Freimann:Abschied von der Magistrale

Freimann: Der prächtige Baumbestand in der Bayernkaserne wird wohl zum großen Teil weichen müssen - schon der möglichen Altlasten wegen.

Der prächtige Baumbestand in der Bayernkaserne wird wohl zum großen Teil weichen müssen - schon der möglichen Altlasten wegen.

(Foto: Stephan Rumpf)

Die innovative Straßenplanung für das neue Quartier in der ehemaligen Bayernkaserne wird wohl zu den Akten gelegt. Der Bezirksausschuss protestiert, doch die städtischen Experten sehen dafür insgesamt zu wenig Platz. Und sie wollen die Wohnbaufelder keinesfalls verkleinern

Von Stefan Mühleisen, Freimann

Beim Gelände der ehemaligen Bayernkaserne in Freimann soll vieles anders laufen als bei früheren Neubausiedlungen. Die Planer sagen, sie hätten aus Versäumnissen gelernt, die keine organischen Stadtviertel, sondern Trabantenstädte hervorbrachten. Urban und lebendig soll dieses Quartier für dereinst 15 000 Menschen werden, zum Beispiel durch die Vorgabe an Bauherren, in den Erdgeschossbereichen Gewerbe anzusiedeln; Dichte und Vielfalt orientieren sich an Innenstadt-Quartieren - wobei die vitale Fülle auch durch mannigfaltige Architektur der Gebäude zum Ausdruck kommen soll.

Das alles findet große Zustimmung im Bezirksausschuss Schwabing-Freimann - allerdings stößt sich das Gremium an einem Vorhaben der Stadt für den öffentlichen Raum, konkret an der Gestalt einer knapp einen Kilometer lange Straße. "Wir wollen ein attraktives Stück Stadt bauen und es nicht mit einer 08/15-Lösung verhunzen", sagte SPD-Planungssprecherin Petra Piloty unlängst in der Sitzung.

Die Kritik bezieht sich auf ein Teilstück der geplanten Ringstraße im nördlichen Abschnitt, welches das 58 Hektar große Planungsgebiet in Ost-West-Richtung, parallel zur Heidemannstraße, durchzieht. Eine zentrale Achse also, und als solche Bestandteil des öffentlichen Raums - wie auch Plätze, Grünflächen und Gehwege, deren Gestaltung ebenso wie die der Baufelder Bestandteil des Architektenwettbewerbs waren. Als Sieger gingen das Büro Hilmer Sattler Architekten Ahlers Albrecht und Max Dudler sowie die Landschaftsarchitekten Mahl Gebhard Konzepte hervor; und die legten eine städtebaulich in München noch kaum verwirklichte Idee vor. "Uns war es wichtig, im öffentlichen Raum neue Wege zu gehen", sagt die federführende Architektin Rita Ahlers.

Gewöhnlich sieht der Querschnitt der Münchner Straßen so aus: In der Mitte werden die Fahrspuren angelegt, an deren Rändern die Parkbuchten, gefolgt von Grünflächen mit gegebenenfalls Bäumen; zwischen Rasen und Häuserkanten sind die Rad- und Gehwege. Die Alternatividee aus dem Siegerentwurf ist eine andere Anordnung: Die beidseitigen Grünflächen wandern von den Rändern in die Mitte der Straßenschneise - ein Mittelgrün wie bei Autobahnen, das die Fahrspuren trennt. Am Saum dieser Barriere werden die Parkplätze situiert, sodass zwischen Häuserkanten und Straßenrand allein Trottoir und Radwege verbleiben. Der Auslöser für diese Lösung, so erzählt es Ahlers, sei die vorhandene Baumreihe in diesem Bereich des Kasernengeländes gewesen. "Wir wollten einerseits die Bäume erhalten, andererseits die Autos weg vom Straßenrand bringen, wo sie die Hausfassaden verstellen." Der Bereich zwischen Fassaden und Häusern sollte allein den Fußgängern und Radfahrern reserviert sein.

Dieser Auffassung sind auch die Stadtviertelvertreter, die scharf kritisieren, dass das städtische Planungsreferat nun doch eine "gewöhnliche" Straße für diese so genannte Nordmagistrale des neuen Viertels vorsieht. Das Gremium fordert, der Masterplan für das Gebiet solle auch im Bereich der Straßenprofile gemäß dem Wettbewerbsergebnis umgesetzt werden. Dabei geht es den Politikern auch um den Erhalt möglichst vieler Bestandsbäume. "Die Verlegung der Parkplätze in die Mitte hat auch den Vorteil, beim Aussteigen nicht über Hundekothaufen steigen zu müssen", kommentierte Petra Piloty in der Sitzung. Das Gremium verlangt nun überdies, prinzipiell zur Abwägung der Argumente runde Tische mit BA- und Behördenvertretern, Wohnungsbaugesellschaften und Genossenschaften einzurichten.

Was die Nordmagistrale anbelangt, wird das Planungsreferat wohl auf der "08/15-Lösung" bestehen, wie der zuständige Abteilungsleiter in der Behörde, Steffen Kercher, durchblicken lässt. "Es ist eine tolle Idee", räumt der Baudirektor ein. Man werde das auch nochmals prüfen, "aber nach Prüfung der Sachzwänge und auch der planerischen Ziele lässt es sich nicht umsetzen". Nach seiner Einschätzung müssen viele der Bäume ohnehin weichen, da auf dem einst militärisch genutzten Gebiet engmaschige Kampfmittel- und Altlastenentsorgung nötig sei; die Gewächse stünden überdies "unterirdischen Zwängen" wie der Verlegung von Versorgungsleitungen im Weg. Als Hauptargument gegen die Mittelgrün-Lösung sieht er aber schlicht zu wenig zur Verfügung stehenden Platz. Gut zehn Meter Breite wären für den baumbestandenen Mittelstreifen inklusive Parkbuchten nötig, wobei 27 Meter von Hauskante zu Hauskante zur Verfügung stünden. "Das ginge auf Kosten der Gehwege und der Aufenthaltsqualität und des erwünschten urbanen Charakters", sagt Kercher. Durchziehen lässt sich das ihm zufolge nur, wenn der Straßenraum insgesamt deutlich verbreitert wird. Doch das ginge "zu Lasten der Baufelder, die dann kleiner werden".

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