Freimann:Ein weiter Weg für 100 Meter

Bereits seit dem Ende der Neunzigerjahre besteht die Forderung nach einer Verbindung zwischen Lilienthalallee und Maria-Probst-Straße. Wegen des notwendigen Bahnübergangs geht noch immer nichts voran

Von Stefan Mühleisen, Freimann

Es gibt in dieser Stadt einige Projekte, die nur mit quälender Trägheit vorankommen. Oft sind das Monster-Vorhaben - ziemlich teuer und hoch kompliziert, wie die Tunnel-Pläne für den Mittleren Ring. Es gibt aber auch kleinere Infrastrukturprojekte, die für einen Stadtbezirk unheimlich wichtig sind, aber nur in nervtötendem Schneckentempo vorankommen: der "Missing Link" in Freimann zum Beispiel - der kuriose Fall eines dringend nötigen Straßenstückes, das im Behördendschungel festhängt.

Dabei geht es um eine nur 100 Meter lange Straße mit Bahnübergang zwischen Maria-Probst-Straße und Lilienthalallee. Das Verbindungsstück ist seit mindestens 18 Jahren geplant, aber bis heute nicht realisiert - und ein Baubeginn ist immer noch nicht absehbar. Inzwischen drängt die Zeit, denn bald dürfte der Verkehrsdruck dort ein kritisches Ausmaß erreichen.

Das fehlende Verbindungsstück wurde bereits Ende der Neunzigerjahre von den Stadtviertelpolitikern und der Bürgerschaft identifiziert und fortan "Missing Link" genannt. Das Ganze brachte seinerzeit die "Perspektive Freimann" ins Rollen, ein Masterplan für das Viertel, der in Bürger-Workshops entstand. Schon damals kam man zu dem Ergebnis, dass die Freimanner Siedlungen "wie ein Verbund von selbständigen Inseln" erscheinen, wie es im Abschlusspapier 1999 heißt.

Riesenrad Frankfurter Ring, Maurer Söhne

Sieht nur toll aus: Die mächtig wirkende Lilienthalallee führt lediglich in den Gewerbepark Freimann, schafft aber keinen direkten Zugang zum Euro-Industriepark.

(Foto: Florian Peljak)

Zwei solcher Inseln sind zwei Gewerbesegmente, die jeweils unabhängig voneinander durch Achsen erschlossen sind: der Euro-Industriepark im Osten, durchzogen von der Maria-Probst-Straße und der Gewerbepark Freimann im Westen, erschlossen von der Lilienthalalle. Will man von einer Seite zur anderen gelangen, sind lange Umwege nötig.

Der Bezirksausschuss verschickte über die Jahre viele Eingaben an die Stadt, den "Missing Link" zu bauen. Und bereits im Jahr 2000 erteilte der Stadtrat dem Planungsreferat den Auftrag "für eine schnelle Planung und Realisierung der Straßenanbindung". Es dauerte sieben Jahre, bis endlich die erforderliche Ausnahmegenehmigung vom Eisenbahnbundesamt (EBA) einging, die wiederum von der Deutschen Bahn (DB) als Partner für die Planvereinbarung eingeholt hatte werden müssen.

Schon damals, im Januar 2007, erklärte das Planungsreferat dem Stadtrat in einem Beschlusspapier, weshalb der Lückenschluss zum Problem werden könnte. Denn die Gewerbeentwicklung im Münchner Norden schritt und schreitet auch heute in großen Schritten voran - und mit ihr die Verkehrsbelastung. Vor allem der Lilienthalallee droht damals wie heute die Überlastung: In Blickweite des ersehnten Überganges hat jetzt BMW mit einem weiteren Ausbau des Standortes begonnen. 3000 Mitarbeiter sollen dort Platz finden; weiter nördlich sind Arbeiter dabei, das ehemalige Bundesbahn-Ausbesserungswerk zur Auto-Erlebniswelt "Motorworld" umzugestalten. Die Planungsbehörde nennt schon 2007 die Verbindungsstraße - damals war das Konzept für das Areal noch diffus - als "eine wesentliche Voraussetzung" für die Entwicklung des Areals. Das Referat warnte zudem vor "enormer Zunahme an Wohnraum und Arbeitsplätzen" durch die Neubauquartiere Domagkpark, Bayernkaserne sowie durch die Expansionspläne von BMW. In neuerer Zeit kamen noch ein großer Baumarkt nördlich des "Motorworld"-Komplexes hinzu, südlich davon soll mittelfristig ein Gewerbepark für die Autobranche entstehen.

Stadtviertel

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Die Krux liegt von Anfang an darin, dass die wenige Dutzend Meter lange Straße über Schienen der Deutschen Bahn gelegt werden müsste - mithin ein neuer Bahnübergang mit allem Drum und Dran nötig wird, wie aus einem Dossier hervorgeht, das die DB-Systemtechnik im Zuge des Verfahrens beim EBA eingereicht hat. Demnach sind Halb- und Fußgängerschranken, Lichtzeichen und Andreaskreuze vorgesehen. Gequert werden muss die Strecke 5567 Milbertshofen-Freimann, die für Rangierfahrten sowie zum Abstellen von Meridian-Waggons und Zügen der Bayerischen Oberlandbahn (BOB) genutzt wird. Nach DB-Angaben gibt es etwa zwölf Zugbewegungen am Tag.

Doch die "Missing-Link"-Planung kam und kommt nur in winzigen Trippelschritten voran. 2011 holte sich das Baureferat das Placet vom Stadtrat, selbst ein Konzept zu erarbeiten, da sich die Planvereinbarung mit der DB "sehr schleppend" gestalte. Die wird dann am 23. April 2013 geschlossen, das besagte Dossier reichte die DB im Juli 2014 beim Eisenbahnbundesamt ein. "Erst seit August 2016 liegt ein vollständiger Antrag vor", teilt ein EBA-Sprecher mit. Als Grund für die lange Bearbeitungszeit teilt der Behördensprecher mit: Die Bahn habe ihre Pläne mehrmals in verschiedenen Punkten überarbeiten müssen, "weil sie entweder noch nicht vollständig waren oder der Korrektur bedurften".

Die Beteiligung der Träger öffentlicher Belange sei noch nicht abgeschlossen; erst danach könne man anfangen, die Plangenehmigung zu erarbeiten. "Eine zeitliche Prognose ist vor diesem Hintergrund leider nicht möglich", sagt der EBA-Sprecher. Obendrein ist noch nicht klar, wie viel Stadt und Bahn jeweils für das Projekt zahlen. Vom Baureferat heißt es: Erst nach Abschluss des Plangenehmigungsverfahrens stünden die Projektkosten fest - und erst dann könne eine Vereinbarung über die Kostenbeteiligung geschlossen werden.

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