Freimann:Flächen-Brand

Heidemannstraße

SZ-Karte; Foto: Google Earth Pro

Die Turnerschaft Jahn möchte ihre Golfanlage an der Freisinger Landstraße an die Bayerische Hausbau verkaufen und mit dem Geld neue Sporthallen finanzieren. Die Stadt stellt sich quer, der Bezirksausschuss ist sauer

Von Stefan Mühleisen, Freimann

In den Reihen der Fraktionen nicken die Stadtviertelvertreter finster, vereint im Verdruss. "Wir sind ausgebootet worden, warum sollten wir uns einbringen?", stellt der Vorsitzende des Bezirksausschusses Schwabing-Freimann, Werner Lederer-Piloty (SPD), sichtlich sauer fest. Die Konsequenz: Das Gremium beteiligt sich an einer Bürger-Informationsveranstaltung zum neuen Wohngebiet auf dem Areal des ehemaligen Floriansmühlbades an der Freisinger Landstraße nicht.

Die Entscheidung markiert eine Eskalation in einer verzwickten Gemengelage, zu der die Koalition im Rathaus derzeit eine zwiespältige Haltung hat, was vor allem einen Akteur in dieser Geschichte sehr bekümmert: Werner Gawlik, den Vorsitzenden der Turnerschaft (TS) Jahn. "Es hätten doch alle etwas davon. Die Stadt kann mehr Wohnungen bauen, wir die dringend benötigte Sporthalle."

Diesen Appell richtet er nun schon seit Längerem in Richtung Rathauspolitik. Denn die TS Jahn hat ein Problem mit ihrem mehr als vier Hektar großen Gelände an der Freisinger Landstraße. Die dortige Golfanlage ist seit Jahren defizitär, wobei andere Abteilungen des Zustroms der Mitglieder kaum Herr werden - Aufnahmestopps, auch in der Dependance an der Weltenburger Straße in Bogenhausen, waren nötig. Gefragt sind vor allem Hallensportarten, weshalb Gawlik gerne expandieren, also Hallen bauen würde - in Bogenhausen ebenso wie in Freimann. Und da kommen ihm scheinbar die Pläne auf dem südlichen Nachbargrundstück wie gerufen.

Zwischen Floriansmühlstraße im Süden und Emmerigweg im Norden steht die Bayerische Hausbau bereit, ein neues Wohnquartier hochzuziehen. Das ehemalige Freibad-Areal liegt brach, nun sollen dort auf 6000 Quadratmetern Fläche 30 000 Quadratmeter Geschossfläche entstehen. Gawliks Kalkül: Der Verein verkauft das Golfplatz-Areal an die Investoren, wodurch das Wohngebiet um das Doppelte nach Norden ausgeweitet und die TS Jahn im Nordteil beim Aldi-Grundstück die ersehnte Halle über den Verkaufserlös finanzieren könnte.

Der Bezirksausschuss (BA) zeigte sich begeistert von dieser Strategie. Lederer-Piloty bedrängte die Stadträte bereits im Sommer 2016, den Umgriff des Quartiers um das Jahn-Gelände auszuweiten. Zuvor hatte sich die Bürgerversammlung für den Bau der Halle und für die "Schließung der bestehenden Baulücke (...) durch eine umweltverträgliche Wohnbebauung" ausgesprochen. Doch Stadtbaurätin Elisabeth Merk sah das in ihrer Vorlage für den Beschluss, der das Bebauungsplanverfahren ins Rollen brachte, äußerst kritisch. Schon das benachbarte ehemalige Freibad-Gelände liegt demnach im Landschaftsschutzgebiet der Isarauen, auch das Jahn-Areal sei Teil davon. Als "sehr sensible Lage" wird der gesamte Bereich bezeichnet, die Behörde rät dringend zu einer "maßvollen Bebauung". Überdies: Angesichts der steigenden Bevölkerungszahl und des damit wachsenden Bedarfs an Sportflächen sei die Fläche "weiterhin für Sportnutzung zu sichern", schreibt Merk. Das fand die Stadtratsvollversammlung überzeugend und entschied: Es soll zunächst bei der kleineren Lösung bleiben. Parallel dazu soll die Behörde aber dennoch Strukturuntersuchungen für das Jahn-Gelände anstellen.

Lederer-Piloty ist mit seinem Gremium der Auffassung, dass die Stadt die Gelegenheit vergibt, ein um bis zu 500 Wohnungen größeres und deshalb urbaneres Quartier zu bauen. Rückenwind kommt vom Planungssprecher der Rathaus-CSU, Walter Zöller: "Wir brauchen dringend Wohnungen, wir sollten die Chance ergreifen." Wenn die Bevölkerung Ja sage, sollte der Stadtrat nicht Nein sagen. Seine Fachkollegin bei der SPD, Heide Rieke, mahnt dagegen zur Zurückhaltung. In der wachsenden Stadt, so appelliert sie, müsse die Bevölkerung auch Freiflächen für Sport und Erholung zur Verfügung haben: "Der Wohnungsbau ist wichtig, doch müssen auch gesamtstädtische Belange des Klimaschutzes, der Grünflächenversorgung und der Sportflächen berücksichtigt werden."

Wie Rieke ist es auch für Kristina Frank eine gute Idee, den Wettbewerb für das Freibad-Areal anlaufen zu lassen und die Strukturanalyse für das Jahn-Grundstück abzuwarten. "Wir können nicht überall Wohnungen bauen, wir brauchen einen gesunden Mix", sagt die sportpolitische Sprecherin der CSU-Stadtratsfraktion. Zudem gelte es, die raren Sportflächen in der Stadt zu erhalten. Frank schlägt vor, der Verein könnte alternativ das Sportförderprogramm in Anspruch nehmen, über das Münchner Vereine Zuschüsse und Darlehen für Hallenbau abrufen können. Doch Gawlik winkt ab. "Der Verkauf des Grundstückes ist für uns die einzige Option, neue Hallen in Freimann und in Bogenhausen zu realisieren." Die Rückzahlung von Darlehen könne der Verein nicht stemmen.

So wird ihn wohl ein Kurzbericht des Planungsreferates im Stadtratsausschuss am 18. Januar nur bedingt aufmuntern. "Grundsätzlich ist eine Dreifachturnhalle auf dem Gelände vorstellbar", fasst ein Behördensprecher die Kernaussage bereits jetzt zusammen. Das Gesamtergebnis, wie und ob eine Bebauung auf dem Jahn-Gelände möglich ist, soll "im Laufe des Jahres" mit dem Wettbewerbsergebnis vorgestellt werden.

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