten an einem Nebenbau verschönt werden. Die Künstlerin Tanja König lässt unter anderem den auffordernden Schriftzug "Freiheit Mann" entstehen. Das Mann steht etwas kleiner schräg unter der Silbe Frei, wer zweimal hinschaut, erkennt den Sinn: Frei-heit in Frei-mann.

Das Megafon kündigt Mouhannad an, den Ballkünstler aus Syrien. Ein normaler gelber Tennisball und eine Coladose sind seine Requisiten - und ein kleines schwarz-rot-goldenes Stück Stoff, das er in seine akrobatischen Jonglierkunststücke einbaut. Seine Hommage an sein Gastland.

Bernhard, der 87-Jährige, der gerne geduzt werden will, bestaunt die Sprühkunst. Im Sandkasten passt der Kabarettist Claus von Wagner, Schmitt-Thiels Mann, auf die Kinderschar auf. Die Vorstandsdamen Brigitte Fingerle-Trischler, Elena Deidenbach und Ina Lizius freuen sich, dass alle Generationen und so viele Nationen hier vertreten sind. Der Garten wird immer voller, die einen kommen vom Christopher Street Day, die anderen vom Pfarrfest der Kirchengemeinde. Serena Widmann, fröhliche Ehrenamtliche aus der Bayernkaserne, hat vier Djemben mitgebracht - und schon liegt dieser ganz besondere Groove über allem, den eben nur Trommeln herbeizaubern. Schüchternheit verfliegt, Begegnungen werden leichter in dieser lockeren Stimmung.

Morgans Megafon ruft alle rein: Eng wie in einem Schlauchboot auf dem Mittelmeer sitzen sie, um nur ja "Grenzenlos" nicht zu verpassen, das Schattentheater, das der Schauspieler und Theaterpädagoge Viktor Schenkel und seine Regieassistentin Sara Schüller mit minderjährigen Geflüchteten und Schülern aus dem Münchner Norden fürs Theaterfestival Rampenlichter erarbeitet haben. Schicksale, Fluchtgeschichten - verdichtet in kurze Sätze und die hinter der Leinwand angeleuchteten Schemen. Eindringlich ist das und berührend, der Applaus herzlich und lang. "So bunt ist der Norden", sagt Julia Schmitt-Thiel.

Auf der Freilichtbühne, die das Metropoltheater aufgebaut hat, rezitiert die Philosophiestudentengruppe "cogito" um Max Pointner und Yaneth Monsalve in einer experimentellen Performance Janne Tellers "Krieg - stell Dir vor, er wäre hier". Ernste Gesichter im Publikum, der Kontrast könnte nicht größer sein zwischen dem Gehörten und dem lauen Sommerabend im sicheren Freimann. Ernsthaft wird diskutiert, doch viele zieht es auch wieder hinüber zur Getränketheke, zu fröhlicheren Gesprächen und kreativer Betätigung mit bunten Farben am Biertisch. Das Megafon hat ausgedient, Josefine Morgan kann den Rappern zuhören und sich entspannen.

© SZ vom 11.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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